Normen
BAO §198 Abs2;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
KanalgebührenO Perg 1980 §2 Abs1 idF 1986/07/08;
KanalgebührenO Perg 1980 §2 idF 1986/07/08;
LAO OÖ 1984 §145 Abs3;
LAO OÖ 1984 §211 Abs1;
LAO OÖ 1984 §211 Abs2;
StGG Art2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BAO §198 Abs2;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
KanalgebührenO Perg 1980 §2 Abs1 idF 1986/07/08;
KanalgebührenO Perg 1980 §2 idF 1986/07/08;
LAO OÖ 1984 §145 Abs3;
LAO OÖ 1984 §211 Abs1;
LAO OÖ 1984 §211 Abs2;
StGG Art2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der an "EH u. Mitbesitzer" gerichtete, mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. Oktober 1986 enthält folgenden Spruch:
"Gemäß den Bestimmungen der Kanalgebührenordnung der Stadtgemeinde Perg vom 30.9.1976 i.d.g.F. bzw. der Müllabfuhrgebührenordnung der Stadtgemeinde Perg vom 24.11.1977 i. d.g.F. werden Ihnen die nachstehenden Kanalbenützungs- bzw. Müllabfuhrgebühren vorgeschrieben.
Die Jahresgebühr ist in vier gleichen Teilbeträgen jeweils am 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. eines jeden Jahres fällig. Die Gebühren werden vor jedem Fälligkeitstermin vom Stadtamt Perg zur Zahlung vorgeschrieben. Für das laufende Kalenderjahr ist bei einer Änderung die anteilige Gebühr zu entrichten.
Die in diesem Bescheid festgesetzten Gebühren sind solange zu entrichten, bis ein neuer Bescheid ergeht ..."
Nach der diesem Bescheid beigegebenen Begründung stütze er sich auf die im Spruch bezogenen Gebührenordnungen der Stadtgemeinde Perg.
Weiters finden sich in diesem Bescheid folgende Angaben:
"Fälligkeitsdatum: 1986-10-01"
"Steuerart K" (= Kanalbenützungsgebühr)
"Wirksamkeit ab 1986/10/01"
Als Bemessungsfläche sind "839,00" (ergänze: m2), als "Grundgebühr bzw. Einheitssatz" 13,00, als Jahresgebühr 10.907,00 und als Umsatzsteuer 1.090,70 (ergänze jeweils: Schilling) angeführt. Weiters heißt es unter den Rubriken "Vorschreibungsbetrag", "Anfängl. Stand" und "Neuer Saldo" jeweils "0,00".
Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer mit einem als "Einspruch" bezeichneten Schriftsatz, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, von den im Bescheid genannten 839 m2 seien 18 Prozent Privatanteil und 82 Prozent Schauräume. In letzteren sei weder eine Wasserentnahme noch ein Abfluß vorhanden. Weiters seien keine fremden Arbeitskräfte ständig hier beschäftigt.
Mit dem an beide Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 2. März 1988 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung als unbegründet ab.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung und brachten darin im wesentlichen vor, durch die ungekürzte Vorschreibung des m2-Satzes sei das dem Gebührenrecht immanente Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzt. Die Gebührenvorschreibung beruhe auf einer gleichheitswidrigen Verordnung. Es lasse sich keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, warum etwa der Besitzer einer Lagerhalle oder einer Tischlerei dieselbe Gebühr pro m2 Nutzfläche zu zahlen habe wie etwa ein Besitzer eines Einfamilienhauses.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Oberösterreichische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, nach der anzuwendenden Verordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde errechne sich die vorzuschreibende Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt von Bemessungsfläche und Einheitssatz, ohne auf die von den Beschwerdeführern angesprochene Verwendung verschiedener Gebäudeteile zu Wohnzwecken bzw. zu gewerblichen Zwecken und einem konkreten Nutzen Rücksicht zu nehmen. Die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei somit grundsätzlich richtig angewandt worden. Die Beschwerdeführer besäßen ein Wohngebäude und ein Möbelhaus mit einer Gesamtfläche von 839 m2. Dieses Ausmaß der verbauten Fläche liege noch nicht so weit über dem Durchschnitt anderer, zum Teil ebenfalls gewerblich genutzter Gebäude, daß man die hier anzuwendende Verordnung als nicht mehr gleichheitskonform ansehen könnte.
Diesen Bescheid bekämpften die Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 28. Februar 1989, B 1342/88-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens in ihrem Recht verletzt, daß ihnen gegenüber Kanalbenützungsgebühr nicht in der vorgeschriebenen Höhe festgesetzt werde. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, daß der Kanalgebührenbescheid vom 30. Oktober 1986 ohne Rechtsgrundlage erlassen worden sei. Die Gebührenordnung vom 30. September 1976 sei bei Erlassung des Bescheides nicht mehr rechtlich existent gewesen. Mit Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Februar 1980 seien nämlich die Kanalanschluß- und Kanalbenützungsgebühren neu geregelt worden; mit § 6 dieser Kanalgebührenordnung sei festgehalten worden, daß mit der Rechtswirksamkeit dieser Verordnung die Kanalgebührenordnung vom 30. September 1976 außer Kraft trete.
Dieses Vorbringen ist zwar nach der Aktenlage zutreffend. Die Beschwerdeführer wurden jedoch durch diesen Umstand in ihren Rechten schon deshalb nicht verletzt, weil der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde in seinem Berufungsbescheid richtigerweise § 2 der Kanalgebührenordnung der Stadtgemeinde Perg vom 25. Februar 1980 "idgF vom 8.7.1986" zitiert hat. Mit Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom letztgenannten Tage wurde nämlich § 2 (ergänze: Abs. 1) der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Februar 1980 dahin abgeändert, daß er zu lauten habe:
"Die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke bzw. Liegenschaften haben eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten. Diese beträgt je Quadratmeter der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 3 dieser Verordnung, jedoch ohne Anrechnung von
Zu- oder Abschlägen gemäß § 4 ... S 13,--
..."
Nach § 3 der Verordnung vom 8. Juli 1986 ist sie mit 1. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten.
Abgesehen davon, daß § 145 Abs. 3 der OÖ. LAO die Anführung der Gesetzesstellen, auf die sich die Entscheidung stützt, im Spruch nicht vorschreibt (vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 198 Abs. 2 BAO das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1965, Zl. 1332/63, teilweise veröffentlicht in Slg. Nr. 3311/F), ist der der Abgabenbehörde erster Instanz unterlaufene Fehler gemäß § 211 Abs. 2 LAO durch Anführung der zutreffenden Verordnungsstelle im Spruch des Berufungsbescheides saniert.
Die Beschwerdeführer meinen weiters, richtigerweise wäre die Kanalgebührenordnung in der Fassung vom 14. Juli 1987 zur Anwendung zu bringen gewesen. Mit dieser am 1. Jänner 1988 in Kraft getretenen Verordnung wurde nämlich § 2 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung vom 25. Februar 1980 (neuerlich) dahin abgeändert, daß die Abschläge gemäß "Abs. 4 lit. a) - c)" (ergänze: des § 1) zu berücksichtigen seien.
In ihrer Gegenschrift hält dem die belangte Behörde entgegen, daß diese Verordnung für den für die gegenständliche Gebührenvorschreibung maßgeblichen Zeitraum mangels Rückwirkung nicht anzuwenden gewesen sei. Damit ist sie im Hinblick auf den Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben zwar grundsätzlich im Recht; zu fragen ist jedoch, für welchen Zeitraum die gegenständliche Abgabe tatsächlich festgesetzt wurde.
Hiezu vertritt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Auffassung, daß sich die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1986 bis 30. September 1987 beziehe. Dies ergebe sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid, in dem als Wirkungsbeginn der 1. Oktober 1986 angeführt sei, im Zusammenhang mit § 3 der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. Juli 1986, wonach die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke eine JÄHRLICHE Kanalbenützungsgebühr zu entrichten hätten.
Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.
Wie oben dargestellt, heißt es im Spruch des erstinstanzlichen Abgabenbescheides ausdrücklich:
"Die in diesem Bescheid festgesetzten Gebühren sind solange zu entrichten, bis ein neuer Bescheid ergeht ..."
Im Zusammenhalt mit dem weiteren Hinweis "Wirksamkeit ab 1986/10/01" ist damit zwar der Beginn, nicht jedoch das Ende des Abgabenzeitraumes festgesetzt. Die Abgabenfestsetzung erfolgte damit nicht nur - geht man davon aus, daß die Abgabenforderung als solche, unabhängig von der Fälligkeit, jeweils für ein Jahr im voraus entsteht - hinsichtlich der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits verwirklichten, sondern auch hinsichtlich der damals noch nicht verwirklichten Sachverhalte. Ähnlich wie im Fall des hg. Erkenntnisses vom 29. April 1992, Zl. 88/17/0150, betreffend die Kanalgebührenordnung der Stadtgemeinde T kennt jedoch auch die hier anzuwendende Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine solche "pro-futuro-Abgabenfestsetzung" oder einen "Dauerbescheid" nicht.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat durch Abweisung der Berufung den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt seines Bescheides gemacht. Mangels Trennbarkeit der zulässigen von den unzulässigen Abgabenfestsetzungen in diesem Bescheid hätte daher die belangte Behörde letzteren zur Gänze aufheben müssen. Da sie es jedoch unterlassen hat, diese Fehlerhaftigkeit bei ihrer Vorstellungsentscheidung aufzugreifen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 89/17/0224).
Eine weitere von den Beschwerdeführern nicht geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides liegt in folgendem:
Wie gleichfalls bereits dargestellt, richtete sich der erstinstanzliche Abgabenbescheid an "EH u. Mitbesitzer". Wer unter den "Mitbesitzern" zu verstehen sei, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Hingegen ist der Berufungsbescheid an EH und MH, also die nunmehrigen Beschwerdeführer, adressiert. Gemäß § 211 Abs. 1 LAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 206 zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle (ebenso wie im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO und der entsprechenden Bestimmungen anderer Landesabgabenordnungen) ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe als die von den Abgabenbehörden erster Instanz festgesetzte Abgabe vorschreiben, EINE PARTEI ERSTMALS IN EINE SCHULDNERPOSITION VERWEISEN etc. (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 1991, Zl. 88/17/0013, und vom 30. Juli 1992, Zl. 89/17/0067, 0068). Letzteres ist jedoch im Berufungsbescheid hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin MH geschehen, zumal ohne näheren Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid nicht davon ausgegangen werden durfte, daß sie unter dem Wort "Mitbesitzer" gemeint war, und die Zweitbeschwerdeführerin auch nicht Berufung gegen den Bescheid der ersten Instanz erhoben hatte.
Auch diesen Umstand hätte die belangte Behörde zum Anlaß nehmen müssen, den Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde aufzuheben. Dies unterlassen zu haben, belastet ihren Bescheid ein weiteres Mal mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Im übrigen sind jedoch auch beim Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der hier anzuwendenden Verordnungsbestimmung nicht entstanden. Die Heranziehung der verbauten Fläche eines an eine gemeindeeigene Kanalanlage angeschlossenen Objektes (allenfalls vervielfacht mit der Anzahl der angeschlossenen Geschoße) stellt einen tauglichen Maßstab für den Entsorgungsnutzen dar, den ein Gebäude aus der öffentlichen Kanalanlage zieht, und bildet damit eine sachgerechte Möglichkeit für die Berechnung einer Kanalbenützungsgebühr (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 31. Jänner 1979, Zl. 1337/77, und vom 23. Oktober 1987, Zl. 87/17/0261). Schon der Verfassungsgerichtshof hat weiters in seinem Ablehnungsbeschluß vom 28. Februar 1989 darauf verwiesen, daß die Gebühr bei einem Mischsystem auch für die Ableitung der Dachwässer eingehoben wird. Daß letzteres zutrifft, haben die Beschwerdeführer jedoch in ihrer Vorstellung ausdrücklich zugestanden.
Auch einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip haben die Beschwerdeführer - worauf gleichfalls schon der Verfassungsgerichtshof hingewiesen hat - auf Verwaltungsebene nicht behauptet, sondern lediglich vorgebracht, sie "glaubten" nicht, daß die Gebühren zur Deckung der laufenden Kosten notwendig seien.
Aus obigen Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur insoferne zuzusprechen, als sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgelaufen sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 681, angeführte Rechtsprechung).
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