VwGH 88/03/0074

VwGH88/03/007414.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerden des JH in W, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 28, a) gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Februar 1988, Zl. 9/01-26557/3-1988, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, und b) gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 21. Juni 1988, Zl. 9/01-26557/4-1988, betreffend Wiederaufnahmsantrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
VStG §49 Abs2;
VStG §49 Abs3;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
VStG §49 Abs2;
VStG §49 Abs3;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

1. Der Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Februar 1988 wird, soweit er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 21. Juni 1988 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 4. August 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 16. Juni 1986, um 11.50 Uhr, in Salzburg, Alpenstraße, stadtauswärts, nächst km 9,6, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und hiebei die dort durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 40 km/h überschritten. Es wurde eine Geldstrafe von

S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) verhängt.

Die die Strafverfügung enthaltende Postsendung wurde nach zwei vergeblichen Zustellversuchen im Sinne des § 21 Abs. 2 des Zustellgesetzes am 28. August 1986 hinterlegt.

Am 2. September 1986 gab der Beschwerdeführer folgendes an die Bundespolizeidirektion Salzburg gerichtetes Anbringen zur Post:

"Betrifft: …… Einspruch

Ich erhebe Einspruch gegen die Strafhöhe von S 2.000,--. Zum angegebenen Zeitpunkt fuhr ich, von der Autobahn kommend, über Anif Richtung Salzburg. Nach Ihren Angaben fuhr ich stadtauswärts, das ist offensichtlich ein Irrtum.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung habe ich leider übersehen. Da es sich jedoch um eine autobahnartige Straße handelt, die durch ein unverbautes Waldstück führt, war ich der Annahme, eine normale Autoschnellstraße zu benützen. Nach meinem Ermessen müßte die Behörde einen Unterschied zwischen Überschreitungen in verbautem Ortsgebiet und einem unverbauten Waldstück machen.

In dieser Relation betrachtet, ersuche ich, das Strafausmaß wesentlich geringer als bisher anzusetzen."

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 5. März 1987 wurde der Beschwerdeführer neuerlich der in der Strafverfügung bezeichneten Tat schuldig erkannt, durch die er die Rechtsvorschrift des § 52 lit. a Z. 10a StVO verletzt habe. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe 4 Tage) verhängt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u. a. ausführte, die Auffassung der Erstbehörde, daß im Einspruch auch das Verschulden bestritten worden sei, sei unrichtig. Tatsächlich sei ganz offenkundig, daß der Beschwerdeführer im Einspruch nur die Strafhöhe bekämpft habe. Wenn behauptet werde, daß die Korrektur der Fahrtrichtung auch eine Bekämpfung der Schuld darstelle, sei dies unrichtig, da es doch materiell völlig egal sei, ob der Beschwerdeführer diese oder jene Richtung gefahren sei.

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Februar 1988 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf S 2.200,-- (Ersatzarrest 3 Tage) herabgesetzt.

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, in der Strafverfügung vom 4. August 1986 sei die Fahrtrichtung stadtauswärts ausdrücklich aufgenommen worden. Da der Beschwerdeführer im Einspruch vom 2. September 1986, auch wenn er ihn als gegen die Strafhöhe gerichtet bezeichnet habe, auch die angelastete Fahrtrichtung ausdrücklich bekämpft habe, könne keine Rede davon sein, daß im Einspruch im Sinne des § 49 Abs. 2 VStG 1950 ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen werde. Der Einspruch betreffe damit auch die Schuldfrage, da eben im Spruch die Fahrtrichtung ausdrücklich angeführt gewesen sei. Dies müsse im vorliegenden Fall wohl unabhängig davon gelten, daß es grundsätzlich zur genauen Umschreibung der Tat nicht unabdingbar notwendig sei, die Fahrtrichtung anzuführen. Werde sie aber angeführt und als unrichtig bekämpft, so könne diese Einwendung wohl nicht vernachlässigt werden, wie der Beschwerdeführer meine.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 20. April 1988 eingebrachte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

2. Mit Anbringen vom 18. März 1988 brachte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Salzburg den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend dem Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ein. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, aus dem Schreiben der Zeugin LP vom 22. Februar 1988 gehe hervor, daß der Beschwerdeführer am 16. Juni 1986 in Salzburg, Alpenstraße nächst Kilometer 9,6 zwar mit seinem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw unterwegs gewesen sei, dies aber Richtung stadteinwärts.

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 21. Juni 1988 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 abgelehnt. Ferner wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 6 VStG 1950 einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 220,-- zu leisten habe.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 20. Juli 1988 eingebrachte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerdesachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

1. Gegen die Strafverfügung kann der Beschuldigte gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1950 Einspruch erheben. Wird im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen, so ist sie gemäß § 49 Abs. 2 VStG 1950 als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen.

Im Anbringen vom 2. September 1986 verwies der Beschwerdeführer in Ansehung der Fahrtrichtung lediglich darauf, es liege ein offensichtlicher Irrtum vor. Das Wort "stadtauswärts" als Gegenstand dieser Behauptung des Vorliegens eines offensichtlichen Irrtums läßt nicht erkennen, daß es dem Beschwerdeführer um die Geltendmachung eines von ihm für die Frage der Rechtmäßigkeit des Schuldspruches als maßgebend erachteten Umstandes gegangen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1984, und die Verordnungen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 15. Jänner 1971 und vom 4. September 1984 betreffend Alpenstraße und Hellbrunner Landesstraße). Auch wenn man das Anbringen vom 2. September 1986 insgesamt betrachtet, ergibt sich, daß der Beschwerdeführer über das von der Behörde verwendete Wort "stadtauswärts" keine Aussage traf, die er in bezug zu seiner Rechtssphäre, innerhalb der er beschwert sein könnte, gemacht hätte. Vielmehr gab er im Anbringen vom 2. September 1986 ausdrücklich zu, daß er die Geschwindigkeitsbeschränkung leider übersehen habe, und erklärte ferner einerseits ausdrücklich, er erhebe Einspruch gegen die Strafhöhe von S 2.000,--, und andererseits, er ersuche, das Strafausmaß wesentlich geringer als bisher anzusetzen.

Solcherart hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, daß im Einspruch des Beschwerdeführers entsprechend der Bestimmung des § 49 Abs. 2 VStG 1950 ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen wurde.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den mit dem Straferkenntnis vom 5. März 1987 getroffenen Schuldspruch im Instanzenzug bestätigte, zwar rechtswidrig gehandelt, sie hat jedoch damit das im Beschwerdepunkt geltend gemachte Recht des Beschwerdeführers, daß der Schuldspruch, der von der belangten Behörde im Instanzenzug getroffen wurde, nicht ergeht, im Hinblick auf den in der Strafverfügung vom 4. August 1986 enthaltenen entsprechenden und rechtskräftig gewordenen Schuldspruch nicht verletzt (siehe zum Verhältnis zwischen dem rechtskräftigen Schuldspruch eines Straferkenntnisses und der nach der objektiven Rechtslage unzulässigen Wiederholung des Schuldspruches im Berufungsbescheid, der sich auf die Frage der Strafbemessung beschränken hätte müssen, das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1987, Zl. 86/03/0158).

Eine Ermächtigung, "auch eine andere Strafe auszusprechen", wie sie sich in § 49 Abs. 3 VStG 1950 findet, ist für den in § 49 Abs. 2 leg.cit. vorgesehenen Fall, daß im Einspruch ausdrücklich

nur das Ausmaß der auferlegten Strafe ..... in Beschwerde gezogen

wird, nicht vorgesehen. Die belangte Behörde hätte daher nicht anstelle der in der Strafverfügung verhängten Geldstrafe von S 2.000,-- eine solche von S 2.200,-- verhängen dürfen. Der Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Februar 1988 war daher, soweit er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im übrigen aber war die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz, der in der mit Schriftsatz vom 20. April 1988 eingebrachten Beschwerde geltend gemacht wurde, gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

2. Nach § 69 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und: ...

b) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Aus den vorstehend unter Punkt 1 dargelegten Gründen konnte das Schreiben der Zeugin LP vom 22. Februar 1988 im Verhältnis zum Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 1988 keinen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid erwarten lassen. Mit dem im Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juni 1988 enthaltenen Ausspruch, daß der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 abgelehnt wird, wurde der Beschwerdeführer daher in keinem Recht verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß der Beschwerdeführer durch den im Bescheid vom 21. Juni 1988 enthaltenen, auf § 64 Abs. 6 VStG 1950 gestützten Kostenspruch in einem Recht verletzt worden wäre.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 21. Juni 1988 war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 14. Dezember 1988

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