European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988120012.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der 1935 geborene Beschwerdeführer steht als Amtsrat in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Zollamt X.
Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Juni 1985 wurde er gemäß § 14 Abs. 1 des Beamten‑Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monates Juli 1985 in den Ruhestand versetzt. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Finanzen mit Bescheid vom 20. Jänner 1986 statt und behob den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 7. Februar 1986 zugestellt. Infolgedessen galt der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. August 1985 bis einschließlich 7. Februar 1986 gemäß § 14 Abs. 6 BDG 1979 als beurlaubt.
Mit Eingabe vom 7. Mai 1986 beantragte der Beschwerdeführer Erholungsurlaub im Ausmaß von 14 Arbeitstagen, anrechenbar auf das Kalenderjahr 1985. Diesem Antrag gab das Zollamt (nicht bescheidmäßig) statt. Ein weiterer Antrag auf Erholungsurlaub für 15 Arbeitstage, anrechenbar auf das Kalenderjahr 1985, wurde von der Dienstbehörde (ebenfalls nicht bescheidmäßig) abgelehnt. Daraufhin verlangte der Beschwerdeführer die bescheidmäßige Feststellung seines Anspruches auf Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 1985.
Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. März 1987 wurde festgestellt, daß für das Kalenderjahr 1985 kein Anspruch auf einen weiteren Erholungsurlaub bestehe. In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Kalenderjahr 1985 an keinem Tag Dienst versehen. Er sei nämlich zunächst bis 31. Juli 1985 im Krankenstand und anschließend gemäß § 14 Abs. 6 BDG 1979 beurlaubt gewesen. Ein auf § 64 BDG 1979 gestützter weiterer Anspruch auf Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 1985 stehe mangels Dienstleistung und ferner deshalb nicht zu, weil man während desselben Zeitraumes nicht aus verschiedenen Gründen vom Dienst fernbleiben könne. Ein Teil des Erholungsurlaubes für das Kalenderjahr 1985 sei allerdings bereits in der Zeit vom 26. Mai 1986 bis 13. Juni 1986 in gutem Glauben verbraucht worden.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht statt, stellte aber in Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 fest, daß der Beschwerdeführer „im Kalenderjahr 1985“ (nach der Bescheidbegründung gemeint: für das Kalenderjahr 1985) keinen Anspruch auf Erholungsurlaub habe. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, es stehe außer Streit, daß der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 1985 keinen Dienst verrichtet habe. Er sei nämlich in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Juli 1985 gemäß § 51 BDG 1979 gerechtfertigt wegen Krankheit vom Dienst abwesend und in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1985 gemäß § 14 Abs. 6 BDG 1979 beurlaubt gewesen. Im Kalenderjahr 1985 sei er daher aus zwei verschiedenen gesetzlichen Gründen nicht verpflichtet gewesen, den ihm sonst obliegenden Dienst bei seiner Dienstbehörde zu verrichten. Er sei vielmehr in diesem Zeitraum von der Verpflichtung, Dienst zu verrichten, gesetzlich befreit gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für Zeiträume, für die von Gesetzes wegen - aus welchen Gründen immer - keine Verpflichtung des Beamten zu Dienstleistungen bestehe, dessen Entbindung von dieser Verpflichtung in Form der Erteilung von „Urlaub“ (auch von Erholungsurlaub im Sinne des § 64 BDG 1979) begrifflich ausgeschlossen. Es könne doch ein Beamter nicht während ein und desselben Zeitraumes aus verschiedenen Gründen dem Dienst fernbleiben. In Beachtung dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes habe der Beschwerdeführer für das Kalenderjahr 1985 keinen Anspruch auf Erholungsurlaub. Die Abänderung des erstbehördlichen Bescheides sei deshalb erfolgt, weil im Spruch dieses Bescheides einerseits nicht die angewendete Gesetzesbestimmung angeführt werde und andererseits die Worte „einen weiteren“ (Erholungsurlaub) enthalten seien, die den logischen Schluß zuließen, der Beschwerdeführer habe für das Kalenderjahr 1985 einen Anspruch auf Erholungsurlaub.
In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erholungsurlaub nach § 64 in Verbindung mit den §§ 68, 71 BDG 1979 und durch die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides auch in dem im Verwaltungsrecht geltenden „Grundsatz der Unwiederholbarkeit“ verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde verneint, gestützt auf Rechtssätze aus (nicht zum BDG 1979 ergangenen) Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes, einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 1985 deshalb, weil er in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Juli 1987 gemäß § 51 BDG 1979 wegen Krankheit an der Ausübung seines Dienstes verhindert und daher gerechtfertigt vom Dienste abwesend war und in der Zeit vom 1. August 1985 bis 31. Dezember 1985 gemäß § 14 Abs. 6 des Gesetzes als beurlaubt galt, und somit während des gesamten Kalenderjahres 1985 von der Verpflichtung, Dienst zu verrichten, gesetzlich befreit war.
Nach den Normen des BDG 1979 über den Erholungsurlaub ist der Anspruch auf diesen Urlaub und sein Ausmaß (§§ 64 bis 67, 72, 78 des Gesetzes) von seinem Verbrauch (§§ 68, 70, 71, 77 des Gesetzes) und dem Verfall (§ 69 des Gesetzes) zu unterscheiden. Daß ein Anspruch auf Erholungsurlaub für ein Kalenderjahr schlechthin ausgeschlossen sei, wenn der Beamte in diesem Jahr kraft Gesetzes vom Dienst befreit ist, läßt sich diesen Normen nicht entnehmen (das galt nach dem Erkenntnis vom 13. Jänner 1972, Zl. 2307/70, Slg. Nr. 8141/A, auch zur Rechtslage nach der Dienstpragmatik); wie sich durch einen Umkehrschluß aus § 64 Abs. 2 BDG 1979 ergibt, entsteht der (nicht erstmalige) Anspruch auf Erholungsurlaub für ein Kalenderjahr vielmehr grundsätzlich (und nicht bedingt durch tatsächliche Dienstleistungen in diesem Kalenderjahr) mit Beginn des Kalenderjahres. Ob dies in jedem Fall zutrifft (so z.B. auch, wenn sich der Beamte in einem Karenzurlaub befindet; darauf bezog sich die Aussage im zitierten Erkenntnis vom 13. Jänner 1972), braucht im Beschwerdefall deshalb nicht geprüft zu werden, weil der Beschwerdeführer während der ersten sieben Monate des Kalenderjahres 1985 wegen Krankheit gerechtfertigt vom Dienst abwesend war, eine solche Abwesenheit aber jedenfalls nicht das Entstehen des Urlaubsanspruches ausschließt. Vom Entstehen des Urlaubsanspruches zu unterscheiden ist die (im Beschwerdefall aber nicht zu lösende) Frage, ob der entstandene Anspruch auch in Zeiträumen, in denen der Beamte kraft des Gesetzes vom Dienst befreit ist, verbraucht werden kann (damit befaßten sich - allerdings nicht zur Rechtslage nach dem BDG 1979 - die Erkenntnisse vom 20. November 1969, Zl. 1497/69, Slg. Nr. 7688/A, vom 13. Jänner 1972, Zl. 2307/70, Slg. Nr. 8141/A, und vom 26. Mai 1986, Zl. 86/12/0096; in den von der belangten Behörde ebenfalls zitierten, aber auch nicht zum BDG 1979 ergangenen Erkenntnissen vom 31. Jänner 1975, Zl. 2049/74, Slg. Nr. 8753/A, und vom 17. Jänner 1979, Zl. 2191/78, Slg. Nr. 9739/A, ging es nicht um diese Frage, sondern darum, ob in Zeiten, für die von Gesetzes wegen keine Verpflichtung zur Dienstleistung bestand, ein Karenzurlaub bzw. ein Sonderurlaub gewährt werden kann).
Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe für 1985 keinen Anspruch auf Erholungsurlaub, wäre aber im Ergebnis richtig, wenn die nach § 14 Abs. 6 BDG 1979 als Urlaub geltende Zeit als Verbrauch des Erholungsurlaubes für 1985 zu werten und daher der zunächst entstandene Urlaubsanspruch durch diese Beurlaubung erfüllt worden wäre.
Dagegen spricht zunächst schon der Wortlaut des § 14 Abs. 6 BDG 1979. Danach gilt der Beamte, solange über eine zulässige und rechtzeitige Berufung gegen eine Versetzung in den Ruhestand nicht entschieden ist, als beurlaubt. Davon, daß der Beamte als im Erholungsurlaub befindlich gilt oder eine Anrechnung dieser Beurlaubung auf den Erholungsurlaub zu erfolgen habe, ist nicht die Rede. Eine Wertung dieses Urlaubes als Erholungsurlaub folgt auch nicht zwingend daraus, daß dieser Urlaub keiner der sonst in den §§ 64 ff BDG 1979 oder in anderen für Beamte geltenden Normen (vgl. § 15 MSchG) geregelten Arten von Urlaub zuzurechnen ist. Denn obwohl die kalendermäßige Festlegung des Erholungsurlaubes gemäß § 68 BDG 1979 unter Berücksichtigung der dienstlichen Interessen vorzunehmen ist und eine solche Festlegung gemäß § 77 Abs. 1 des Gesetzes eine aus besonderen dienstlichen Rücksichten gebotene abändernde Verfügung nicht ausschließt, erweisen doch die Bezeichnung dieses Urlaubes, die im § 68 des Gesetzes normierte Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Beamten, der grundsätzliche Anspruch, die Hälfte des Erholungsurlaubes ungeteilt zu verbrauchen, die Regelung des § 71 des Gesetzes über die Erkrankung während des Erholungsurlaubes, insbesondere des Absatzes 4, der ausdrücklich auf den Erholungszweck des Urlaubes abstellt, daß der Erholungsurlaub auch tatsächlich eine Erholung des Beamten ermöglichen soll. Demgegenüber besteht der Zweck des § 14 Abs. 6 BDG 1979 vor dem Hintergrund der Gesamtregelung der amtswegigen Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 des Gesetzes, inbesondere dessen Abs. 5, wonach die Versetzung in den Ruhestand mit Rechtskraft des Bescheides oder dem darin festgesetzten späteren Tag wirksam wird, darin, den Beamten, der aus der Sicht der erstinstanzlichen Behörde dienstunfähig und daher nicht in der Lage ist, seinen Dienst zu verrichten, während des Berufungsverfahrens, dessen Gegenstand gerade die Frage der Dienstunfähigkeit ist, vom Dienst, zu dessen Verrichtung er ohne die Bestimmung des § 14 Abs. 6 des Gesetzes, sofern nicht ein sonstiger gerechtfertigter Grund für die Abwesenheit vom Dienst vorläge, verpflichtet wäre, zu entheben. Der Umstand, daß diese als Urlaub bezeichnete Dienstenthebung an von vornherein vom Beamten nicht kalkulierbare, nur verfahrensrechtlich bedeutsame Zeitpunkte anknüpft und auch nur während solcherart eingegrenzter Zeiträume andauert, erweist, daß mit dieser von tatsächlichen Erholungsmöglichkeiten unabhängigen gesetzlich angeordneten Dienstenthebung (der Beschwerdeführer nennt sie deshalb insofern zutreffend „oktroyierte Dienstfreistellung“) kein Erholungszweck beabsichtigt ist. Neben dem Wortlaut und dem unterschiedlichen Zweck des Urlaubes nach § 14 Abs. 6 BDG 1979 und dem Erholungsurlaub verbietet aber auch eine verfassungskonforme Interpretation des § 14 Abs. 6 BDG 1979 eine Wertung dieses Urlaubes als Erholungsurlaub. Denn durch eine solche Wertung würden jene Beamte, die mit einem (später von der Berufungsbehörde behobenen) Bescheid wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, vom Ansatz her urlaubsrechtlich schlechter gestellt als sonstige Beamte, weil ihnen jegliche Einflußnahme auf die zeitliche Lagerung des Erholungsurlaubes (oder zumindest eines Teiles) genommen wäre; dafür bestünden aber keine sachlich gerechtfertigten Gründe. Aus diesen Überlegungen ist eine Wertung der Beurlaubung des Beschwerdeführers nach § 14 Abs. 6 BDG 1979 als Erholungsurlaub abzulehnen.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die sonstigen Beschwerdeeinwände, insbesondere die gerügte Verletzung des „Grundsatzes der Unwiederholbarkeit“, brauchte daher nicht eingegangen zu werden. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da ein Ersatz für Stempel- und Beilagengebühren nur insoweit in Betracht kommt, als Urkunden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzulegen sind.
Wien, am 6. Februar 1989
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