Normen
AVG §58 Abs2;
BAO §20;
BAO §294 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
FinStrG §187;
FinStrG §32;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
BAO §20;
BAO §294 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
FinStrG §187;
FinStrG §32;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt als Organ des Finanzamtes vom 30. Oktober 1985 schuldig erkannt, als geschäftsführende Gesellschafterin bzw. auch als Prokuristin einer GesmbH vorsätzlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für verschiedene Zeiträume in den Jahren 1981, 1982 und 1983 in der Höhe von insgesamt S 1.024.818,-- nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet zu haben. Die Beschwerdeführerin wurde dafür wegen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe von S 70.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall zu 35 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens von S 5.000,-- verurteilt. In dem rechtskräftig gewordenen Erkenntnis berücksichtigte der Spruchsenat bei der Strafbemessung unter anderem als mildernd die schwierige familiäre, persönliche und finanzielle Situation (laut Verhandlungsniederschrift monatliches Bruttoeinkommen von S 4.100,--, kein Vermögen und Konkurs auch hinsichtlich des Privatvermögens).
In der Folge bewilligte die Finanzstrafbehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin (Lohnpfändungen bis auf das Existenzminimum, Schulden aus Geschäftsführerhaftung in Millionenhöhe) verschiedene Zahlungserleichterungen (Stundungen bzw. Ratenzahlungen von zumeist S 300,-- monatlich). Am 28. Juni 1989 stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag um Nachsicht" der noch aushaftenden Strafe. Dieses Ansuchen (damals hafteten von dem ursprünglichen Strafbetrag von S 70.000,-- noch S 60.600,-- aus) wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit Bescheid vom 19. Juli 1989, Zl. 949/1-2/Z-1989, gemäß § 187 FinStrG als unbegründet ab (für den Fall der Unmöglichkeit, die Geldstrafe zu bezahlen, sehe das Gesetz die Ersatzfreiheitsstrafe vor und zudem sei die finanzielle Situation bereits bei der Strafbemessung ausreichend berücksichtigt worden).
Nachdem ein weiteres Zahlungserleichterungsansuchen vom 16. August 1989 (angebotene Monatsraten von S 500,--) wegen Gefährdung der Einbringlichkeit abgewiesen worden war, stellte die Beschwerdeführerin am 28. September 1989 neuerlich ein Gnadengesuch gemäß § 187 Finanzstrafgesetz. Die Beschwerdeführerin sei derzeit als Buchhalterin beschäftigt und verdiene monatlich netto S 11.059,--. Den gesamten, nach Lohnpfändungsgesetz der Pfändung unterliegenden Betrag habe sie jedoch zur Zahlung ihrer Schulden aus dem seinerzeitigen Konkursverfahrens zu verwenden, sodaß ihr im Ergebnis lediglich S 5.719,-- monatlich zuzüglich der Sonderzahlungen zur Verfügung stünden. Für Miete und Betriebskosten habe sie monatlich S 1.109,--, für Gas und Heizung S 540,-- und für Strom und Telefon S 630,-- zu bezahlen. Ihre beiden Söhne seien im Jahre 1987 zu Freiheitsstrafen von sieben bzw. acht Jahren verurteilt worden. Weil ihr geschiedener Ehemann, der Vater der beiden Söhne, mit der ehemaligen Frau eines der beiden Söhne in Lebensgemeinschaft lebe, habe sie auch für die finanzielle Unterstützung der Söhne zu sorgen, für welche sie in ihrer sittlichen Verpflichtung regelmäßig kleinere Geldbeträge einzahle. Ein Sohn habe zwei Kinder, die Kindesmutter, die geschiedene Ehefrau ihres Sohnes, lebe jedoch selbst von der Sozialhilfe, sodaß sie auch hier mit ihren beschränkten Mitteln einspringen müsse. Diese Situation führe dazu, daß ihre finanzielle Bewegungsfreiheit weit unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt liege und jede zusätzliche Belastung eine unzumutbare Einschränkung in notwendigsten Bereichen bedeute. Es lägen daher sicherlich berücksichtigungswürdige Umstände im Sinn des § 187 Finanzstrafgesetz vor. Auch das Straferkenntnis des Spruchsenates sei davon ausgegangen, daß der Grad ihres Verschuldens bei der Begehung der Finanzordnungswidrigkeit ein geringer gewesen sei. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe würde zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, und es sei in ihrem Lebensalter von 51 Jahren nicht absehbar, ob sie noch eine Beschäftigung bekommen könnte. Trotz ihres geringen Einkommens hingen zum Teil sowohl ihre Söhne als auch ihre Enkelkinder von ihr ab, sodaß eine Verweigerung des ersuchten Gnadenerweises auch zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensbedingungen dieser Personen führen würde. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Tat sowie der langen, seither verstrichenen Zeit spreche auch die General- bzw. Spezialprävention nicht gegen den Gnadenerweis.
In der Folge erhob die Abgabenbehörde die aktuellen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin und fand dabei das Vorbringen im Gnadenansuchen im wesentlichen bestätigt (laut "Rechenschaftsbericht des Vollstreckers" besaß die Beschwerdeführerin keine pfänd- oder verwertbaren Gegenstände, und es sei auch zukünftig eine Einbringung aufgrund der hohen Gesamtschulden in Höhe von rund S 1.300.000,-- nicht möglich).
Mit dem angefochtenen Bescheid sah die belangte Behörde einen Teilbetrag von S 50.000,-- der Strafe (die noch in einer Höhe von S 60.300,-- ausständig war) gnadenweise unter der Bedingung nach, daß der verbleibende Strafbetrag binnen einem Monat ab Zustellung der Entscheidung oder unter Einhaltung einer allenfalls erteilten Zahlungserleichterungsbewilligung entrichtet werde, und zwar gegen jederzeitigen Widerruf; das Mehrbegehren wies die belangte Behörde als unbegründet ab. Die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer schlechten Vermögenslage die über sie verhängte Geldstrafe nicht bezahlen könne, stelle für sich allein noch keinen gnadenwürdigen Grund dar, weil das Finanzstrafgesetz für diesen Fall die Ersatzfreiheitsstrafe vorsehe. Wohl aber könnten das lange Zurückliegen der Tat, das Bemühen, die Strafe nach Kräften abzustatten und die schwierigen persönlichen Verhältnisse als berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 187 Finanzstrafgesetz gewertet werden. Da die Beschwerdeführerin nunmehr unselbständig tätig sei, stünden auch keine spezialpräventiven Erwägungen dem Gnadenerweis im Wege. Eine gänzliche Nachsicht der noch aushaftenden Strafe habe jedoch nicht gewährt werden können, weil ein relativ großer Schaden verursacht worden sei und die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umstände bereits bei der Strafbemessung, die zu einer niedrigen Strafe geführt habe, ausreichend berücksichtigt worden seien. Um den Strafzweck zu erreichen und weil der Beschwerdeführerin überdies die Bezahlung des Restbetrages der Strafe zumindest wie bisher in Monatsraten zumutbar erscheine, sei die Nachsicht in angemessener Höhe spruchgemäß gewährt worden.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht, bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände die durch die Finanzstrafbehörde verhängte Strafe ganz nachgesehen zu erhalten bzw. in ihrem Recht auf gesetzmäßige Ermessensübung (§ 187 Finanzstrafgesetz) verletzt. Der angefochtene Bescheid werde insofern bekämpft, als die eingeräumte Nachsicht gegen jederzeitigen Widerruf erteilt und das Mehrbegehren als unbegründet abgewiesen worden sei; die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid im Umfange dieser Bekämpfung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 187 Finanzstrafgesetz kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften die verhängte Strafe ganz oder teilweise nachgesehen werden. Danach und in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Dezember 1958, BGBl. Nr. 290/1958, in der Fassung BGBl. Nr. 607/1982, können die Finanzlandesdirektionen durch die Finanzstrafbehörden auferlegte Geldstrafen bis zum Gesamtbetrag von S 120.000,-- nachsehen.
Gemäß § 187 Finanzstrafgesetz hat niemand einen Rechtsanspruch auf die gnadenweise Nachsicht einer Abgabenstrafe, es besteht aber ein Anspruch auf Ermessensübung im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes sind Ermessensentscheidungen jedenfalls insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 1973, 1798/72, und vom 7. Juli 1978, 1265/77).
Die Ausübung des Gnadenrechtes setzt nach der zitierten Gesetzesstelle das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen voraus. Die Feststellung dieser Umstände ist keine Frage des Ermessens, sondern der objektiven Sachverhaltsermittlung. Liegen keine berücksichtigungswürdigen Umstände vor, muß das Gnadengesuch als unbegründet abgewiesen werden. Hat die Behörde berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der nach dem Gesetz in weiterer Folge zur treffenden Ermessensentscheidung eröffnet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1987, 87/16/0052, und vom 23. November 1992, 91/15/0071, sowie Sommergruber-Reeger, Finanzstrafgesetz-mit Kommentar, Eisenstadt 1990, Seite 729). Die Ermessensentscheidung muß sich in den Grenzen halten, die das Gesetz (§ 20 BAO) dem Ermessen zieht, wobei § 187 Finanzstrafgesetz nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Behörde einen besonders weiten Ermessensspielraum zur Verfügung stellt (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1983, G 34/83-10).
Die bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände zu treffende Entscheidung der Gnadenfrage kann auch von Bedingungen abhängig gemacht werden (vgl. Dorazil-Harbich, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Seite 573). Liegt die Zuerkennung einer Begünstigung im freien Ermessen der Behörde, ist auch der Vorbehalt des Widerrufes der eingeräumten Begünstigung grundsätzlich zulässig (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seite 914). Dies vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, daß nach der ständigen hg. Rechtsprechung ohnedies nur zureichende sachliche Gründe (etwa Änderung der Verhältnisse) zur Ausübung des Widerrufs (trotz Vorbehalts eines "jederzeitigen Widerrufs") berechtigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1989, 87/07/0119, und vom 10. Dezember 1991, 91/14/0163), wobei einem "unbeschränkten" Widerruf auch die Verjährungsbestimmungen (im vorliegenden Fall des § 32 Finanzstrafgesetz) entgegenstehen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, daß die vom Gesetz geforderten berücksichtigungswürdigen Umstände gegeben sind. In der Begründung hat die belangte Behörde erkennbar die Tatsachen bezeichnet, die sie als berücksichtigungswürdige Umstände wertete. Eine nähere Detaillierung war - entgegen der Ansicht in der Beschwerde - nicht erforderlich, zumal die belangte Behörde damit ohnedies im wesentlichen dem Vorbringen im Gnadenansuchen gefolgt ist. Die belangte Behörde hat auch ausgeführt, warum sie im Rahmen der Ermessensentscheidung zu keinem weitergehenden Gnadenerweis gekommen ist. Die diesbezüglichen Erwägungen erscheinen keineswegs unsachlich. Die in Aussicht gestellte rund 70 %ige Nachsicht der bereits im Straferkenntnis lediglich mit rund 14 % des damaligen Strafrahmens (nach § 49 Abs. 2 FinStrG war dies die Hälfte des nicht entrichteten Betrages) festgesetzten Geldstrafe trägt den berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin ausreichend Rechnung. Die Beschwerde verkennt auch, daß die Nachsicht nur bei Bezahlung des Restbetrages innerhalb eines Monates ab Zustellung der Entscheidung gewährt worden wäre. Ausdrücklich wird nämlich sowohl im Spruch als auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Möglichkeit der Abstattung des Restbetrages in Form einer Zahlungserleichterungsbewilligung ("wie bisher in Monatsraten") hingewiesen. Bei der Erteilung dieser Zahlungserleichterung, für die nach § 172 Abs. 1 Finanzstrafgesetz nicht die belangte Behörde, sondern nur die Finanzstrafbehörde erster Instanz zuständig sein konnte, wäre die Einbringlichkeit des verbliebenen Differenzbetrages von S 10.300,-- offenkundig auch anders zu beurteilen gewesen als die Einbringlichkeit des gesamten aushaftenden Strafbetrages bei der abweisenden Erledigung des Zahlungserleichterungsansuchens vom 16. August 1989.
Die belangte Behörde hat daher innerhalb ihres vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraumes entschieden, sie hat von dem ihr durch das Gesetz eingeräumten Ermessen nicht dem Sinn des Gesetzes zuwider Gebrauch gemacht (Art. 130 Abs. 2 B-VG), sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991.
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