VwGH 89/13/0079

VwGH89/13/007921.2.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte

Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als

Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über

die Beschwerde des X gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. März 1988, Zl. 6/3 - 1006/87, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1983, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
BAO §138 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §169;
BAO §184;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
BAO §138 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §169;
BAO §184;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe

von S 10.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu

ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt ein Handelsunternehmen, dessen Gewinn er im Streitjahr 1983 gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelte. In diesem Unternehmen fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, die den Besteuerungsgrundlagen für 1983 wegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses S 250.000,-- hinzuschätzte. Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wandte im Rechtsmittelverfahren ein, es läge kein unaufgeklärter Vermögenszuwachs vor. Vielmehr habe er 1983 bei Casinobesuchen im Roulettespiel Gewinne erzielt. Zum Beweis dafür machte er seine geschiedene Ehegattin als Zeugin namhaft. Er wies weiters darauf hin, daß ihm ein von ihm entwickeltes Spielsystem die Spielgewinne ermöglicht hätte. Dieses System würde er auch einem Sachverständigen erläutern.

Die belangte Behörde sah im angefochtenen Bescheid die Spielgewinne nicht als erwiesen an und gab der Berufung des Beschwerdeführers daher keine Folge. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erwähnten Einlage der Gewinne in sein Unternehmen habe er nicht einmal behauptet, die Herkunft der Mittel erweisende Belege erstellt zu haben. Gegen ein gewinnsicheres Roulettesystem sprächen die Spielbedingungen dieses Glücksspieles. Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer auch vor, daß er sich von der Casino Austria AG die Gewinne nicht bestätigen habe lassen, obwohl dies möglich gewesen wäre. Die geschiedene Ehegattin vernahm die belangte Behörde nicht als Zeugin ein, weil ihre Aussage nur als Gefälligkeitsaussage gewertet werden könnte.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde, doch lehnte dieser Gerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 28. Februar 1989, B 1247/88, ab. Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung, in der er sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machte.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer brachte hierauf einen weiteren

Schriftsatz ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdeführer ist zwar darin beizupflichten, daß nach der Bestimmung des § 138 Abs. 1 BAO eine Glaubhaftmachung genügt, wenn den Abgabepflichtigen nach den Umständen ein Beweis nicht zugemutet werden kann. Beweislose Behauptungen muß eine Behörde allerdings dann nicht als Glaubhaftmachung gelten lassen, wenn Denkgesetze oder allgemeines menschliches Erfahrungsgut eher gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dafür, daß die Erzielung von Roulettegewinnen in Höhe von rund S 250.000,-- zwar nicht auszuschließen, aber doch nicht in einem Maße wahrscheinlich ist, daß sie schon mit der Behauptung glaubhaft gemacht erscheint, konnte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gute Gründe ins Treffen führen, nämlich, daß bei sonstiger Chancengleichheit Zero nur dem "Casino" als Gewinn zusteht und überdies die Einsatzhöhe einer Beschränkung unterliegt; für das jeweilige einzelne Spiel beträgt bei einer Möglichkeit, den 36fachen Einsatz zu lukrieren, wenn man auf eine einzige Zahl setzt, die Chance zu gewinnen immer nur 1:37, oder sie ist im Verhältnis günstiger, dafür aber geringeren Gewinn bringend, wenn man eine der anderen Setzmöglichkeiten wählt; selbst bei der Variante rouge-noir wäre die Chance nicht einmal 50:50, weil ja Zero die alleinige "Casino-Chance" ist.

Die belangte Behörde hat nun im angefochtenen Bescheid auch darauf hingewiesen, daß die Casino Austria AG Bestätigungen über Spielgewinne erstelle, soferne sie fristgerecht beantragt würden und die Casino Austria AG ausschließen könne, daß manipuliert worden sei und sogenannte Schwarzgelder als Gewinne ausgewiesen werden sollten. Die Einholung eines solchen Beweismittels wäre, wie auch der Verwaltungsgerichtshof meint, für denjenigen, der Spielgewinne in sein Unternehmen einlegen will, nicht unzumutbar. Im Beschwerdefall wies allerdings der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren darauf hin, daß seitens der Casino Austria AG ihm gegenüber eine Belegerteilung über erzielte Gewinne abgelehnt worden sei. Es sei jedoch die geschiedene Ehegattin, welche "fast immer mit war" (Seite 1 und 3 der am 15. Jänner 1988 beim Finanzamt eingelangten Eingabe, AZ 7/1 und 7/2), Zeuge für den Erhalt der Gewinne.

Eine Bestätigung der Casino Austria AG, wie sie nach den Angaben der belangten Behörde erteilt wird, wird sich wohl als das zweckdienlichste Beweismittel für im Casino erzielte Gewinne erweisen. Das bedeutet allerdings nicht, daß der Abgabepflichtige die Spielgewinne nicht auch auf andere Weise unter Beweis stellen kann, zumal keine von vornherein gegebene Beweiswerthierarchie besteht (Stoll, BAO-Handbuch, Seite 388). Demnach war auch die Namhaftmachung der geschiedenen Ehegattin als Zeugin für die im Casino erzielten Gewinne geeignet, den Beweis für die Spielgewinne zu führen.

Von der Einvernahme der geschiedenen Ehegattin als Zeugin für den Erhalt der Gewinne nahm die belangte Behörde mit folgender Begründung des angefochtenen Bescheides Abstand:

Da der Berufungswerber wohl von seiner Gattin seit 1966 geschieden ist, aber weiterhin mit seiner Familie zusammenlebt und nahezu ständig mit seiner von ihm geschiedenen Gattin gemeinsam das Spielcasino aufsucht, kann unter Einbeziehung der oben dargestellten Umstände auch eine als abgegeben anzunehmende Zeugenaussage der Frau O.M "für Erhalt der Gewinne" vom Berufungssenat nur als Gefälligkeitsaussage gewertet werden.

 

Die belangte Behörde hat demnach die Zeugin deshalb nicht einvernommen, weil sie ihre Aussage von vornherein - bevor sie noch abgegeben wurde - als "Gefälligkeitsaussage" wertete. Darin liegt aber eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG bewirkt.

Zum angefochtenen Bescheid sei auch erwähnt, daß von Belegen des Einnahmen-Ausgaben-Rechners über Privateinlagen in sein Unternehmen nur der Vermerk der Tatsache der Einlage, nicht aber die Angabe zu fordern ist, woher die Mittel für die Einlage stammen. War für die belangte Behörde unklar, auf welche Weise die Einlagen im einzelnen getätigt wurden, so wäre ihr selbst die Klarstellung oblegen.

Zur Beschwerde sei noch bemerkt, daß der belangten Behörde jedenfalls kein wesentlicher Verfahrensmangel unterlief, wenn sie keinen Sachverständigen mit der Überprüfung des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, angeblich gewinnsicheren Roulettesystems betraute. Geht es doch nicht darum, ob der Beschwerdeführer Spielgewinne erzielen konnte, sondern darum, wieviel er im Jahre 1983 TATSÄCHLICH beim Roulette gewonnen hat bzw. ob er TATSÄCHLICH soviel gewann, daß der "unaufgeklärte Vermögenszuwachs" aufgeklärt erscheint.

Einen Vertreter der Casino Austria AG als Zeugen zum Beweis dafür, warum dem Beschwerdeführer entgegen seinem Ersuchen keine Bestätigungen über seine Spielgewinne ausgehändigt wurden, hat der Beschwerdeführer nicht namhaft gemacht. Von sich aus konnte die belangte Behörde nicht wissen, wer dem Beschwerdeführer die Bestätigungen verweigerte. Ein Erkundigungsbeweis derart, daß die belangte Behörde erheben müßte, wer als Zeuge für ein Vorbringen des Abgabepflichtigen in Betracht kommen könnte, ist nach der BAO nicht vorgesehen.

Den Einwänden des Beschwerdeführers gegen die Schätzungsmethode, auf der die Abgabenfestsetzung im Beschwerdefall beruht, ist entgegenzuhalten, daß er im Verwaltungsverfahren immer nur die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde, nicht jedoch die Schätzungsmethode in Frage stellte. Soweit der Beschwerdeführer seine Aufzeichnungen als ordnungsgemäß bezeichnet, bleibt anzumerken, daß formell ordnungsmäßige Aufzeichnungen eine Schätzung nicht hindern, wenn sie sich als materiell unrichtig erweisen. Materielle Unrichtigkeit dürfte die belangte Behörde bejahen, wenn der umstrittene unaufgeklärte Vermögenszuwachs (als aus dem Unternehmen des Beschwerdeführers stammend) in einem mängelfreien Verfahren festgestellt wäre.

Daß die belangte Behörde in der Bitte des Beschwerdeführers um "Rechtfertigung", welche sich in der Replik zu einer Stellungnahme des Betriebsprüfers findet, keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erblicken konnte, hat sie in ihrer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eingebrachten Gegenschrift überzeugend dargetan. Selbst wenn man aber einen diesbezüglichen Antrag des Beschwerdeführers unterstellen wollte, wäre er nicht in einem der in § 284 Abs. 1 BAO erwähnten Schriftsätze gestellt gewesen.

Zusammenfassend ergibt sich jedoch, daß die belangte Behörde die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers zu Unrecht nicht als Zeugin einvernahm. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Bei dieser Kostenentscheidung war allerdings zu berücksichtigen, daß nur eine Beilagengebühr von S 120,-- zu entrichten war und auch entrichtet wurde.

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