VwGH 89/18/0146

VwGH89/18/014619.3.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler,

Dr. Degischer, Dr. Domittner und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 1. August 1989, Zl. Dr.M/Ke, betreffend Beitragszahlung zum Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §75;
ÄrzteG 1984 §79 Abs7;
AVG §56;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7;
ÄrzteG 1984 §75;
ÄrzteG 1984 §79 Abs7;
AVG §56;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 10. Jänner 1989 teilte die Ärztekammer für Wien - Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds - der Beschwerdeführerin folgendes mit:

"Nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien sind Kammerangehörige, die nach Vollendung des 35. Lebensjahres beitragspflichtig werden, zu einer Nachzahlung der Fondsbeiträge verpflichtet, wobei die Berechnung des Nachzahlungsbetrages ebenfalls mit Vollendung des 35. Lebensjahres beginnt.

Da Sie mit 1.10.1988 ordentliche Kammerangehörige und somit Pflichtmitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien geworden sind, ergibt sich in Ihrem Fall eine Beitragsvorschreibung in der Höhe von S 185.625,--, wobei jedoch die von der Ärztekammer für Steiermark an die Ärztekammer für Wien überwiesenen Beiträge von insgesamt S 121.565,70 anzurechnen sind. Es verbleibt somit ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von S 64.059,30.

Die Aufschlüsselung über die Nachtragsvorschreibung wollen Sie bitte der beiliegenden Aufstellung entnehmen, wobei darauf hingewiesen wird, daß es sich selbstverständlich nur um den Zeitraum vom 1.2.1985 (Vollendung des 35. Lebensjahres) bis 30.9.1988 (Beginn der ordentlichen Mitgliedschaft im Kammerbereich Wien) handelt.

Für allfällige Rückfragen steht Ihnen das Büro des Wohlfahrtsfonds Telefon 51 501 DW 249 gerne zur Verfügung."

 

Mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 22. Februar 1989 teilte die Beschwerdeführerin der Ärztekammer für Wien mit, daß sie hinsichtlich der erwähnten Nachzahlungsbeträge eine andere Rechtsansicht vertrete. Sie ersuche um Übermittlung einer Aufstellung über ihre Zahlungen sowie der Beitragsordnungen. Die Ärztekammer erwiderte mit Schreiben vom 18. März 1989 an den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin, wies auf die bestehenden unterschiedlichen Rechtsauffassungen hin und übermittelte in der Beilage die gewünschten Aufstellungen und Beitragsordnungen.

Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin richtete am 10. Mai 1989 folgendes Schreiben an den erwähnten Verwaltungsausschuß:

"In Angelegenheit Ihres obgenannten Kammermitgliedes nehme ich Bezug auf Ihr geschätztes Schreiben vom 10.1.1989 an die Genannte, meine Stellungnahme vom 22.2.1989 hiezu sowie das Antwortschreiben vom 18.3.1989 hierauf.

Da sich eine Klärung der Rechtslage auf diesem Wege nicht hat herbeiführen lassen, stelle ich unter Vorlage der Vollmacht meiner Klientin in deren Namen den Antrag auf Erlassung eines der Anfechtung zugänglichen Bescheides und dessen Zustellung zu meinen Handen."

 

Unter dem Datum des 9. Juni 1989 erließ der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien einen Bescheid dahin, daß der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Mai 1989 um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung bzw. § 78 Abs. 2 und 3 des Ärztegesetzes abgewiesen werde. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Antrag vom 10. Mai 1989, dessen meritorischer Inhalt aus Vorkorrespondenz (Schreiben der Beschwerdeführerin vom 22. Februar 1989, Schreiben der Kammer vom 18. März 1989) erkennbar sei, die Erlassung eines rechtsmittelfähigen Bescheides beantragt. In der Sache selbst dürfe auf die Ausführungen im Schreiben der Ärztekammer vom 18. März 1989 hingewiesen werden, aus denen hervorgehe, daß der Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin nicht den Bestimmungen des Ärztegesetzes und der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien entspreche. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Bescheid möge vom Beschwerdeausschuß als gesetzwidrig aufgehoben und es möge verfügt werden, daß davon Abstand genommen werde, von der Beschwerdeführerin die Nachzahlung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds ab ihrem 35. Lebensjahr zu fordern.

Unter dem Datum des 1. August 1989 erließ der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien einen Bescheid dahin, daß die Beschwerde der Beschwerdeführerin abgewiesen werde. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin am 10. Mai 1989 die Erlassung eines rechtsmittelfähigen Bescheides beantragt habe. Dieser Antrag sei vom Verwaltungsausschuß als Antrag auf Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres angesehen und mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 1989 abgewiesen worden. Sodann heißt es in der Bescheidbegründung:

"In Ihrer Beschwerde vom 4. Juli 1989 führen Sie zunächst aus, daß der vom Verwaltungsausschuß abgewiesene Antrag von Ihnen in dieser Form nicht gestellt worden sei und der Verwaltungsausschuß somit einen nicht gestellten Antrag abgewiesen hat.

Wenn man Ihr Schreiben vom 22. Februar 1989 seinem Wortlaut und seinem Sinn nach betrachtet, mündet Ihr Rechtsstandpunkt in der Auffassung, daß die Vorschreibung eines Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres auf einer unrichtigen Auslegung und Anwendung des § 78 Ärztegesetz bzw. § 7 der Satzung beruhe. Daraus kann nur der weitere Schluß gezogen werden, daß Sie die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung des Nachzahlungsbetrages in Frage stellen. Wenn nun von Ihnen unter Bezugnahme auf dieses Schreiben der Antrag auf Erlassung eines der Anfechtung zugänglichen Bescheides gestellt wird, ist dem Verwaltungsausschuß beizupflichten, daß darunter nur ein Antrag auf Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages verstanden werden kann."

 

Es folgen Ausführungen dahin, daß der Rechtsstandpunkt des Wohlfahrtsausschusses richtig und jener der Beschwerdeführerin unrichtig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 7 des Ärztegesetzes ist für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuß und dem Beschwerdeausschuß das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 anzuwenden.

Die Beschwerde rügt unter anderem, die Beschwerdeführerin habe einen "Antrag auf Nichtvorschreibung eines der Höhe nach nicht definierten Nachzahlungsbetrages" nicht in dieser Form gestellt. Bis nun habe die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keinen Bescheid zukommen lassen, aus dem entnommen werden könne, wie hoch die Nachzahlung sei und woraus sich diese Höhe ergebe. Es genüge nicht zur Erlassung eines gesetzmäßigen Bescheides, auf vorhergegangene Korrespondenz zu verweisen. Des weiteren wird Richtigkeit der in der Korrespondenz vertretenen Rechtsansicht der Beschwerdeführerin und die Unrichtigkeit der darin vertretenen Rechtsansicht der Ärztekammer für Wien behauptet.

Gemäß § 56 AVG 1950 hat der Erlassung eines Bescheides, wenn es sich nicht um eine Ladung oder um einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vorneherein klar gegeben ist, nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 voranzugehen. Gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1950 hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage, in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Die Vorschreibung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer im Sinne des § 75 des Ärztegesetzes hat durch Bescheid zu erfolgen (grundsätzlich hiezu Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zlen. 88/18/0218, 0219). Eine solche bescheidmäßige Vorschreibung ist hinsichtlich der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittigen Beträge bisnun nicht erfolgt. Darüberhinaus hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 10. Mai 1989 ausdrücklich die Erlassung eines rechtsmittelfähigen Bescheides beantragt. Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der belangten Ärztekammer wäre daher verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin die strittigen Beträge unter Einhaltung der oben zitierten Bestimmungen des AVG 1950 vorzuschreiben und dies zu begründen. Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds hat dies nicht getan, vielmehr hat er einen von der Beschwerdeführerin gar nicht so gestellten Antrag "um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages" abgewiesen und damit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, eine spruchmäßig zu erfolgende Beitragsvorschreibung im einzelnen zu bekämpfen.

Obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds dies gerügt hat, hat der Beschwerdeausschuß diese in der ersten Instanz unterlaufene Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen und hat damit seinerseits seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Sein Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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