Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §177 Abs1;
BAO §177;
KfzStG §2 Abs2 idF 1981/299;
KfzStG §2 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §177 Abs1;
BAO §177;
KfzStG §2 Abs2 idF 1981/299;
KfzStG §2 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte, das für ihn zugelassene Kraftfahrzeug von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Er sei bei einem Arbeitsunfall am 18. Juni 1986 und einem Verkehrsunfall am 2. August 1987 schwer verletzt worden. Nach den vorliegenden Gutachten zweier gerichtlich beeideter Sachverständiger vom Juli 1988 sei unter anderem eine Gehbehinderung eingetreten. Er benötige aus diesem Grund seinen PKW zur persönlichen Fortbewegung.
Das Finanzamt ersuchte das Gesundheitsamt um "amtsärztliche Feststellung", ob der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug infolge der körperlichen Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwenden müsse.
Der Amtsarzt teilte dem Finanzamt folgendes mit:
"Auf Grund der Untersuchung wird festgestellt, daß die Zuerkennung der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nicht gerechtfertigt ist, da die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar ist. Die Untersuchungsbefunde befinden sich am ho. Gesundheitsamt."
Das Finanzamt wies den Antrag des Beschwerdeführers ab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, das Finanzamt sei seiner Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs (im Zusammenhang mit dem amtsärztlichen Gutachten) nicht nachgekommen.
Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer zwei von gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Fach der Unfallchirurgie erstattete Gutachten vor. Im Gutachten vom 5. Juli 1988 wird nach ausführlichem Befund unter anderem dargelegt, der Oberschenkelbruch rechts sei mit leichter Beinverkürzung und geringer Gangbehinderung abgeheilt. Es bestünden glaubhaft subjektive Beschwerden im Bruchbereich der drei verletzten Extremitäten, vor allem bei Wetterwechsel, sowie eine leichte Gangbehinderung in unebenem Gelände. Das Gutachten vom 25. Juli 1988 nennt als am Begutachtungstag noch bestehende Unfallsfolgen unter anderem eine Bandlockerung im Bereich des linken Kniegelenkes und eine Beinverkürzung rechts um ca. 0,5 cm; im Rahmen des Befundes wird dargelegt, der Gang auf ebenem Boden mit Sportschuhwerk sei unauffällig und nicht einseitig hinkend.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer vor, auch den vorgelegten Gutachten könne nicht entnommen werden, daß die in § 2 Abs. 2 KfzStG genannten Voraussetzungen vorlägen. Sie übermittelte dem Beschwerdeführer den vom Amtsarzt am 11. September 1989 aufgenommenen, der Äußerung vom selben Tag zu Grunde liegenden Befund. Dieser hat folgenden Wortlaut:
"Autounfall 1987. Offener OS-Bruch rechts. Gang unbehindert, Beinverkürzung rechts ca. 1 cm. Beine werden gehoben. Zehen-Fersenstand möglich. KFZ-Steuerbefreiung nicht gerechtfertigt, da Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar."
Der Beschwerdeführer nahm zu den ihm vorgehaltenen Eregbnissen des Ermittlungsverfahrens wie folgt Stellung: Die Äußerung des Amtsarztes entspreche keinesfalls den an ein Gutachten zu stellenden Anforderungen. Es fehle fast zur Gänze der Befund. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Amtsarzt zum Schluß gelangt sei, daß eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nicht gerechtfertigt sei. Auf Grund der gravierenden Beinverletzung des Beschwerdeführers stelle sich die Situation derzeit so dar, daß dieser auf nur leicht unebenen Flächen nur kurzzeitig gehen oder stehen könne. Im Bein fange es dann stark zu "ziehen" an. Wegen dieser Schmerzen müsse der Beschwerdeführer sich "umgehend niedersetzen", nach einiger Zeit ließen die Schmerzen dann wieder nach. Probleme träten auch beim Stufengehen auf; insbesondere beim Bergabgehen sei es notwendig, daß der Beschwerdeführer die Stufen äußerst vorsichtig "steige" und sich dabei mit den Händen stütze. Da sämtliche öffentliche Verkehrsmittel äußerst steile Ausstiege mit sehr hohen Stufen hätten, sei ihm die Verwendung dieser Verkehrsmittel nicht zumutbar. Bei besonderen Wetterlagen, insbesondere bei Nässe und Wetterumschwüngen, bedürfe es nicht einmal widriger Straßenverhältnisse, um zu den beschriebenen Schmerzen zu kommen. Der Beschwerdeführer müsse von zu Hause ein bis zwei Kilometer zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels zurücklegen; die dadurch entstehende Beanspruchung seines Beines sei unzumutbar. Diese Umstände müßten zusätzlich zu den vorliegenden medizinischen Unterlagen Berücksichtigung finden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage die Auffassung, die körperliche Behinderung des Beschwerdeführers stehe im Hinblick auf übereinstimmende Äußerungen von drei Gutachtern fest. Auf Grund eines Oberschenkelbruches sei rechts eine Beinverkürzung eingetreten. Diese werde durch das Tragen einer Schuheinlage mit einem Höhenausgleich im Ausmaß der Beinverkürzung ausgeglichen. Eine leichte Gangbehinderung bestehe vor allem in unebenem Gelände. Der Beschwerdeführer habe konkrete Umstände, warum er infolge der geringen Gehbehinderung zur persönlichen Fortbewegung ein Kraftfahrzeug verwenden müsse, nicht dargetan. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme stünden teilweise im Widerspruch zu den von ihm selbst vorgelegten Gutachten. Aus diesen ergebe sich, daß die Unfallfolgen weitgehend abgeheilt seien. Bei der amtsärztlichen Untersuchung sei keine Verschlechterung der Situation festgestellt worden. Weder anläßlich der Untersuchung noch in seiner Stellungnahme habe der Beschwerdeführer behauptet, es sei gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt der Begutachtung eine Verschlechterung eingetreten. Aus keinem der drei Befunde und Gutachten sei somit ersichtlich, daß der Beschwerdeführer zur persönlichen Fortbewegung auf die Benützung des PKW angewiesen wäre oder ohne diese konkret eine Verschlimmerung seines körperlichen Gebrechens zu besorgen wäre.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 2 KfzStG sind für Körperbehinderte zugelassene Kraftfahrzeuge, die von diesen Personen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, auf Antrag von der Steuer zu befreien.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die von § 2 Abs. 2 KfzStG für die Steuerbefreiung geforderte Voraussetzung, daß das in Rede stehende Kraftfahrzeug vom Körperbehinderten infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden muß, nur erfüllt, wenn eine ständige, nicht bloß vorübergehende oder zeitweise Benutzung des Kraftfahrzeuges notwendig ist. Dabei kommt es aber nicht unbedingt darauf an, daß die Benützung des Kraftfahrzeuges auch bereits für kürzeste Wegstrecken erforderlich bzw. die einzig mögliche Beförderungsart ist; sie ist für einen Körperbehinderten auch dann indiziert, wenn andernfalls konkret eine Verschlimmerung seines körperlichen Gebrechens zu besorgen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0053, und vom 29. Jänner 1990, Zl. 88/15/0068, und die darin jeweils zitierte Vorjudikatur).
Der belangten Behörde standen zur Beurteilung des Vorliegens der erwähnten Voraussetzungen die Stellungnahme des Amtsarztes und die vom Beschwerdeführer vorgelegten, auf im Jahr 1988 durchgeführten Befundaufnahmen beruhenden Gutachten zur Verfügung. Zwar ist die Auffassung der belangten Behörde, daß sich aus den genannten Beweismitteln kein hinreichender Anhaltspunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 2 Abs. 2 KfzStG ergibt, zutreffend; der belangten Behörde war es jedoch aus folgenden Gründen verwehrt, diese Beweismittel ohne weitere Ermittlungen ihren Sachverhaltsannahmen zugrunde zu legen:
Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens behauptet, bereits nach kurzzeitigem Gehen und Stehen an solchen Schmerzzuständen zu leiden, daß er sich "umgehend niedersetzen" müsse; auch das bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erforderliche Überwinden von Stufen sei ihm "nicht zumutbar". Ebenso sei ihm die Zurücklegung einer Wegstrecke von ein bis zwei Kilometer (von seinem Wohnort zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels) "nicht zumutbar".
Mit diesen - für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen, nicht von vornherein unbeachtlichen - Behauptungen hat sich die belangte Behörde im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die (im übrigen der Stellungnahme des Beschwerdeführers zeitlich vorgehende) Äußerung des Amtsarztes war zur Widerlegung der Behauptungen des Beschwerdeführers schon deshalb nicht geeignet, weil sie sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder ausreichend die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt. Die belangte Behörde durfte eine solche Äußerung, die mangels Darlegung des vom Sachverständigen erhobenen Befundes nicht auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden kann, ihren Sachverhaltsannahmen nicht zu Grunde legen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1970, Slg. 7714/A).
Die vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Sachverständigengutachten hätte die belangte Behörde ihrer Entscheidung nur dann ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu Grunde legen dürfen, wenn der Beschwerdeführer nicht behauptet hätte, daß seit der Befundaufnahme eine Änderung seines Zustandes eingetreten wäre. Eine solche Behauptung hat der Beschwerdeführer zwar nicht ausdrücklich aufgestellt; in der oben wiedergegebenen, von den im Jahr 1988 erhobenen Befunden erheblich abweichenden Darstellung seines Zustandes liegt jedoch wenigstens implizite die Behauptung einer seither eingetretenen Änderung. Bei dieser Sachlage wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, mit dem Beschwerdeführer zu erörtern, ob seit den Befundaufnahmen im Jahr 1988 - deren Ergebnisse nicht auf die Notwendigkeit ständiger Benützung eines Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung hindeuten - eine Verschlechterung seines Zustandes eingetreten ist, und bei Bejahung dieser Frage ein den oben dargelegten Anforderungen entsprechendes, auf die Behauptungen des Beschwerdeführers Bedacht nehmendes Sachverständigengutachten einzuholen.
Durch die Unterlassung einer solchen Vorgangsweise hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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