VwGH 90/11/0104

VwGH90/11/010418.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerden des N gegen 1.) den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 21. März 1990, Zl. 691.817/1-2.5/89, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, 2.) den Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 19. Juni 1990, Zl. T/68/03/04/11, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1978 §37 Abs2 litb impl;
ZDG 1974 §13 Abs1;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb impl;
ZDG 1974 §13 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der am 14. Mai 1968 geborene Beschwerdeführer wurde bei seiner Stellung am 18. Juni 1986 für tauglich befunden und mit einem am 28. Jänner 1988 zugestellten Bescheid zur Leistung des Grundwehrdienstes beginnend mit 5. April 1988 einberufen. Der Einberufungsbefehl wurde wegen eines rechtzeitig eingebrachten Antrages auf Befreiung von der Wehrpflicht nach dem Zivildienstgesetz 1986 von Amts wegen behoben. Nach Zurückweisung dieses Antrages begehrte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 26. April 1988 seine gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 21. März 1990 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/11/0104 protokollierte Beschwerde.

2. Mit dem als Einberufungsbefehl bezeichneten Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 19. Juni 1990 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 zur Leistung des Grundwehrdienstes beginnend mit 1. Oktober 1990 einberufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/11/0151 protokollierte Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1. ZUR BESCHWERDE ZAHL 90/11/0104:

Gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes auf ihren Antrag befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines Befreiungsbegehrens geltend, er habe mit Kaufvertrag vom 30. März 1988 einen Landwirtschaftsbetrieb um den Preis von S 4,8 Mio erworben. Der 12,6 ha landwirtschaftliche Nutzflächen und 6,1 ha Wald umfassende Betrieb befinde sich in extremer Berglage (Erschwerniszone 3); einzige Arbeitskraft sei der Beschwerdeführer. Im Falle seiner Einberufung zum Präsenzdienst wären die Bewirtschaftung des Hofes und die Rückzahlung der für dessen Erwerb aufgenommenen Darlehen nicht gewährleistet.

Mit diesem Vorbringen vermochte der Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des Gesetzes nicht darzutun. Nach ständiger - von der belangten Behörde zutreffend zitierter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Wehrpflichtiger seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, daß für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden, nicht aber, daß durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. durch das Eingehen finanzieller Verpflichtungen solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden (vgl. neben den im angefochtenen Bescheid genannten Erkenntnissen etwa das Erkenntnis vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0077, mit weiteren Judikaturhinweisen). Im Zeitpunkt seiner wirtschaftlichen Disposition war dem Beschwerdeführer bekannt, daß er entweder seiner Zivildienst- oder seiner Präsenzdienstpflicht werde nachkommen müssen (nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für Zivildienstpflichtige das oben Gesagte in gleicher Weise - vgl. die Erkenntnisse vom 25. März 1987, Zl. 84/01/0362, vom 27. Mai 1987, Zl. 87/01/0015, und vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0050). Der Beschwerdeführer war daher gehalten, die Vereinbarkeit dieser gesetzlichen Verpflichtung mit dem in Aussicht genommenen Erwerb des Landwirtschaftsbetriebes und dessen Bewirtschaftung durch ihn zu prüfen und entweder vom Erwerb des Anwesens Abstand zu nehmen oder die finanziellen Vereinbarungen (Rückzahlungsmodalitäten) unter Bedachtnahme auf seine gesetzliche Verpflichtung zu treffen sowie allenfalls erst nach deren Erfüllung mit der nachhaltigen Bewirtschaftung des Hofes zu beginnen. Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde den Kauf des Anwesens als unaufschiebbar bezeichnet und dazu vorbringt, es habe "auf Grund der günstigen Ausgangslage mehrere Interessenten" gegeben und es sei "der Zuschlag nur durch sofortige Entscheidung zu bekommen" gewesen, so handelt es sich dabei um unzulässige Neuerungen (§ 41 Abs. 1 VwGG). Davon abgesehen vermag der Verwaltungsgerichtshof angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, daß in der Möglichkeit, das in Rede stehende Anwesen zu erwerben, eine derart außergewöhnlich gute Gelegenheit liegen könnte, daß deren durch die Präsenzdienstpflicht bedingtes Nichtergreifen eine - vor allem im Verhältnis zu anderen Wehrpflichtigen - unzumutbare Benachteiligung darstellen würde.

Für den Beschwerdeführer ist auch mit dem Vorbringen nichts zu gewinnen, er habe beim Abschluß des Kaufvertrages und beim Eingehen der finanziellen Verpflichtungen mit der Unterstützung durch seinen Vater und seinen Bruder für den Fall der Präsenzdienstleistung gerechnet, eine solche Aushilfe sei aber nunmehr infolge Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters und der dadurch notwendig gewordenen Übergabe des väterlichen Hofes an den Bruder des Beschwerdeführers (laut Beilage zur Beschwerde mit 2. Februar 1990) unmöglich geworden. Der Beschwerdeführer hat derartiges zwar bereits in der Berufung vorgebracht, aber nicht konkret dargetan, daß all dies die Folge einer erst nach dem Kauf des Anwesens unerwartet eingetretenen entscheidenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes seines Vaters sei. Im übrigen mußte der Beschwerdeführer im Hinblick auf das Alter des Vaters und dessen Gesundheitszustand (chronische Lumboischialgien) schon bei Abschluß des Kaufvertrages damit rechnen, daß sein Vater bzw. sein Bruder zur Hilfeleistung im erforderlichen Ausmaß nicht mehr imstande sein würden.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. ZUR BESCHWERDE ZAHL 90/11/0151:

Der Beschwerdeführer wiederholt in dieser Beschwerde im wesentlichen sein Vorbringen in der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid. Er meint weiters, der Einberufungsbefehl hätte deshalb nicht erlassen werden dürfen, weil infolge Einbringung der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid "das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen" gewesen sei und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässigerweise "sozusagen präjudiziert" würde.

Abgesehen davon, daß die Einbringung der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid an dessen bereits eingetretener Rechtskraft nichts zu ändern vermochte, ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Anhängigkeit einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem ein Befreiungsantrag abgewiesen worden ist, der Erlassung eines Einberufungsbefehles nicht entgegensteht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/11/0291, und vom 29. Mai 1990, Zl. 90/11/0077).

Sohin ist auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Zuspruch der verzeichneten Verfahrenskosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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