VwGH 88/10/0041

VwGH88/10/004120.3.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde 1. der BR und 2. des TK, beide in F, beide vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 23/I gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Jänner 1988, Zl. 12.322/20-IC8/87 , betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18 Abs1;
ForstG 1975 §19 Abs3;
AVG §59 Abs1;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18 Abs1;
ForstG 1975 §19 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von zusammen S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer stellten in ihrer Eingabe vom 2. April 1986 an die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt den Antrag, ihnen "die immerwährende Rodung des als Bauland-Dorfgebiet gewidmeten östlichen Teiles des Grundstückes 542/32 Wald KG. X zu bewilligen". Sie seien je zur Hälfte Eigentümer dieses Grundstückes und hätten die Absicht, auf der laut Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmeten Teilfläche von rund

1.200 m2 ein Wohnhaus zu errichten.

Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Jänner 1988 gemäß den §§ 17 ff des Forstgesetzes 1975 (FG) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde (wie schon die Unterbehörden) vom Vorliegen eines im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesses an der von den Beschwerdeführern beabsichtigten Verwendung der gegenständlichen Waldfläche aus. Es überwiege aber nicht jenes an der Erhaltung dieser Fläche als Wald. Die belangte Behörde verneinte unter Hinweis auf die anders gelagerten Interessen eine Bindung an einen Flächenwidmungsplan, in dem - wie hier - für ein Waldgrundstück die Widmung Bauland festgelegt worden sei. Allerdings ergebe sich aus § 17 Abs. 4 FG, daß die Forstbehörde auf die Zielsetzung der Raumordnung Bedacht zu nehmen habe und daher auch im Rodungsverfahren die maßgebenden Überlegungen, die zu einer Baulandwidmung geführt haben, zu berücksichtigen seien. Unter Hinweis auf erfolglos gebliebene Umwidmungsverfahren in den Jahren 1979 und 1983 und die von den Forstbehörden von jeher eingenommene ablehnende Haltung meinte die belangte Behörde, daß auch nach der Umwidmung der gegenständlichen Fläche in Bauland der Erhaltung des bisher unberührten Waldkomplexes auf dem Plateau der Vorzug einzuräumen sei. Aus diesem Aspekt komme dem Ablehnungsgrund des Entstehens eines etwa quadratischen Eingriffes in den Wald (im Falle der Stattgebung) ein größeres Gewicht zu, als dies "bei einer nur flüchtigen Betrachtungsweise gemeinhin anzunehmen ist". Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß die Inanspruchnahme von Waldgrund für Siedlungswesen als Rodungsgrund nur subsidiär erfolgen dürfe, also erst nach Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten der Baulandbeschaffung. Hohe, für den einzelnen möglicherweise oft unerschwingliche Preise für vorhandene Baugründe seien noch kein Anlaß für die Inanspruchnahme von Waldgrund zu Bauzwecken. Laut ihrem Berufungsvorbringen hätten die Beschwerdeführer zwei Waldgrundstücke, darunter das gegenständliche, von ihrem Bruder "zur Erbentfertigung übertragen erhalten, um ihn in seiner wirtschaftlichen Existenz nicht zu gefährden". Bei Berücksichtigung dieses Umstandes in Verbindung mit dem "Vorgang, wie es schlußendlich doch zu einer rechtskräftigen Baulandwidmung gekommen ist", erhalte das Interesse des Siedlungswesens "einen anderen Stellenwert". Daher vertrete auch die belangte Behörde "die Ansicht der Vorinstanzen". Damit ist erkennbar gemeint, auch die belangte Behörde verneine das von den Beschwerdeführern behauptete Überwiegen des Rodungsinteresses gegenüber jenem an der Walderhaltung. Auf Grund der vorangeführten Erwägungen seien die in der Berufung geltend gemachten Elemente der Größe der Rodungsfläche und der Funktion des darauf stockenden Bestandes als Deckungsschutz für den angrenzenden Waldbestand nicht mehr wesentlich.

Die Beschwerdeführer bringen vor, wie aus den der Beschwerde beigeschlossenen Lichtbildern zu ersehen sei, handle es sich bei der zur Rodung beantragten Waldfläche "nur um einige wenige Bäume". Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1987, Zl. 87/10/0098, sei ein Waldstreifen von lediglich ca. 5 m Breite noch nicht als zu schützender " 'Wald' gemäß § 5 Forstgesetz 1852" zu bezeichnen. Dieser Rechtssatz könne auch auf das Forstgesetz 1975 analog angewendet werden.

Dieser Einwand ist verfehlt. Die Beschwerdeführer übersehen, daß nicht nur der hier vorliegende Sachverhalt mit dem jenem Erkenntnis zugrundeliegenden nicht vergleichbar ist, sondern daß auch die jeweils zu beachtende Rechtslage eine andere ist (siehe dazu Bobek-Plattner-Reindl, Forstgesetz 1975, FN 2 zu § 5).

Dem Einwand, der Behörde wäre es freigestanden, die Rodung eines geringeren Flächenausmaßes als beantragt zu bewilligen, ist entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführer ihr Rodungsbegehren nicht eingeschränkt haben und die belangte Behörde daher über ihren Antrag, so wie er gestellt wurde, abzusprechen hatte.

Die Beschwerdeführer leiten aus dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde F ein ihnen als Grundeigentümer zustehendes subjektives öffentliches Recht auf widmungsgemäße Verwendung der in Bauland-Dorfgebiet umgewidmeten Teilfläche ihres Waldgrundstückes ab. Sie verweisen dazu auf die nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1984, G 81,82/84 = Slg. 10292, bestehende Rücksichtnahmepflicht der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft und meinen, daß dann, wenn die einen Plan vollziehende Verwaltungsbehörde erkennen lasse, daß sie diesen an und für sich zu verwirklichen trachte, eine planwidrige Einzelentscheidung rechtlichen Grundsätzen im allgemeinen und dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebot im besonderen widerspreche.

Auch dieses Vorbringen läßt eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer nicht erkennen.

Die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 über die Rodungsbewilligung sind unter dem Blickwinkel der in Rede stehenden Rücksichtnahmepflicht verfassungsrechtlich unbedenklich (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 1985, Slg. 10349). Die belangte Behörde hat im übrigen unter Hinweis auf § 17 Abs. 4 FG (zweiter Satz) ausdrücklich betont, die Forstbehörde habe im Rodungsverfahren auf die für die Umwidmung einer Waldfläche in Bauland maßgebenden Überlegungen Bedacht zu nehmen. Dementsprechend hat die belangte Behörde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 1983, Zl. 83/07/0055, mit weiteren Judikaturhinweisen) in Anbetracht der hier gegebenen Baulandwidmung das Bestehen eines im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesses an der von den Beschwerdeführern beabsichtigten Verwendung der Rodungsfläche ausdrücklich bejaht. Nur das Überwiegen dieses Interesses gegenüber jenem an der Erhaltung von Wald hat die belangte Behörde verneint. Dazu war sie auf dem Boden der gegebenen Rechtslage an sich berechtigt. (Ob sie diese Frage im vorliegenden Fall rechtlich einwandfrei gelöst hat, wird noch zu prüfen sein.) Denn eine Bindung der Forstbehörden an einen Flächenwidmungsplan der Gemeinde in dem Sinn, daß bei einer dort festgelegten Baulandwidmung eine Interessenabwägung im Rodungsverfahren mit dem Ergebnis, es überwiege das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Wald auf der betreffenden Fläche das konkurrierende Siedlungsinteresse, und damit eine Ablehnung des Rodungsbegehrens ausgeschlossen wäre, läßt sich aus der verfassungsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht nicht ableiten. Für die Annahme einer derartigen Bindung der Forstbehörden bietet im übrigen auch die einfachgesetzliche Rechtslage keinen Anhaltspunkt. Es ist daher die Ablehnung eines Rodungsbegehrens nicht allein schon deshalb rechtswidrig, weil die betreffende Fläche laut einem Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet ist und das Vorhaben, zu dessen Verwirklichung gerodet werden soll, dem Flächenwidmungsplan entspricht.

Der angefochtene Bescheid erweist sich allerdings deshalb als rechtswidrig, weil in Ansehung der Interessenabwägung Verfahrensmängel vorliegen, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Gemäß § 17 Abs. 4 FG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2, zu denen unter anderem jenes des Siedlungswesens zählt, insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kommt dem Kriterium der Waldausstattung bei der Interessenabwägung vorrangige Bedeutung zu (siehe dazu Bobek-Plattner-Reindl, a.a.O., FN 6 zu § 17). Von der Beantwortung dieser Frage hängt es daher entscheidend ab, welches Gewicht dem Interesse an der Erhaltung von Wald auf der in Aussicht genommenen Rodungsfläche beizumessen ist. Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält aber weder Feststellungen noch Erwägungen hiezu, dies ungeachtet des Umstandes, daß dieser Mangel bereits dem Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 17. September 1987 anhaftete und in der Berufung der Beschwerdeführer ausdrücklich gerügt wurde.

Davon abgesehen ist der angefochtene Bescheid mit einem weiteren Verfahrensmangel behaftet. Die belangte Behörde hat zwar zu Recht betont, sie habe auch auf die Zielsetzungen der Raumordnung Bedacht zu nehmen und daher die maßgebenden Überlegungen, die zu einer Baulandwidmung geführt haben, "festzustellen, zu prüfen und abzuwägen". Den dafür maßgebenden Gründen kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann besondere Bedeutung zu, wenn frühere Versuche zur Umwidmung in Bauland erfolglos geblieben sind (siehe die Erkenntnisse vom 15. Juli 1986, Zl. 84/07/0009, und vom 27. Juni 1988, Zl. 87/10/0080). Dessen ungeachtet finden sich im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen darüber, welche Gründe für die schließlich doch vorgenommene Umwidmung der verfahrensgegenständlichen Fläche maßgebend waren. Dementsprechend fehlt auch eine Auseinandersetzung mit den im raumordnungsrechtlichen Widmungsverfahren maßgebenden Erwägungen.

Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Er ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren (betreffend Stempelgebühren für Beilagen) ist abzuweisen, weil der Beschwerde als Beilage nur eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides anzuschließen war. Die Vorlage weiterer Beilagen war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

Wien, am 20. März 1989

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