VwGH 89/12/0094

VwGH89/12/009416.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der FA in V, vertreten durch Dr. Walter Riedl , Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs‑Kai 5, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. März 1989, Zl. SchA‑69275/37/1988, betreffend Ruhegenußfähigkeit einer Karenzurlaubszeit gemäß § 58 Abs. 3 LDG 1984, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §68 Abs1
BDG 1979 §75 Abs2 implizit
BDG 1979 §75 Abs3 implizit
LDG 1984 §106 Abs1
LDG 1984 §58 Abs2
LDG 1984 §58 Abs3
PG 1965 §6 Abs2
VwGG §42 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989120094.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrer in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten. Ihre Dienststelle ist die Volksschule L.

Nach der Geburt ihres Sohnes gewährte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 12. März 1987 zunächst gemäß § 15 Abs. 1 Mutterschutzgesetz für die Zeit vom 28. März 1987 bis zum 30. Jänner 1988 einen Urlaub gegen Entfall der Bezüge.

Am 17. Jänner 1988 stellte die Beschwerdeführerin folgenden Antrag:

„Ich ersuche hiemit höflich, mir vom 31. Jänner 1988 bis 31. August 1988 außerordentlichen Karenzurlaub zu gewähren.“

Die belangte Behörde erließ daraufhin folgenden Bescheid vom 1. Februar 1988:

Bescheid

Auf Ihr Ansuchen vom 17.1.1988 wird Ihnen für die Zeit vom 31.1. bis 31.8.1988 ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gemäß § 58 Abs. 1 des Landeslehrer‑Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/84, bewilligt.

Der Urlaubszeitraum wird mit dem Tag des Wiederantrittes des Dienstes zur Hälfte für die Vorrückung wirksam. Die Berücksichtigung als ruhegenußfähige Dienstzeit ist ausgeschlossen.

Der noch aushaftende Bezugsvorschußrest ist von Ihnen ab 1.2.1988 in den bisherigen Monatsraten am 1. jedes Monats mit beiliegenden Zahlscheinen einzuzahlen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.“

Mit Schreiben vom 23. Juni 1988 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde folgendes weitere Ansuchen:

„Ich ersuche Sie höflich, mir vom 1.9.1988 bis 31.8.1989 Urlaub unter Entfall der Bezüge gemäß § 58, 1 des LDG zu gewähren.“

Diesem Ansuchen gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Juli 1988 statt und verlängerte den gewährten Karenzurlaub gemäß § 58 Abs. 1 LDG 1984 bis 31. August 1989. Auch dieser Bescheid enthält die im oben wiedergegebenen Bescheid vom 1. Februar 1988 im zweiten Absatz enthaltenen Ausführungen.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 1988 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, sie sei ‑ seit sie von der Behinderung ihres Sohnes (gehörgeschädigtes Kind) wisse ‑ gezwungen „außerordentlichen“ Karenzurlaub zu beanspruchen. Da sie in Erfahrung gebracht habe, daß nach den Bestimmungen des ASVG die Beitrage für eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeit der Pflege eines behinderten Kindes aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu tragen seien, ersuche sie, „auch in meinem Fall eine gleichartige Regelung zu treffen“. Nach übereinstimmender Erkenntnis aller führenden Pädaudiologen sei eine Frühförderung eines gehörgeschädigten Kindes im Rahmen der Heimspracherziehung der einzig zielführende Weg, einem jungen Menschen den Weg in ein normales Leben zu ermöglichen. Insofern bestünde an der Betreuung ihres Kindes ein öffentliches Interesse. Im Akt findet sich ferner ein an die Beschwerdeführerin von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (Landesvorstand Kärnten) gerichtetes Schreiben, dem eine Auskunft des Rechtsbüros der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst angeschlossen ist, in der ein Weg aufgezeigt wird, wie nach Ansicht der auskunftserteilenden Stella die Beschwerdeführerin eine beitragslose Berücksichtigung ihrer im Karenzurlaub nach § 58 Abs. 1 LDG 1984 zurückgelegten Zeit als ruhegenußfähige Dienstzeit erreichen konnte. In einem (undatierten) Aktenvermerk ist die telefonische Mitteilung festgehalten, die Beschwerdeführerin wünsche einen Feststellungsbescheid über die Anrechnung des Karenzurlaubes als ruhegenußfähige Dienstzeit.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. März 1989 stellte die belangte Behörde fest, daß der der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 1. Februar 1988 ab 31. Janner 1988 bewilligte und mit Bescheid vom 4. Juli 1988 bis 31. August 1989 verlängerte Karenzurlaub gemäß § 58 Abs. 3 LDG 1984 als ruhegenußfähige Dienstzeit nicht anzurechnen sei.

Nach Wiedergabe des § 58 Abs. 2 und 3 LDG 1984 führte die belangte Behörde in der Begründung im wesentlichen an, der von der Beschwerdeführerin für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes ins Treffen geführte Grund (Betreuung ihres gehörlosen Kindes) könne nur als im privaten Interesse gelegen betrachtet werden. „Öffentliches Interesse“ müsse im vorliegenden Fall aus dem LDG 1984 begründet werden, d.h. der Karenzurlaub mußte ihre künftige Dienstleistung als Volksschullehrer stärker positiv beeinflussen als die bei durchgehender Unterrichtstätigkeit gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse. Die belangte Behörde sehe sich im vorliegenden Fall außerstande, unter den gegebenen Voraussetzungen andere als private Interessen für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes anzuerkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über die Ruhegenußfähigkeit einer Karenzurlaubszeit nach § 58 Abs. 3 LDG 1984 durch unrichtige Anwendung dieser Norm verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe die erste Tatbestandsvoraussetzung nach § 58 Abs. 3 LDG 1984 unrichtig ausgelegt: Zum einen dürften die öffentlichen Interessen nicht mit der Forderung der Unterrichtstätigkeit des Lehrers gleichgesetzt werden, zum anderen verlange das LDG 1984 überhaupt nicht das Vorliegen öffentlicher Interessen, sondern stelle auf die Maßgeblichkeit „andere(r) als private(r) Interessen des Landeslehrers“ ab. Die beiden Begriffe seien nicht „komplementär“. Im übrigen geht die Beschwerdeführerin insbesondere auch unter Rückgriff auf § 18a ASVG und § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz davon aus, daß die Betreuung und Pflege eines behinderten Kindes die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 Abs. 3 LDG 1984 erfülle.

Vorab ist zu prüfen, ob die beiden oben wiedergegebenen Bescheide der belangten Behörde vom 1. Februar 1988 und vom 4. Juli 1988, mit denen der Beschwerdeführerin jeweils Karenzurlaub nach § 58 Abs. 1 LDG 1984 gewährt bzw. dieser verlängert wurde, nicht bereits rechtskräftig über die Ruhegenußfähigkeit der Karenzurlaubszeit abgesprochen haben; ist dies zu bejahen, hätte die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. Dezember 1988 (daß diese Eingabe als Antrag auf Anrechnung des Karenzurlaubs als ruhegenußfähige Dienstzeit zu werten ist, ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten und durch die Aktenlage gedeckt) wegen entschiedener Sache zurückweisen müssen. In diesem Fall hätte die belangte Behörde durch die im angefochtenen Bescheid getroffene abweisende Sachentscheidung jedoch die Beschwerdeführerin nicht schlechter gestellt, als wenn sie deren Antrag richtigerweise zurückgewiesen hatte (vgl. dazu z.B. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Zl. 1042/78, und vom 25. April 1985, Zl. 85/02/0083).

§ 58 des Landeslehrer‑Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, (LDG 1984) lautet:

„(1) Dem Landeslehrer kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Landeslehrers maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann verfügt werden, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten.“

Eine von dem im § 58 Abs. 2 LDG 1984 normierten Grundsatz der Nichtberücksichtigung der im Karenzurlaub zurückgelegten Zeiten für die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Rechte, abweichende Gesetzesbestimmung, die allgemein die gänzliche oder teilweise Anerkennung dieser Zeit als ruhegenußfähige Dienstzeit des Landeslehrers vorsehen würde, gibt es nicht. Im übrigen erklärt auch § 6 Abs. 2 vorletzter Satz des Pensionsgesetzes 1965 ‑ das PG 1965 gilt nach § 106 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 auch für Landeslehrer; die dort getroffenen Sonderbestimmungen sind für den Beschwerdefall ohne Bedeutung ‑ die Bestimmungen über die Ruhegenußfähigkeit der Zeit einer Beurlaubung gegen Entfall der Bezüge für unberührt.

Daraus folgt, daß eine Berücksichtigung solcher Zeiten als ruhegenußfähige Dienstzeit nur auf Grund einer Verfügung (der Dienstbehörde) nach § 58 Abs. 3 LDG 1984 in Betracht kommt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes läßt schon der Wortlaut der Wendung „Die Berücksichtigung als ruhegenußfähige Dienstzeit ist ausgeschlossen.“ in den beiden Bescheiden der belangten Behörde vom 1. Februar 1988 und vom 4. Juli 1988, mit denen der Beschwerdeführerin der beantragte Karenzurlaub gewährt bzw. verlängert wurde, zweifelsfrei erkennen, daß damit normativ verbindlich über die Bedeutung der im Karenzurlaub zurückgelegten Zeiten für die Ermittlung der ruhegenußfähigen Dienstzeit abgesprochen wurde. Nichts deutet darauf hin, daß es sich dabei um einen (lediglich unverbindlichen) Hinweis auf die Rechtslage handelt, der zudem im Hinblick auf § 58 Abs. 3 LDG 1984 unrichtig wäre.

Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nämlich nicht zu erkennen, daß die „deutliche“ Absetzung der die hier interessierende Wendung enthaltenden Passage (zweiter Absatz) von dem die Karenzurlaubsgewährung jeweils verfügenden Spruch (erster Absatz) gegen deren Bescheidqualität spricht. Selbst wenn der erste Satz des zweiten Absatzes der Bescheide vom 1. Februar 1988 und vom 4. Juli 1988 (Hälfteanrechnung für Vorrückung) bloß als Wiedergabe der Gesetzeslage (§ 10 Abs. 4 des Gehaltsgesetzes 1956 in Verbindung mit § 106 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984) gewertet werden könnte, kann daraus für die im Beschwerdefall entscheidende Einordnung des zweiten Satzes dieser Passage nichts gewonnen werden, der nach seiner textlichen Gestaltung gerade nicht als bloße Wiederholung einer gesetzlichen Bestimmung aufgefaßt werden kann.

Dem Hinweis der Beschwerdeführerin, sie habe keinen Antrag (d.h. keinen mit dem jeweiligen Ansuchen nach § 58 Abs. 1 LDG 1984 um Gewährung des Karenzurlaubs verbundenen Antrag auf Erlassung eines Bescheides nach § 58 Abs. 3 LDG 1984) gestellt und es enthielten die Bescheide vom 1. Februar und vom 4. Juli 1988 keine Begründung, ist entgegenzuhalten, daß daraus im Beschwerdefall für die mangelnde Bescheidqualität der von der Behörde bezüglich der Ruhegenußfähigkeit getroffenen Entscheidung nichts gewonnen werden kann: Dieses Vorbringen kann wohl für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer als Bescheid qualifizierten Erledigung maßgebend sein, nicht aber für die Beurteilung der Frage, ob einen sprachlich eindeutig formulierten Teil einer als Bescheid gekennzeichneten behördlichen Erledigung Bescheidcharakter zukommt oder nicht.

Auch aus der im angefochtenen Bescheid gezogenen Sachentscheidung kann nicht der von der Beschwerdefahrerin gezogene Rückschluß auf die normative Bedeutungslosigkeit der seinerzeitigen behördlichen Erledigungen geschlossen werden, ist doch die Beurteilung der Bescheidqualität einer behördlichen Erledigung aus dieser selbst zu gewinnen und nicht aus späteren Ereignissen (abgesehen vom Fall, daß die Bescheidqualität ausdrücklich durch einen späteren Rechtsakt verliehen wird).

Da die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall durch die (verfehlte) Sachentscheidung über ihren Antrag vom 23. Dezember 1988 keine schlechtere ist, als sie durch die (richtige) Zurückweisung dieses Antrages wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG 1950) gewesen wäre, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne da8 auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Hinsichtlich der in diesem Erkenntnis zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlichten Entscheidungen wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 16. Oktober 1989

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