Normen
EStG 1972 §37 Abs2 Z5 lita;
EStG 1972 §37 Abs2 Z5 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern zu Handen des Erstbeschwerdeführers Aufwendungen in der Höhe von S 10.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist Alleinerbe nach seinem im Jahre 1978 verstorbenen Vater und grundbücherlicher Eigentümer eines Forstgutes, an dessen Einkünften auch seine Mutter (Zweitbeschwerdeführerin) als Fruchtgenußberechtigte in Höhe von 50 Prozent beteiligt ist.
Nach einer die Jahre 1983 bis 1985 umfassenden Betriebsprüfung stellten die Beschwerdeführer im Rechtsmittelverfahren den Antrag, für das Jahr 1984 begünstigte Einkünfte aus Überhieb im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 5 lit. a EStG 1972 in unbestrittener Höhe von S 467.208,-- und für das Jahr 1985 in Höhe von S 85.455,-- zu berücksichtigen und entsprechend einer ebenfalls unbestrittenen Vereinbarung dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnen. Die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Vornahme der Übernutzung wäre in der Aufbringung der erforderlichen Geldmittel zur Bezahlung der Pflichtteils- und Rentenverpflichtungen gelegen.
Die belangte Behörde erkannte mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid die genannte Begünstigung nicht zu, weil die Pflichtteilszahlungen nicht zwangsläufig aus dem Überhieb hätten geleistet werden müssen.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführer erstatteten zur Gegenschrift eine Replik.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach § 37 Abs. 2 Z. 5 lit. a EStG 1972 sind ähnlich wie schon in früheren österreichischen Einkommensteuergesetzen (§ 34 Abs. 3 EStG 1953 bzw. EStG 1967) Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen ohne Unterschied der Betriebsart, DIE AUS WIRTSCHAFTLICHEN GRÜNDEN GEBOTEN SIND und über die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgehen, steuerlich begünstigt. In der Frage, wann eine geboten außerordentliche Waldnutzung aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, unterschied der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung zwischen Betrieben, bei denen der Forstbestand eine jährliche nachhaltige Nutzung ermöglicht ("Nachhaltsbetriebe"), und den Betrieben, bei denen eine solche nachhaltige jährliche Nutzung nicht möglich ist ("aussetzende Betriebe" - siehe z.B. die Erkenntnisse vom 11. Dezember 1968, Zl. 964/68, Slg. Nr. 3829/F, und vom 9. November 1988, Zl. 87/13/0177). Im Beschwerdefall geht es unbestrittenermaßen um einen Nachhaltsbetrieb.
Bei Nachhaltsbetrieben erscheint eine außerordentliche Waldnutzung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann aus wirtschaftlichen Gründen GEBOTEN, wenn die Erzielung von außerordentlichen Einkünften aus der Überschlägerung wirtschaftlich unvermeidbar ist. Dies wieder kann in den Verhältnissen des Forstbetriebes ODER darin begründet sein, daß dem Steuerpflichtigen PERSÖNLICHE LASTEN aufgebürdet sind, die er mangels eines anderen Einkommens oder Vermögens sonst nicht tragen kann (Erkenntnisse vom 27. Februar 1959, Zl. 447/58, Slg. Nr. 1970/F, und vom 7. Februar 1964, Zl. 915/62). Danach macht nicht jeder "privatwirtschaftliche" Grund des Steuerpflichtigen eine Überschlägerung zu einer außerordentlichen Waldnutzung, sondern nur ein solcher, der durch die Führung des Betriebes oder durch Lasten bedingt ist, die dem Steuerpflichtigen ZWANGSLÄUFIG erwachsen (hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1965, Zl. 2139/64, und vom 11. Dezember 1968, Zl. 964/68, Slg. Nr. 3829/F). Weiters muß die Deckung des entstandenen Kapitalbedarfes nur durch Einnahmen aus dem Überhieb möglich sein (hg. Erkenntnis vom 7. Februar 1964, Zl. 915/62). Die Geldmittel aus dem Überhieb müssen entweder für den Forstbetrieb selbst dringend notwendig sein oder sie müssen vom Forstwirt aus zwingenden Gründen sonst aufgebracht werden, um schwerwiegende wirtschaftliche oder persönliche Nachteile von ihm oder seiner Familie abzuwenden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1964, Zl. 1877/63).
Diese Rechtsprechung stimmt weitgehend mit der Auslegung des früheren § 34 Abs. 3 dEStG überein, der anders als die nunmehr für außerordentliche Waldnutzungen geltende Regelung des § 34 b dEStG ebenfalls darauf abstellte, ob die außerordentliche Waldnutzung aus wirschaftlichen Gründen GEBOTEN war (siehe die Urteile des Reichsfinanzhofes vom 29. Jänner 1936, VI A 889/34, RStBl Seite 752, und vom 28. Jänner 1942, VI 456/41, RStBl Seite 90). In beiden Urteilen sind als wirtschaftlich (zwingend) geboten unter anderem Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder und Erbschaftsteuerzahlungen angeführt. Bei Littmann, Das Einkommensteuerrecht13, § 34 b Rd Nrn 13 folgende, findet sich ebenfalls noch (im Sinne des früheren § 34 Abs. 3 dEStG) eine Erläuterung der Frage, wann eine außerordentliche Waldnutzung aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist. Als Fälle anzuerkennender privatwirtschaftlicher Gründe sind dort unter anderem der Kapitalbedarf für den laufenden Unterhalt einer großen Familie und die AUSZAHLUNG VON GESCHWISTERN erwähnt. Diesem Verständnis des Begriffes der Gebotenheit außerordentlicher Waldnutzungen aus wirtschaftlichen Gründen schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an. Er ist daher der Auffassung, daß eine außerordentliche Waldnutzung, die der Steuerpflichtige vornehmen muß, um Pflichtteilsschulden abdekken zu können, im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 5 lit. a EStG 1972 aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist. Ohne Zahlung riskiert der Steuerpflichtige, wenn ihm - wie im Sinne der Rechtsprechung vorausgesetzt - andere Mittel als die aus dem Überhieb nicht zur Verfügung stehen, den (teilweisen) Verlust des Forstbetriebes.
2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt nicht eindeutig erkennen, ob die belangte Behörde der Auffassung ist, daß die Zahlung von Pflichtteilsschulden in keinem Fall wirtschaftlich geboten wäre; sollte sie tatsächlich dieser Auffassung sein, so hätte sie das Gesetz verkannt (siehe Punkt 1). Der Umstand, daß die belangte Behörde im Zusammenhalt mit der zugestandenen Verringerung der Pflichtteilsverbindlichkeiten auch die verhältnismäßig hohen Einkünfte des Erstbeschwerdeführers ins Treffen führt, spricht allerdings dafür, daß sie die Zahlung der Pflichtteilsschulden lediglich deshalb für unbeachtlich hält, weil diese Zahlung im Beschwerdefall nicht aus außerordentlicher Waldnutzung aufgebracht werden mußte, sondern ihrer Ansicht nach aus den verhältnismäßig hohen Einkünften des Erstbeschwerdeführers geleistet werden konnte. In diesem Zusammenhang gibt der angefochtene Bescheid vor, der Erstbeschwerdeführer hätte niemals behauptet, daß ihm die Lasten zwangsläufig erwachsen seien, um schwerwiegende wirtschaftliche oder persönliche Nachteile von sich und seiner Familie abzuwenden.
Dem ist entgegenzuhalten, daß nach den Berufungen die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Vornahme der Übernutzung in der Aufbringung der erforderlichen Geldmittel zur Bezahlung der Pflichtteils- und Rentenverpflichtungen begründet war. Zu weitergehenden Ausführungen über die wirtschaftliche Notwendigkeit der außerordentlichen Waldnutzung bestand für die Beschwerdeführer kein Anlaß, und dies umso weniger, als das Finanzamt in der abweisenden Berufungsvorentscheidung nicht die wirtschaftliche Gebotenheit der außerordentlichen Waldnutzung in Frage stellte, sondern den Standpunkt vertrat, daß der Überhieb der Streitjahre lediglich einen Unterhieb früherer Jahre vermindert habe und die Überschlägerungen demnach nicht über die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen NACHHALTIG zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgingen. Bei dieser Begründung der Berufungsvorentscheidung hatten die Beschwerdeführer keinen Grund, sich im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit einer anderen Frage als der der nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen auseinanderzusetzen.
Die belangte Behörde zieht im angefochtenen Bescheid nicht mehr in Zweifel, daß in den Streitjahren - auch langfristig gesehen - ein Überhieb stattfand. Sie bringt vielmehr erstmals das Begründungselement ins Spiel, die verhältnismäßig hohen Einkünfte des Erstbeschwerdeführers wären der in Rede stehenden Begünstigung abträglich. Sie traf aber weder konkrete Sachverhaltsfeststellungen über die Einkünfte des Erstbeschwerdeführers, noch bestand für ihn im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es war den Beschwerdeführern daher erst in der Beschwerde möglich, an Hand detaillierter Berechnungen aufzuzeigen, daß die Einkünfte des Erstbeschwerdeführers OHNE JENE AUS DEM ÜBERHIEB nicht ausreichten, um die Pflichtteilsschulden abzutragen. Zu der in diesen Berechnungen ausgewiesenen Verwendung von Einkünften für private Zwecke sei bemerkt, daß eine derartige Verwendung die zur Abdeckung der Pflichtteilsschulden vorhandenen Mittel kürzt, wenn sie wie z. B. bei rechtlich erzwingbaren Unterhaltsleistungen zwangsläufig erfolgt, sodaß insoweit eben Einkünfte (Mittel) zur Deckung der Pflichtteilsschulden nicht zur Verfügung stünden. Angesichts der Berechnungen der Beschwerdeführer ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß die dem Grunde nach zwangsläufige Abtragung von Pflichtteilsschulden (siehe Punkt 1) nur mit Hilfe der strittigen Überhiebe zu bewerkstelligen war, womit sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auch als wesentlich erweist.
3. In der Gegenschrift meint die belangte Behörde, daß der Erstbeschwerdeführer die Pflichtteilsschulden bis Ende 1991 abtragen hätte können und daher nicht schon in den Streitjahren - aus Überhieben - abdecken hätte müssen. Der angefochtene Bescheid enthielt noch keine entsprechende Aussage. Die Beschwerdeführer konnten daher erst in der Replik zur Gegenschrift einwenden, daß die Pflichtteile nach der Anordnung des Erblassers so rasch als möglich zu entrichten waren, und weiters, daß der Standpunkt der belangten Behörde zu einem zusammengeballten Überhieb im Jahre 1991 führen würde, während die forstbehördlich genehmigten, auf mehrere Jahre verteilten Überhiebe pfleglicher wären. Diese Einwände sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, sodaß auch das Vorbringen in der Gegenschrift über die mögliche spätere Abdeckung der Pflichtteilsschulden den angefochtenen Bescheid nicht vor der Aufhebung bewahren kann.
Soweit die Gegenschrift zum Ausdruck bringt, dem Erstbeschwerdeführer müsse "wiederum wie im bekämpften Bescheid" entgegnet werden, daß er den Geldbedarf aus seinem VERMÖGEN UND Einkommen decken hätte können, ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, daß sie im angefochtenen Bescheid über die Vermögensverhältnisse des Erstbeschwerdeführers nicht nur keine Feststellungen traf, sondern das Vermögen des Erstbeschwerdeführers nicht einmal als einen der Begünstigung des § 37 Abs. 2 Z. 5 lit. a EStG 1972 abträglichen Grund erwähnte. Der angefochtene Bescheid nahm nur insoweit auf die Vermögensteuererklärungen des Erstbeschwerdeführers Bezug, als aus ihnen für die belangte Behörde ersichtlich war, daß dieser mit dem Gewinn aus Überhieb seine Pflichtteilsverbindlichkeiten von S 1,671.481,-- (1. Jänner 1984) auf S 753.101,-- (1. Jänner 1985) verringerte. In der Replik zur Gegenschrift geben die Beschwerdeführer an, daß das nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörige sonstige Vermögen nachweislich zur Abdeckung von Teilen der Pflichtteilsverbindlichkeiten verwendet worden sei.
4. Auf Grund des in Punkt 2. aufgezeigten Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof absehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung. Der angefochtene Bescheid war dem Verwaltungsgerichtshof allerdings nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen (§ 28 Abs. 5 VwGG).
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