Normen
KOVG 1957 §1 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §1 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §52 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist die Witwe nach dem am 3. Oktober 1990 verstorbenen Karl H. Dieser bezog nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens bis zu seinem Tode auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) vom 18. Oktober 1974 mit Wirkung vom 1. Dezember 1973 eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. (vorher 30 v.H.). In der Begründung dieses Bescheides wurden die (bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1973) als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen wie folgt beschrieben und eingeschätzt:
"Lfd. Aner- Position Der Ge- Kau- MdE.
Nr. kannte in den Richt- samtlei- saler gemäß
Dienstbe- sätzen zu denszu- Anteil § 7
schädigung § 7 KOVG 1957 stand KOVG
(§ 4 (kausaler 1957
KOVG 1957) und nicht-
kausaler
Anteil zu-
sammen) be-
dingt eine
MdE von
1. Knochendefekt des
Hinterhauptes I/a/2 10 % 1/1 10%
2. Herabsetzung der
Sehleistung rechts
auf etwa 1/3 und li.
auf etwa 1/20 nach
Übersplitterung
des li.Auges u.
acausaler Zentral-
venenthrombose VI/c/637
links Tab.3/6 45 %
3. Acausale konzentr.
Gesichtsfeldein- VI/c/629
engung links Tab 3/1 20 % 7/10 45,5%
65 %
4. Reizlos eingeheil-
ter Stecksplitter
in der Lederhaut
des linken Auges I/j/205 0 % 1/1 0%
5. Reizlose Split-
ternarben der vord. IX/c/702
Brust- und Hals- Tab I li 0% 1/1 0%
gegend ohne
Funktionsstörung."
In einer Niederschrift vom 9. Oktober 1985 stellte Karl H den Antrag auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente wegen Verschlimmerung seiner anerkannten Dienstbeschädigung.
Das LIA holte daraufhin zu diesem Antrag ärztliche Sachverständigengutachten des praktischen Arztes Dr. N sowie des Facharztes für Augenheilkunde Dr. R ein. Nach
Befunderhebung kam Dr. R dabei zu folgendem Ergebnis:
"DB: Reizlos eingeheilter Stecksplitter der linken Lederhaut.
MdE: 0 %. Pos. Nr. I/j/205.
Nicht-DB: Hochgradig eingeschränktes Sehvermögen des rechten Auges und Blindheit des linken Auges bei beiderseitiger Degeneration der Netzhautmitte und Zentralvenenthrombose des linken Auges.
Diese Leiden sind akausal und verursachen eine MdE von 90 % gemäß VI/c/637/Tab. Rahmensatz für 1/20 und 0. Außerdem bestünde Anspruch auf Blindenzulage Stufe III gemäß § 19 KOVG, weil wegen fehlender Orientierungsfähigkeit in nicht vertrauter Umgebung "Blindheit" besteht.
Die bisher anerkannte augenärztlich festgestellte DB ist also eine Fehleinschätzung, weil akausale Leiden in die MdE-Bemessung einbezogen wurden.
Gegenüber dem Befund auf ABl. 89 VA ist eine Verschlimmerung des Sehvermögens beider Augen eingetreten."
In beiden Gutachten wurden handschriftlich (kaum lesbare) Berichtigungen, Ergänzungen und Streichungen vorgenommen, wobei im einzelnen nicht klar erkennbar ist, von wem diese durchgeführt wurden. In einem Zusatz wurde im wesentlichen die Auffassung vertreten, die weitere Verschlimmerung sei rein akausal auf Grund einer anlagebedingten Gefäß- bzw. Netzhautschädigung eingetreten. Die Gesamt-MdE bleibe unverändert mit 30 % bestehen, da die führende MdE durch DB 1 um eine Stufe "wegen ursächlicher Leidensbelastung" erhöht werde.
Schließlich führte das LIA noch eine berufskundliche Beurteilung gemäß § 8 KOVG 1957 durch.
Mit Bescheid vom 26. August 1986 bezeichnete die Versorgungsbehörde erster Instanz von Amts wegen zunächst die schon anerkannte Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG 1957 wie folgt neu:
- 1. Knochendefekt des Hinterhauptes,
- 2. Reizlos eingeheilter Stecksplitter der linken Lederhaut
- 3. Reizlose Splitternarben an der vorderen Brust- und Halsgegend
4. Herabsetzung der Sehleistung beider Augen auf etwa 1/2 nach Übersplitterung bei akausaler Netzhautschädigung rechts.
Der Antrag des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 9. Oktober 1985 auf Erhöhung der zuerkannten Beschädigtengrundrente wurde gemäß §§ 4, 7, 8, 11 und 52 Abs. 2 und 4 KOVG 1957 hingegen abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit rechtskräftigem Bescheid des LIA vom 18. Oktober 1974 sei dem Ehegatten der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung des sich aus dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom 4. Juni 1974 ergebenden Befundes - und unter Bedachtnahme auf die berufskundliche Einschätzung im Sinne des § 8 KOVG 1957 - eine Grundrente nach einer MdE von 50 v.H. zuerkannt worden. Nach dem nunmehr eingeholten Sachverständigengutachten vom 30. Juni 1986 (dabei handelt es sich offenbar um jenes von Dr. N), das als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zugrunde gelegt worden sei, ergebe sich, daß gegenüber dem dem oben erwähnten Bescheid zugrunde gelegten ärztlichen Befund (Vergleichsbefund) nur insofern eine unmaßgebliche Änderung eingetreten sei, als die Herabsetzung der Sehleistung beider Augen nunmehr als "vollkausal" anzusehen sei. Die von Karl H angegebene Verschlimmerung sei rein "akausal" auf eine anlagebedingte Gefäß- bzw. Netzhautschädigung zurückzuführen.
Es ergebe sich somit folgende Richtsatzeinschätzung:
"Lfd. Aner- Position Der Ge- Kau- MdE
Nr. kannte in den samtlei- saler gemäß
Dienstbe- Richt- denszu- Anteil § 7
schädigung sätzen stand (kau- KOVG
(§ 4 zu § 7 saler und 1957
KOVG 1957) KOVG 1957 nichtkau-
saler Anteil
zusammen)
bedingt eine
MdE von
1. Knochendefekt I/a/2 10 % 1/1 10 %
des Hinter-
hauptes
2. Reizlos ein-
geheilter
Stecksplitter
der linken
Lederhaut I/j/205 0 % 1/1 0 %
3. Reizlose
Splitter-
narben an
der vorderen
Brust- und IX/c/702 0 % 1/1 0 %
Halsgegend Tab.IZ.li.
4. Herabsetzung VI/c/637 20 % 1/1 20 %
der Sehleistung Tab.Z.2 K.2
beider Augen auf
etwa 1/2 nach
Übersplitterung
bei akausaler
Netzhautschädi-
gung rechts"
Für die Beurteilung innerhalb der Rahmensätze sei maßgebend
gewesen:
ad DB 1: Da der Defekt nur geringfügig sei, sei der untere Rahmensatz herangezogen worden.
ad DB 4: Die Position sei entsprechend dem Sehvermögen herangezogen worden.
Die Gesamt-MdE gemäß § 7 KOVG 1957 betrage 30 v.H., weil die führende MdE durch die DB 1 um eine Stufe wegen zusätzlicher Leidensbelastung erhöht werde.
Da eine für die Höhe der Grundrente maßgebende Verschlimmerung der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen des Karl H nicht habe festgestellt werden können und berufliche Sonderverhältnisse wie bisher nicht vorlägen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Gemäß § 52 Abs. 2 und 4 KOVG 1957 erhalte Karl H weiterhin Beschädigtenrente nach einer MdE von 50 v.H.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der von Karl H bevollmächtigte Vertreter des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes vor, daß das Sehvermögen des Karl H beiderseits nur mehr 2/60 betrage und eine Leseleistung nur mehr mit einer Lupe erbracht werden könne. Bei Karl H bestehe praktische Blindheit; dieser bedürfe einer ständigen Begleitperson. Die Kopfverletzung verursache heftigste Beschwerden; bei Wetterwechsel und Hitze müsse Karl H das Bett hüten. Der Berufung waren ein Befund des Facharztes für Augenheilkunde Dr. H. Z vom 6. August 1985 sowie ein Befund der II. Universitäts-Augenklinik vom 5. Dezember 1985 angeschlossen.
Die belangte Behörde ergänzte daraufhin das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Augenheilkunde Dr. P, der nach Befunderhebung die folgende Einzel- und Gesamteinschätzung vornahm:
"DB: 1.) Hochgradig eingeschränktes VI/c/637 MdE: 100%
Sehvermögen des rechten Tab.
Auges und Blindheit links
bei beidseitiger Netz-
hautmittendegeneration Blindenzulage in Stufe III
und Zentralvenenthrombose (drei)
am linken Auge.
2.) Reizlos eingeheilter I/j/205 0%
Stecksplitter der Leder-
haut am linken Auge.
3.) Knochendefekt des Hinter- I/a/2 10 %
hauptes.
4.) Reizlose Splitternarben IX/c/702 0%
an der vorderen Brust- Tab. 1 Z li
und Halsgegend.
Da neben einer geringen Sehstörung kausaler Natur nunmehr eine schwere Sehverschlechterung beider Augen bzw. eine 'höchstgradige Sehbehinderung' vorliegt, erfolgt die Einstufung so als ob beiderseits die gleiche Schädigung vorliegen würde und die Beurteilung erfolgt daher nach
VI/c/637 Tab. MdE: 100% und Blindenzulage in Stufe III (drei).
Es liegt eine so hochgradige Sehbehinderung vor, daß der Kb sich in einer ihm nicht vertrauten Umgebung nicht mehr zurechtfinden kann.
Mit der nunmehrigen Beurteilung wird VwGH Erkenntnis vom 29.6.1983 / Zl. 82 / 09 / 0132 und auch Abl. RT 67 und 74 entsprochen."
In ihrer Verhandlung vom 16. Juli 1987 beschloß die belangte Behörde die Zuleitung des Aktes an den Chefarzt zur Klärung noch offener Fragen. In seiner hiezu abgegebenen Stellungnahme vom 19. Oktober 1987 kam der Chefarzt des LIA zu dem Ergebnis, daß die "Übersplitterung des linken Auges (Stecksplitter in der Lederhaut)" überhaupt keine Sehbeeinträchtigung verursache; die Herabsetzung der Sehleistung sei ausschließlich durch akausale Leiden bedingt.
Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis. Der von Karl H bevollmächtigte Vertreter des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes brachte hiezu in seiner Stellungnahme vom 8. Februar 1988 vor, das Sachverständigengutachten Dris. P, wonach Beschädigtengrundrente nach einer MdE von 100 % und Blindenzulage in Höhe der Stufe III der Pflegezulage gebühre, werde hiemit zur Kenntnis genommen. Da eine anerkannte Dienstbeschädigung für alle Zeiten gelte (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0043), entspreche die Zuerkennung der Beschädigtengrundrente nach einer MdE von 100 % bzw. der Blindenzulage in Höhe der Stufe III der Pflegezulage vollkommen den gesetzlichen Bestimmungen. Es werde daher beantragt, in diesem Sinne eine Entscheidung zu treffen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. März 1988 gab die belangte Behörde der Berufung des Ehegatten der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Bescheid der Versorgungsbehörde erster Instanz.
In der Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes auf das von ihr zur Prüfung der Berufungsgründe eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. P hin, woraus sich folgende medizinische Beurteilung ergebe:
"Der BW erlitt im September 1944 eine Granatsplitterverletzung an beiden Augen. Im Sommer 1973 trat eine Zentralvenenthrombose am linken Auge hinzu. Weiters findet sich ein reizlos eingeheilter Stecksplitter in der Lederhaut am linken Auge.
Nach dem derzeitigen Augenbefund sind die Lider, Lidränder sowie der Tränenapparat normal. Es ist aber eine feine Rindentrübung (links mehr als rechts) feststellbar. Im linken Glaskörper sind flottierende Trübungen objektivierbar. Darüber hinaus besteht eine Netzhautmittendegeneration beider Augen. Am linken Auge liegt ein Zustand nach Zentralvenenthrombose vor. Es besteht nunmehr eine höchstgradige Sehbehinderung. Neben einer geringen kausalen Sehstörung ist nunmehr eine schwere Sehverschlechterung beider Augen hinzugetreten. Der BW kann sich in einer ihm nicht vertrauten Umgebung nicht mehr zurechtfinden."
Zur weiteren Beurteilung der medizinischen Sachlage habe die belangte Behörde eine Stellungnahme des Chefarztes des LIA eingeholt, der folgendes betone:
"Festzuhalten ist, daß als Dienstbeschädigung (DB) ein Skleralsplitter, 2 mm vom Hornhautrand entfernt, anerkannt wurde. Akausal bestand links ein Zustand nach Zentralvenenthrombose und Zentralnetzhautpigmentverwerfungen; ebenso bestanden rechts zentrale Netzhautpigmentverschiebungen. Richtigerweise wurde im erstinstanzlichen Sachverständigengutachten Dris. R darauf hingewiesen, daß als eigentliche DB nur die Stecksplitterverletzung der linken Lederhaut zu gelten hätte, die überhaupt keine Sehbehinderung verursachen kann. Die Herabsetzung der Sehleistung ist ausschließlich durch akausale Leiden bedingt. Sowohl die Netzhautschäden als auch die Zentralvenenthrombose sind rein akausale Leiden, die in keinem Zusammenhang mit der Splitterverletzung der Lederhaut stehen. Eine Netzhautschädigung durch einen Splitter konnte niemals nachgewiesen werden. Die durch die praktische Blindheit bedingte Hilflosigkeit ist daher ausschließlich auf akausale Fakten zurückzuführen."
Entsprechend der in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen könne nicht davon ausgegangen werden, daß das Ausmaß der kausalen Schädigung dem der akausalen Schädigung zumindest gleichwertig gewesen sei, vielmehr habe der akausale Leidenszustand an Schwere bei weitem überwogen. Unter Berücksichtigung dieses Befundes ergebe sich nachfolgende Richtsatzeinschätzung:
1. Knochendefekt des
Hinterhauptes RS-Pos. I/a/2 MdE 10 %
2. Reizlos einge-
heilter Steck-
splitter der linken
Lederhaut RS-Pos. I/j/205 MdE 0 %
3. Reizlose Splitter-
narben an der vor-
deren Brust- und
Halsgegend RS-Pos. IX/c/702
Tab.1.Z.li. MdE 0 %
4. Herabsetzung der
Sehleistung beider
Augen auf etwa 1/2
nach Übersplitterung
bei Netzhautschä-
digung rechts RS-Pos. VI/c/637
Tab.Z.2 K.2 MdE 20 %
Bezüglich der Rahmensatzbegründungen werde auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.
Aus dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich gemäß § 3 der Richtsatzverordnung, BGBl. Nr. 150/1965, daß die Einschätzung der Gesamt-MdE infolge des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen mit 30 % gerechtfertigt sei. Hiefür sei maßgebend, daß die führende MdE durch die DB 1 um eine Stufe erhöht werde.
Das Gutachten Dris. P sei nicht als schlüssig erachtet worden. Die Befunderhebung sei aber bei der gutachterlichen Aussage Dris. H berücksichtigt worden. Das Gutachten des Chefarztes sei von der belangten Behörde im Zusammenhalt mit dem Gutachten der ersten Instanz als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Da im erhobenen Befund (§ 7 KOVG 1957) gegenüber dem Vergleichsbefund in den DB-Leiden keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse (§ 8 KOVG 1957) unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für die Neubemessung der Grundrente gemäß § 52 KOVG 1957 nicht gegeben. Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 sei eine Rente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebliche Änderung eintrete. Vom LIA sei nur das Augenleiden nach den nunmehr geltenden Einschätzungsmaßstäben (Änderung des kausalen Anteiles) eingestuft worden. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betrage die MdE gemäß § 7 KOVG 1957 30 v.H. Auf Grund der Bestimmung des § 52 Abs. 4 KOVG 1957 gebühre aber weiterhin eine Beschädigtengrundrente entsprechend einer MdE von 50 v.H.
Dem bevollmächtigten Vertreter des Karl H sei das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die rechtliche Beurteilung zu entkräften. Insbesondere sei zu entgegnen, daß das ärztliche Sachverständigengutachten Dris. P als nicht schlüssig erachtet und nur die Befunderhebung für die Entscheidung herangezogen worden sei. Dr. P habe nicht dem Aspekt Rechnung getragen, daß den akausalen Schädigungen an den Augen ein ungleich höherer Anteil gegenüber dem bisher als Dienstbeschädigung anerkannten Leidenszustand beizumessen sei. Die Herabsetzung der Sehleistung beider Augen werde weiterhin unter laufend Nr. 4 als Dienstbeschädigung mit einer MdE von 20 v.H. festgehalten, sodaß der Einwand, eine als DB anerkannte Gesundheitsschädigung gelte für alle Zeiten als anerkannt, an der Sache vorbeigehe.
Nach Wiedergabe des § 4 Abs. 1 zweiter Satz KOVG 1957 führte die belangte Behörde zur Begründung weiters aus, diese Bestimmung finde keine Anwendung, weil die nunmehr bestehende praktische Blindheit ausschließlich durch akausale Gesundheitsschädigungen verursacht werde, d.h., daß der als DB anerkannte Stecksplitter in der Lederhaut überhaupt keine Sehbehinderung bewirke. Der Verwaltungsgerichtshof habe an anderer Stelle folgendes ausgeführt: Bewirke eine zur Gänze als Dienstbeschädigung anerkannte Gesundheitsschädigung im Zusammenhang mit anderen Gesundheitsschädigungen, die keine Dienstbeschädigungen seien, Hilflosigkeit, so liege kein Anwendungsfall des § 4 Abs. 1 zweiter Satz KOVG 1957 vor (Erkenntnis vom 26. März 1968, Zl. 607/67).
Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende von einem Rechtsanwalt gemäß § 24 Abs. 2 VwGG unterschriebene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ist nach Einbringung der Beschwerde am 3. Oktober 1990 verstorben. Mit Schreiben vom 29. April 1991 hat die nunmehrige Beschwerdeführerin, Adele H, erklärt, die Beschwerde ihres verstorbenen Ehegatten Karl H gegen den angefochtenen Bescheid aufrechterhalten und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof fortsetzen zu wollen, weil die Voraussetzungen des § 48a KOVG 1957 auf sie zuträfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist u.a. die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.
Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung über die Neubemessung der Beschädigtenrente von der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigung auszugehen und zu prüfen, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung des Gesundheitszustandes gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zugrunde liegende Befund - d.i. im Beschwerdefall der dem Bescheid des LIA vom 18. Oktober 1974 zugrunde liegende Befund - eingetreten ist.
Die Neubemessung der Beschädigtenrente ist unzulässig, wenn eine maßgebende Änderung im Befund der anerkannten Dienstbeschädigung nicht eingetreten ist, sondern lediglich eine andere den Kausalzusammenhang betreffende Beurteilung vorliegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1985, Zl. 84/09/0021, und die dort zitierte Rechtsprechung). Hat sich der Befund der anerkannten Dienstbeschädigung maßgebend geändert, und zwar, worauf es im vorliegenden Beschwerdefall allein ankommt, durch Verschlimmerung des Dienstbeschädigungsleidens, so hat die Behörde hinsichtlich dieser Verschlimmerung auch die Frage zu beantworten, ob es sich um eine im Sinne der Bestimmungen des KOVG 1957 kausale Verschlimmerung des Leidenszustandes handelt. Aus der auf den seinerzeit gegebenen Sachverhalt bezogenen Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung folgt nicht, daß auch der erst später eingetretene und festgestellte Sachverhalt der Verschlechterung ohne Prüfung der Kausalität zur Neubemessung im Sinne der Erhöhung der Beschädigtenrente führt. Dies gilt auch dann und umsomehr, wenn der ursächliche Zusammenhang einer Verschlimmerung im Zustand eines Leidens aus Gründen verneint wird, die zugleich die Verneinung eines solchen Kausalzusammenhanges des Gesamtleidenszustandes bedeuten. In einem solchen Fall bleibt die Dienstbeschädigung als solche anerkannt. Die damit verbundenen Versorgungsleistungen bleiben dem Versorgungsberechtigten erhalten, die eingetretene Verschlimmerung führt indes mangels eines ursächlichen Zusammenhanges nicht zu einer Rentenerhöhung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1987, Zlen. 86/09/0111, 0112, und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vorgebracht, daß die Vorgangsweise der belangten Behörde keineswegs den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Der Sachverständige Dr. P habe festgestellt, daß die Beschädigtenrente nach einer MdE von 100 % gebühren würde. Da eine anerkannte Dienstbeschädigung für alle Zeiten gelte (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0043), würde die Zuerkennung der Beschädigtengrundrente nach einer MdE von 100 % den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Der Argumentation der belangten Behörde könne nicht gefolgt werden, weil unbestritten sei und auch im angefochtenen Bescheid angeführt worden sei, daß eine Herabsetzung der Sehleistung beider Augen auf etwa die Hälfte nach Übersplitterung der Netzhautschädigung rechts rechtskräftig anerkannt sei. In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. P bzw. des Chefarztes sei eindeutig festgehalten worden, daß Blindheit vorliege. Es sei auch unbestritten, daß eine Herabsetzung des Sehvermögens rechtskräftig anerkannt sei. Auch gehe die Begründung im angefochtenen Bescheid vollkommen ins Leere, daß die akausale Schädigung an den Augen einen ungleich höheren Anteil gegenüber dem bisher als Dienstbeschädigung anerkannten Leidenszustand ausmache, weil eine Herabsetzung der Sehleistung zur Hälfte bereits anerkannt sei bzw. gewesen sei. Die Argumentationen des bevollmächtigten Vertreters des Karl H bzw. die eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen seien negiert worden; der angefochtene Bescheid stehe im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, weil eine rechtskräftig anerkannte Dienstbeschädigung-Bezeichnung für immer gelte.
Aus der vorher dargelegten Rechtsprechung, von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß sieht, folgt, daß bei einer Neubemessung der Beschädigtenrente eine Prüfung der Kausalität durchzuführen ist. Wenn sich die Beschwerde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0043, beruft, ist dem zu entgegnen, daß in dem damals angefochtenen Bescheid in rechtswidriger Weise eine Abänderung der bereits vor dem 1. Jänner 1962 anerkannten Dienstbeschädigung "hochgradige Sehschwäche BEIDERSEITS" (MdE 50 %) in "herabgesetztes Sehvermögen LINKS nach Sehnervenentzündung" (MdE 20 % ) erfolgte. Im vorliegenden Beschwerdefall geht die belangte Behörde aber davon aus, daß beim Ehegatten der Beschwerdeführerin eine zu Unrecht (bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1973) anerkannte Herabsetzung der Sehleistung beider Augen vorliege, als eigentliche Dienstbeschädigung nur die Stecksplitterverletzung der linken Lederhaut zu gelten hätte, die überhaupt keine Sehbehinderung verursachen könne und daß die nunmehr bestehende praktische Blindheit AUSSCHLIESSLICH durch akausale Gesundheitsschädigungen verursacht worden sei. In einem solchen Fall bleibt die (jetzt mit neuer Bezeichnung unter Punkt 4. des erstinstanzlichen Bescheides) Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 Abs. 3 KOVG 1957 als solche anerkannt und es bleiben die damit verbundenen Versorgungsleistungen dem Beschädigten erhalten. Die von der Beschwerde geltend gemachte Verschlimmerung führt aber mangels ursächlichen Zusammenhanges nicht zu einer Rentenerhöhung (vgl. das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1987).
Wenn in der Beschwerde weiters gerügt wird, daß der angefochtene Bescheid deshalb im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen stehe, weil "eine rechtskräftig anerkannte DB-Bezeichnung" für immer gelte, so ist dem zu erwidern, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Behörde an sich nicht verwehrt ist, im Rahmen ihrer Entscheidung über einen Neubemessungsantrag des Versorgungsberechtigten den festgestellten Zustand der Dienstbeschädigung neu zu bezeichnen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1989, Zl. 87/09/0038).
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kommt auch der Rüge in der Beschwerde, daß das Sachverständigengutachten Dris. P, in dem festgestellt worden sei, daß die Beschädigtenrente nach einer MdE von 100 % gebühren würde, von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei, keine Berechtigung zu, weil Dr. P die von ihm vorgenommene Einzel- bzw. Gesamteinschätzung der MdE auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1983, Zl. 82/09/0132, gestützt hat; dieses Erkenntnis hat jedoch - was für den gegenständlichen Beschwerdefall ohne Bedeutung ist - die Problematik der Schädigung des zweiten Auges bei unbestritten kausaler Schädigung des ersten Auges behandelt. Die Einzel- und die Gesamteinschätzung der MdE Dris. P ist daher für die Entscheidung der belangten Behörde zu Recht als nicht maßgebend herangezogen worden, weil dieser von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist.
Gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz KOVG 1957 ist, wenn dem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen nur ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit (§§ 18, 19) verbunden ist, der die Hilflosigkeit oder Blindheit verursachende Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen.
Was die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung zur Gänze als Dienstbeschädigung nach dieser Gesetzesbestimmung anlangt, so setzt diese Rechtsfolge voraus, daß einem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen (nur) ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann. Liegt diese und liegt die weitere Voraussetzung vor, daß mit der Gesundheitsschädigung Blindheit (Hilflosigkeit) verbunden ist, dann ist dieser Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung anzuerkennen (vgl. das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1985).
Da die belangte Behörde auf Grund des schlüssigen Gutachtens des Chefarztes im Zusammenhalt mit dem Gutachten der ersten Instanz festgestellt hat, daß der als Dienstbeschädigung (Punkt 2. im erstinstanzlichen Bescheid) anerkannte "Reizlos eingeheilter Stecksplitter der linken Lederhaut" überhaupt keine Sehbehinderung bewirkt, die nunmehr bestehende praktische Blindheit vielmehr ausschließlich durch akausale Gesundheitsschädigungen verursacht wird und da aus dieser Feststellung folgt, daß den in der Dienstleistung eigentümlchen Verhältnissen auch ein ursächlicher Anteil an dieser Gesundheitsschädigung nicht zugemessen werden kann, war die Anwendung des zweiten Satzes des § 4 Abs. 1 KOVG 1957 im Beschwerdefall schon aus diesem Grunde ausgeschlossen.
Dem angefochtenen Bescheid haftet somit die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr.104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)