VwGH 89/11/0235

VwGH89/11/023520.2.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte

Dr. Dorner,Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 30. August 1989, Zl. 5035-1111/91E/89, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1978 §15 Abs1;
WehrG 1978 §23 Abs1;
WehrG 1978 §41 Abs1;
WehrG 1978 §45 Abs1;
WehrG 1978 §15 Abs1;
WehrG 1978 §23 Abs1;
WehrG 1978 §41 Abs1;
WehrG 1978 §45 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem von der Stellungskommission bei der belangten Behörde beschlossenen, als "Stellungsbeschluß" bezeichneten Bescheid vom 30. August 1989 wurde gemäß § 15 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 die Eignung des im Jahre 1964 geborenen Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit dem Beschluß "Tauglich" festgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wurde der Aktenlage nach - nachdem er am 13. Jänner 1988 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig aus dem Grundwehrdienst entlassen worden war - am 22. September 1988 neuerlich einer Stellung unterzogen. Dabei wurde auf Grund bestimmter bereits vorhandener Befunde beim Beschwerdeführer "eine vordere Kreuzbandinstabilität links festgestellt", von deren Vorliegen auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeht. Die belangte Behörde holte zusätzlich einen lungenfachärztlichen Befund ein, dessen Ergebnis aber - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - der Annahme, er sei zum Wehrdienst geeignet, nicht entgegensteht. Die belangte Behörde zog daraus abschließend den Schluß, daß beim Beschwerdeführer die geistigen und körperlichen Voraussetzungen für die Eignung zum Wehrdienst gegeben seien. Sie meinte, daß die bei ihm festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen im Hinblick auf deren Grad mit einer Ausübung einer militärischen Funktion grundsätzlich im Einklang stünden; denn seine Ausbildung und Heranziehung für eine Funktion während der Leistung eines Präsenzdienstes erfolge nach Maßgabe seiner geistigen und körperlichen Eignung und unter Bedachtnahme auf die bei ihm festgestellten, jedoch im Rahmen der Tauglichkeit liegenden Einschränkungen. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde (ergänzend in Erwiderung auf den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides) aus, es sei, nachdem § 15 Abs. 1 Wehrgesetz 1978 (in der Fassung des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 342) auf eine "notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung" abstelle und allein von den militärischen Stellen zu entscheiden sei, welche Verwendung im Bundesheer im Falle des Beschwerdeführers in Betracht komme, nicht einzusehen, weshalb selbst gewisse Gesundheitseinschränkungen nicht zum Kalkül "Tauglich" führen könnten. Eine solche Einschränkung der Heranziehbarkeit zu einer Vielzahl von Verwendungen bedeute keine vorübergehende Untauglichkeit oder eine Untauglichkeit überhaupt. Der Gesetzgeber fordere bei der Tauglichkeit lediglich die Eignung für EINE im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung, und der belangten Behörde erscheine, da der Beschwerdeführer überdies auch noch zum Dienst in allen Teilen des Bundesgebietes herangezogen werden könne, die Eignung zum Wehrdienst jedenfalls gegeben. Soweit "der Knieschaden" eine gesundheitliche Einschränkung bedeute, so sehe diese die belangte Behörde keinesfalls so bedeutend an, daß der Beschwerdeführer "etwa nicht einmal als Schreiber verwendet werden könnte"; er sei ja auch nicht berufs- oder arbeitsunfähig.

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung eine nicht dem Gesetz entsprechende Rechtsansicht zugrundegelegt hat, hat doch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, dargelegt, daß nach der bestehenden Rechtslage der Dienst im Bundesheer jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinne umfasse, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken habe, und in diesem Sinne auch § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 zu verstehen sei. Dies bringe die Anforderung mit sich, daß der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln könne. Das schließe nicht aus, daß Präsenzdiener auch zu sogenannten "systemerhaltenden" Funktionen - wie in Kanzleien oder im Rahmen der Versorgung - herangezogen werden dürften. Eine Auffassung, daß Personen, die lediglich für solche Funktionen ausgebildet werden können und die aus diesem Grunde nur in solchen Funktionen einsetzbar sind, auch als zum Wehrdienst geeignet anzusehen seien, sei verfehlt.

Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat sich die belangte Behörde nicht damit auseinandergesetzt, welche Auswirkungen mit dem beim Beschwerdeführer festgestellten Leiden im linken Kniegelenk auf die Möglichkeit seiner militärischen Ausbildung im genannten Sinne verbunden sind. Der (in der Gegenschrift angeführte) Umstand, daß mit mündlich verkündetem Beschluß der Stellungskommission der belangten Behörde vom 22. September 1988 "infolge der Facharztuntersuchung wegen der Lungenbeschwerden" zunächst der die Feststellung der Eignung des Beschwerdeführers betreffende Beschluß "ausgesetzt" wurde, die hiefür gegebene Begründung "die Absicht umfaßte, ihn ungeachtet des Knieschadens für tauglich zu befinden", und dies der Beschwerdeführer durch seine Unterschrift auf der Rückseite der betreffenden Bescheinigung "bestätigte", enthob die belangte Behörde nicht ihrer Verpflichtung, gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG 1950 den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt (zur Gänze) festzustellen und daher auch bezüglich dieses für die Beurteilung der Tauglichkeit des Beschwerdeführers nicht unmaßgeblichen Leidens von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Dazu hätte sie sich schon allein deshalb, weil sich der Beschwerdeführer anläßlich der Stellung auf seine fehlende Eignung (auch) aus diesem Grunde berufen hat und dieser Einwand nicht von vornherein ungerechtfertigt erscheint, veranlaßt sehen müssen, dies unabhängig davon, ob bzw. inwieweit sich den vorliegenden (zeitlich aber länger zurückliegenden) Befunden die Notwendigkeit einer Schonung des linken Kniegelenkes des Beschwerdeführers vor dem zwar vorgesehenen, jedoch bisher offenbar noch nicht durchgeführten operativen Eingriff entnehmen läßt. Hiebei wäre zu klären gewesen, welcher Belastung das linke Kniegelenk des Beschwerdeführers im Zuge der militärischen Ausbildung ausgesetzt wäre und ob dadurch - wie er behauptet - eine dem Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang nicht zumutbare, weitere gesundheitliche Schädigung eintreten würde. Allenfalls hätte es auch diesbezüglich, ausgehend von dem bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehenden Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, einer fachärztlichen Untersuchung im Sinne des § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Wehrgesetzes 1978 bedurft. Wenn der Beschwerdeführer (stellenweise) den Standpunkt einnimmt, dies alles hätte sich erübrigt, weil sich seine "Untauglichkeit" bereits daraus ergebe, daß er aus den darauf zurückzuführenden gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Grundwehrdienst entlassen worden sei, so verkennt allerdings er die Rechtslage. Die militärärztliche Feststellung bildete nämlich nur den Grund für die (mit rechskräftigem Bescheid erfolgte) Anordnung der neuerlichen Stellung gemäß § 24 Abs. 8 Wehrgesetz 1978; die endgültige Beurteilung der Tauglichkeit des Beschwerdeführers oblag aber gemäß § 23 Abs. 2 leg. cit. der Stellungskommission der belangten Behörde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1989, Zl. 89/11/0095).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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