VwGH 89/01/0148

VwGH89/01/014810.1.1990

N gegen Bundesminister für Inneres vom 28. Februar 1989, Zl. 223.000/3-II/6/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Normen

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. November 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte, wie es bereits die erste Instanz getan hatte, fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

Sie ging dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus:

Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, sei am 26. Oktober 1986 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 28. Oktober 1986 Asylgewährung beantragt. Bei seiner am 29. Oktober 1986 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung habe er angegeben, kein Parteimitglied gewesen zu sein und häufig die Kirche besucht zu haben. Er sei vom Jahre 1982 bis zum Erhalt seines Reisepasses von der Miliz mehrmals ohne Angabe von Gründen festgenommen, dabei geschlagen und für 48 Stunden eingesperrt worden. Einmal sei er beschuldigt worden, ein Denkmal beschmiert zu haben. Bis zum Jahre 1981 habe er der "Solidarität" als Mitglied angehört. Dies sei der Partei bekannt gewesen. Weil er das Leben in Polen nicht mehr ertrage, habe er sich entschlossen, zu flüchten. Vom Jahr 1983 bis zu seiner Ausreise sei er als Kraftfahrer in einem Landmaschinenwerk tätig gewesen.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer behauptet, er und seine Familie seien seit dem Jahre 1981 aus politischen Gründen verfolgt worden. Weil er von einem Freund, einem "KPN"-Aktivisten während der Geltungsdauer des Kriegsrechtes besucht worden sei, habe die Polizei am 29. April 1982 seine Wohnung durchsucht. Er sei zum Polizeikommissariat mitgenommen, verhört und dabei geschlagen worden. Man habe ihn zu einem Geständnis zwingen wollen. Seine Frau sei ebenfalls verhört worden. Dies sei einige Male passiert. Der Beschwerdeführer könne jedoch diesbezüglich keine genaueren Angaben machen. Im Jahr 1986 sei er zum Militär einberufen worden. Gleichzeitig habe er einen Paß für eine Ausreise nach Jugoslawien erhalten und diese Chance genützt. Wenn er zum Militär einrücken müßte, wäre er Verfolgungen ausgesetzt.

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers schenkte die belangte Behörde mit dem Hinweis auf die gegenwärtigen, in Polen herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände keinen Glauben. Dies und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal mit einem Reisepaß habe ausreisen können, seien Indizien dafür, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Eine legale Ausreise wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn man ein Interesse an der Verfolgung des Beschwerdeführers gehabt hätte. Außerdem habe der Beschwerdeführer nach Abschluß seiner Ausbildung eine seinen Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung ausgeübt, und sei daher im Zusammenhang mit seiner beruflichen Laufbahn keine Verfolgung erkennbar. Die polnischen Behörden würden einfache Mitglieder der Gewerkschaft "Solidarnosc" nicht verfolgen. Der Beschwerdeführer habe in dieser Organisation nach seinen Angaben keine besondere Funktion ausgeübt und überdies bei seiner erstinstanzlichen Niederschrift angegeben, der genannten Gewerkschaftsorganisation nur bis zum Jahr 1981 angehört zu haben. Auch deshalb erscheine es unglaubwürdig, daß er deswegen im Jahre 1986 noch immer verfolgt worden wäre.

Wegen der Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention außerhalb seines Heimatlandes befinde. Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung der Berufung zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung als Flüchtling verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, idF der Novelle BGBl. Nr. 796/1974 (Asylgesetz), über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Gesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschn. C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschn. A Z. 2 der bezeichneten Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3 VwGG) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.

Da die belangte Behörde das gesamte Sachvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig erachtete, kommt im vorliegenden Fall der Rüge der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung die zentrale Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer wendet sich in Darstellung beider von ihm geltend gemachter Beschwerdegründe ausschließlich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und vermeint dazu im wesentlichen, diese hätte seine Angaben lediglich im Wege einer "Globalfeststellung" pauschal und ohne nähere Begründung als unglaubwürdig bezeichnet. Die Beweiswürdigung erscheine "mehr als mangelhaft", weil sich die belangte Behörde auf nicht einmal einer Textseite mit den Argumenten des Beschwerdeführers auseinander gesetzt hätte.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach herrschender Lehre und Judikatur die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die zur Feststellung des Sachverhaltes geführt hat, vom Verwaltungsgerichtshof nur in der Richtung überprüfbar ist, ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entspricht (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3. Auflage, S. 52 Anm. 2 Abs. 1 letzter Satz zu § 41 VwGG sowie die dazu auf S. 548 ff referierte hg. Judikatur; ebenso Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit S 136 ff).

Da die von der belangten Behörde zu Ungunsten des Beschwerdeführers vorgenommene Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid mit in ihrer Gesamtheit durchaus plausiblen Argumenten begründet wurde (nämlich: legale Ausreise des Beschwerdeführers aus Polen, eine seinen Fähigkeiten entsprechende Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in Polen, keine Verfolgungshandlungen der polnischen Behörden gegen "einfache Solidarnosc-Mitglieder", erstinstanzliche Angaben des Beschwerdeführers über seine Zugehörigkeit zur "Solidarnosc" nur bis 1981) vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß diese Beweiswürdigung mit Unschlüssigkeit behaftet wäre. Der Beweisrüge in der Beschwerde kann damit kein Erfolg beschieden sein.

Da bei der weiteren vorzunehmenden Prüfung somit von den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Bescheides auszugehen ist, wonach der Beschwerdeführer in seinem Heimatland vor seiner Ausreise nicht verfolgt worden ist, erweist sich auch die Rechtsrüge in der Beschwerde als verfehlt, weil der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie anhand dieser getroffenen Feststellungen rechtlich zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer befinde sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen außerhalb seines Heimatlandes. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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