VwGH 88/05/0135

VwGH88/05/013524.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Ing. F in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. April 1988, Zl. 8 BauRl-93/3/1988, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Bund (Post- und Telegraphenverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
AVG §13a;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. November 1987 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung eines Um- und Zubaues zum bestehenden Netzgruppenamt und zum Innenumbau des bestehenden Postamtes, dies unter einer Reihe von Auflagen. In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er sei in seinen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten auf Einhaltung der Abstandsfläche zu seinem Wohnobjekt und auf Gewährleistung des Lichteinfalls in seine nordseitig gelegenen Aufenthaltsräume verletzt. Dieser Berufung wurde vom Landeshauptmann von Kärnten mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht stattgegeben. Der Beschwerdeführer habe laut Verhandlungsniederschrift seine Einwendungen im Zuge der Bauverhandlung erster Instanz nicht konkretisiert, seine Einwendungen seien daher jedenfalls als präkludiert anzusehen. Im übrigen sei der Bescheid auch mit keiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers in beiden Instanzen seien durch die "beigezogenen Sachverständigen" und insbesondere auch durch eine zu den Ausführungen des Berufungswerbers der belangten Behörde zugekommene ergänzende Stellungnahme des hochbautechnischen Amtssachverständigen widerlegt.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer die Verletzung der oben genannten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend. Weiters sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt. Entgegen der Annahme der belangten Behörde sei die Einwendung betreffend die Nichteinhaltung der Abstandsfläche sehr wohl Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dies ergebe sich aus dem Zusammenhang des Protokolls. Im Hinblick auf die Gegenständlichkeit der derart konkretisierten Einwendung habe es der Beschwerdeführer unterlassen, sich um eine formelle Festhaltung seiner konkretisierten Einwendung in der Verhandlungsniederschrift zu kümmern und er sei - entgegen der sich aus dem AVG ergebenden Manuduktionspflicht - dazu vom Verhandlungsleiter auch nicht angehalten worden.

Hinsichtlich der Beurteilung des Lichteinfalles sei unrichtig bzw. ungenügend ermittelt worden. Die Berufungsbehörde habe ihren Bescheid auf eine - inhaltlich unzutreffende - ergänzende Sachverständigenstellungnahme gestützt, zu der dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und der belangten Behörde den Kostenersatz aufzuerlegen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 42 Abs. 1 AVG lautet:

"(1) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen."

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausgestaltung der "Einwendungen" hat insbesondere klargestellt, daß Einwendungen konkretisiert werden müssen (z.B. Erkenntnis vom 3. Juli 1959, Zl. 481/67 - bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., 1990, 280), daß auf Grund einer Einwendung jedenfalls erkennbar sein muß, welche Rechtsverletzung behauptet wird, mag der Nachbar auch nicht verpflichtet sein, seine Einwendungen zu begründen (Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/04/0129 - a.a.O. 280), und daß das Vorbringen eines Anrainers, mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden zu sein, nicht ausreicht (z.B. VwSlg. 7179/A). Die auf Seite 6 der Niederschrift vom 27. Oktober 1987 protokollierte Aussage des Beschwerdeführers "Ich erhebe gegen die geplante Ausführung des Wählamtes Einspruch, weil ich der Meinung bin, daß das Baurecht und die Bauvorschriften nicht eingehalten werden." ist keine die Präklusion hintanhaltende Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG.

Der Beschwerdeführer behauptet keine darüber hinausgehende Erklärung während der mündlichen Verhandlung. Es ginge aus dem Protokoll aber zwingend hervor, daß die durch die Äußerung des Amtssachverständigen konkretisierte Einwendung des Beschwerdeführers den Verhandlungsgegenstand gebildet habe.

Dazu hat die belangte Behörde mit Recht darauf hingewiesen, daß es für die Frage der Präklusion nicht von Bedeutung ist, aus welchen Motiven Einwendungen nicht erhoben wurden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes treten die Präklusionsfolgen selbst dann nicht ein, wenn Einwendungen nur unter dem Eindruck eines Sachverständigengutachtens nicht erhoben worden sind (vgl. VwSlg. 10.317/A, 10.621/A und Erkenntnis vom 14. Mai 1987, Zl. 86/06/0243). Zur Manuduktionspflicht des Verhandlungsleiters hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen (etwa vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/06/0025) ausgesprochen, daß eine Partei, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 Abs. 1 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladen wurde, vom Verhandlungsleiter nicht ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden muß.

Soweit der Beschwerdeführer daher hinsichtlich der Geltendmachung seiner aus dem materiellen Recht erfließenden subjektiven öffentlich-rechtlichen Ansprüche präkludiert ist, liegt keine Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann es vor dem Hintergrund des fehlenden materiell-rechtlichen Anspruches dahingestellt bleiben, ob im Sinne des auch im Berufungsverfahren geltenden Grundsatzes des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben gewesen wäre, zur ergänzenden Darstellung des Amtssachverständigen vom 31. März 1988 Stellung zu nehmen. Tragendes Begründungselement des Berufungsbescheides ist die von der belangten Behörde zu Recht angenommene Präklusion des Beschwerdeführers. Zwar beseitigt die Präklusion nicht das Berufungsrecht des Beschwerdeführers, sie schränkt aber die Überprüfungsbefugnis der Berufungsbehörde insofern ein, als sie präkludierte Ansprüche nicht mehr aufgreifen darf (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts,

5. Aufl., 1991, RZ. 293 und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Zl. 3112/79 - verstärkter Senat - vom 26. März 1981, Zl. 571/79, vom 10. September 1986, Zl. 86/03/0019, u.a.)

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde als unbegründet in allen Punkten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte