Normen
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 26. Jänner 1988 wurde unter Spruchpunkt I. ein Ansuchen des Beschwerdeführers um wasserrechtliche Bewilligung abgewiesen, unter Spruchpunkt II. ihm ein wasserpolizeilicher Auftrag erteilt und unter Spruchpunkt III. die Entrichtung einer Kommissionsgebühr vorgeschrieben.
Die Berufung des Beschwerdeführers wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 18. März 1988 "gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950" mit der Begründung zurück, die Berufungsfrist betrage nach der angeführten Bestimmung zwei Wochen und beginne für jede Partei mit der nachgewiesenen Zustellung der schriftlichen Ausfertigung an sie; wie aus den Akten ersichtlich, sei der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer am 15. Februar 1987 (richtig: 1988) zugestellt, das Rechtsmittel laut Poststempel aber erst am 1. März 1987 (richtig: 1988) bei der Post aufgegeben, die Berufungsfrist also um einen Tag überschritten worden.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 10. Juni 1988, B 957/88, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Vor diesem Gerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei er sich nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht auf meritorische Erledigung seiner Berufung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der
sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die für ihn bestimmte Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides sei erst am 15. Februar 1988 nachmittags (in Eisenstadt) zur Post gegeben worden und habe daher gar nicht am selben Tag (in S) an ihn zugestellt werden können. Der Datumstempel vom 15. Februar 1988 gehe offenbar auf ein Versehen in der Sphäre des Postamtes S zurück. Dem Beschwerdeführer sei der erstinstanzliche Bescheid am 16. Februar 1988 durch Hinterlegung zugestellt und von ihm noch am selben Tag abgeholt worden. Die am 1. März 1988 vom Beschwerdeführer erhobene Berufung sei daher rechtzeitig.
Die belangte Behörde stellt - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - die Abfertigung am 15. Februar 1988 nicht in Abrede, hält es aber für denkbar, daß infolge eines raschen Zustellvorganges der Bescheid gleichwohl am selben Tag dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei. Ein Gegenbeweis gegen das am Rückschein aufscheinende Datum sei zwar zulässig, im konkreten Fall aber nicht erbracht worden.
Hierauf ist zu erwidern, daß der Beschwerdeführer auch keine Gelegenheit hatte, einen Gegenbeweis anzutreten; denn für einen solchen war im Verwaltungsverfahren seitens des Beschwerdeführers kein Anlaß und ist im Beschwerdeverfahren kein Raum. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 29. September 1960, Slg. Nr. 5380/A, dargetan hat, ist die Rechtsfrage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, aufgrund von Tatsachen zu entscheiden, welche die Behörde festzustellen hat, wobei der Partei gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 Gelegenheit zu geben ist, vom Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, wenn nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ein Berufungswerber ist auch nicht etwa von sich aus verpflichtet, alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1951, Slg. Nr. 2367/A). In Anbetracht der aufgezeigten Gegebenheiten - zu denen nach der Aktenlage auch gehört, daß das Datum in der Übernahmsbestätigung "15. Feb. 1988" nicht nur auf dem vom Beschwerdeführer unterschriebenen Rückschein, sondern in gleicher Form mit Datumstempel bei weiteren sechs Empfängern mit der Anschrift S aufscheint, andererseits bei einer Empfängerin (W) in Eisenstadt (also am Sitz der erstinstanzlichen Behörde) das Datum handschriftlich auf "Eis., 16.2.88" lautet - fehlt dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht von vornherein die Voraussetzung der Glaubwürdigkeit dafür, er habe seine Berufung rechtzeitig erhoben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den den gesetzlich pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Betrag.
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