VwGH 89/14/0001

VwGH89/14/000126.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der E Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 18. November 1988, Zl. 1/57‑2/Z‑1988, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung der Festsetzung von Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198 Abs1
BAO §200 Abs1
BAO §200 Abs2
BAO §299 Abs2
EStG 1972 §2 Abs1
GewStG §1 Abs1
KStG 1966 §2 Abs1
UStG 1972 §2 Abs5 Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989140001.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in - unbestrittenermaßen fristgerechter - Ausübung ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO die Bescheide des Finanzamtes, mit denen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer der Beschwerdeführerin für 1986 festgesetzt worden war, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, weil jedenfalls keine endgültige, sondern höchstens eine vorläufige Abgabenfestsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO hätte erfolgen dürfen. Laut Gesellschaftsvertrag sei die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht auf die Erzielung eines Reingewinnes gerichtet, sie strebe keinen Gewinn an (Art. I und Art. XIV des Gesellschaftsvertrages). Die im Jahre 1976 errichtete Beschwerdeführerin habe in den Jahren 1978 bis 1985 nur Verluste ausgewiesen und - ausgenommen 1982 - umsatzsteuerliche Überschüsse geltend gemacht. Bei dieser Sachlage hätte das Finanzamt unbedingt in Zweifel ziehen müssen, daß der Betrieb auf Dauer Gewinn erwarten lasse. Auf Grund der mehrjährigen Verluste in Millionenhöhe und der Vertragsgestaltung liege „der begründete Verdacht“ nahe, daß der Betrieb nicht als Einkunftsquelle geeignet sei. „Liebhaberei“ sei daher sehr wahrscheinlich, was auch bereits Nichtveranlagung oder vorläufige Nichtveranlagung hätte zur Folge haben können. Weiters begründete die belangte Behörde ihre - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ermessensübung.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht „auf Nichterlassung des Aufhebungsbescheides“ und in ihrem Recht auf endgültigen Abgabenbescheid verletzt. Sie behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin begründet die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit einerseits damit, die belangte Behörde habe den für ihre Entscheidung. wesentlichen Sachverhalt nicht festgestellt, der darin bestanden hätte, daß auf Dauer kein Überschuß der Einnahmen über die Betriebsausgaben zu erwarten sei, andererseits damit, daß erst innerhalb eines relativ langen Beobachtungszeitraumes die Frage der Einkunftsquelle beurteilt werden könne und nach Art des künftigen Betriebes der Beschwerdeführerin und ihrer Bewirtschaftung auf Dauer gesehen ein nachhaltiger Gewinn erzielt werden könne, den die Beschwerdeführerin auch anstrebe. Ein Gewerbebetrieb habe die Vermutung einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle für sich. Die belangte Behörde habe nur die Möglichkeit einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch das Finanzamt vor Augen gehabt. Dies sei daraus zu entnehmen, daß die belangte Behörde drei denkbare richtige Entscheidungen (Nichtveranlagung, vorläufige Nichtveranlagung und vorläufige Veranlagung) als Möglichkeit genannt habe.

Zur Verneinung der Einkünfteeigenschaft wegen steuerlicher „Liebhaberei“ bei Kapitalhandelsgesellschaften sei zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 22. September 1987, 86/14/0196 (ÖStZB 1988, 152), und zum Begriff der „Liebhaberei“ im Umsatzsteuerrecht auf das hg. Erkenntnis vom 3. November 1986, 86/15/0025, 86/15/0056 (ÖStZB 1987, 353) hingewiesen. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, das den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlassen könnte.

Stand fest, daß die Ertragsfähigkeit des Unternehmens der Beschwerdeführerin unwahrscheinlich ist, die Ertragsunfähigkeit also wahrscheinlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, 87/14/0034, ÖStZB 1988, 448), so durfte keine endgültige Veranlagung durch das Finanzamt erfolgen, weil ein endgültiger Abgabenbescheid nur ergehen darf, wenn der Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach eindeutig und zweifelsfrei geklärt ist (Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, S. 471); ebensowenig dann, wenn die Ertragsunfähigkeit bereits festgestanden wäre (in diesem Fall endgültige Nichtveranlagungsbescheide). In beiden Fällen waren die Bescheide des Finanzamtes inhaltlich rechtswidrig und ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde gemäß § 299 Abs. 2 BAO nicht rechtswidrig.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dem angefochtenen Bescheid hafte deshalb Rechtswidrigkeit an, weil sich die belangte Behörde auf drei denkbare richtige Entscheidungen berufen habe (Nichtveranlagung, vorläufige Nichtveranlagung, vorläufige Veranlagung), ist daher unrichtig. Die Erwähnung dieser drei denkbaren Entscheidungsvarianten durch die belangte Behörde berechtigt auch nicht zu dem Schluß, im angefochtenen Bescheid sei steuerliche „Liebhaberei“ nur für möglich gehalten worden. Das Gegenteil ist der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. Die Feststellung des „begründeten Verdachtes“ fehlender Einkunftsquelleneigenschaft wegen mehrjähriger Verluste in Millionenhöhe und der Vertragsgestaltung (gemeint ist damit die im Gesellschaftsvertrag erklärte Absicht, keinen Reingewinn zu erzielen), kann nicht anders verstanden werden als die Feststellung wahrscheinlicher steuerlicher „Liebhaberei“.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde daher den für ihre Entscheidung wesentlichen Sachverhalt festgestellt.

Gegen diese Sachverhaltsfeststellung bestehen im Hinblick auf die Verluste in Millionenhöhe während eines Zeitraumes von acht Jahren und die im Gesellschaftsvertrag erklärten, bereits erwähnten Absichten, keine Bedenken. Die festgestellte Wahrscheinlichkeit der Ertragsunfähigkeit widerlegt daher vorerst die Vermutung einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle im Unternehmen von Kapitalgesellschaften zumindest so weit, daß eine endgültige Veranlagung nicht erfolgen durfte.

Die Behauptung der Beschwerde, „nach der derzeitigen Sachlage“ müsse davon ausgegangen werden, daß der Betrieb der Beschwerdeführerin sehr wohl eine Einkunftsquelle darstelle, ist vom Tatsächlichen her unbegründet und rechtlich verfehlt.

Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde die endgültige Veranlagung als inhaltlich rechtswidrig aufhob, gleichgültig, ob die richtige Entscheidung des Finanzamtes auf Nichtveranlagung, vorläufige Nichtveranlagung oder vorläufige Veranlagung hätte lauten müssen.

Die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Bescheid daher im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten nicht verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 26. April 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte