VwGH 88/02/0115

VwGH88/02/011519.10.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Ing. NK in G, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hoffmann und Dr. Horst Auer, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Mai 1988, Zl. MA 70-11/1223/87/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §5 Abs4
StVO 1960 §5 Abs5
StVO 1960 §99 Abs1 litb
VStG §5 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988020115.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 9. Juni 1987 wurde der Beschwerdeführer zweier am 25. November 1986 begangener Verwaltungsübertretungen, und zwar 1. nach § 38 Abs. 5 StVO 1960 und 2. nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 leg. cit., schuldig erkannt und hiefür bestraft.

Auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers, die zu Punkt 1. nur den Strafausspruch betraf, wurde mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Mai 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das erstinstanzliche Straferkenntnis - mit einer Abänderung hinsichtlich der Tatumschreibung zu Punkt 2. - bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden. Wer sich bei Vorliegen dieser Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, begeht gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Verwaltungsübertretung und ist - entsprechend dieser Bestimmung - zu bestrafen.

Dem Beschwerdeführer ist zwar darin beizupflichten, daß er zur Vornahme der Atemluftprobe nur aufgefordert werden durfte, wenn die Vermutung bestand, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinde, und ihn daher andernfalls keine Verpflichtung zur Vornahme der Atemluftprobe getroffen hätte. Seine Auffassung, es sei auf Grund seiner sich aus der Anzeige ergebenden Alkoholisierungsmerkmale und seiner als "Geständnis" zu wertenden Angaben über den vorangegangenen Alkoholkonsum für den Meldungsleger eine Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers "als Fahrzeuglenker" festgestanden, sodaß diese "bereits vollständig erwiesen" gewesen sei und "von einem bloßen Verdacht" diesbezüglich nicht mehr die Rede sein könne, kann aber nicht geteilt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß selbst ein Geständnis einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1950 an der Berechtigung eines Straßenaufsichtsorganges, die Atemluft des betreffenden Fahrzeuglenkers auf Alkoholgehalt zu untersuchen, nichts zu ändern vermag (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 19. Jänner 1979, Zl. 1271/77, und vom 15. Februar 1980, Zl. 3187/79). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände konnten für den (die Aufforderung aussprechenden) Meldungsleger lediglich die (wenn auch besonders intensive) Vermutung, der Beschwerdeführer habe ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, nach sich ziehen. Dem Meldungsleger stand es nicht zu, eine Beurteilung der hiefür allein zuständigen Behörde über eine allfällige Verwaltungsübertretung des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 in einem ordnungsgemäßen Verwaltungsstrafverfahren, einschließlich der ihr in diesem Zusammenhang obliegenden Beweiswürdigung, wobei auch nicht ausgeschlossen werden konnte, daß der Beschwerdeführer seine der Anzeige zugrundeliegenden Angaben in der Folge nicht mehr aufrechterhält, vorwegzunehmen. War nach Ansicht des Beschwerdeführers bei Durchführung der Atemluftprobe ein positives Ergebnis zu erwarten, so wäre dadurch die bereits vorher bestehende Vermutung seiner Alkoholbeeinträchtigung weiter erhärtet und, den Intentionen des Gesetzgebers entsprechend, die Voraussetzung für die Vornahme einer klinischen Untersuchung im Sinne des § 5 Abs. 4 lit. a und 5 StVO 1960, durch die der Grad der Alkoholeinwirkung objektiv festgestellt worden wäre, geschaffen worden. Der Beschwerdeführer irrt daher, wenn er meint, daß von seiner Verpflichtung zur Vornahme der Atemluftprobe nur "entgegen dem klaren und unmißverständlichen Wortlaut des § 5 Abs. 2 StVO" ausgegangen werden könnte.

Wenn sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß ihm eine derartige Verpflichtung "auf Grund einer ihm vor dem genannten Tag" (gemeint ist der 25. November 1986) "von seinem ständigen Anwalt, somit einem qualifizierten Rechtskundigen, erteilten Information nicht erkennbar" gewesen sei und ihm daher "guter Glaube zugebilligt werden" müsse, so ist ihm entgegenzuhalten, daß zwar einem Rechtsirrtum auch im Verwaltungsstrafverfahren Bedeutung zukommen kann, dies aber nur nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 VStG 1950, weshalb ein solcher Irrtum nur dann geeignet ist, einen Schuldausschließungsgrund darzustellen, wenn er vom Beschuldigten nicht verschuldet ist, und dem Beschwerdeführer diesbezüglich ein Verschulden anzulasten ist. Ein Irrtum über Vorschriften, die ein lenkerberechtigter Kraftfahrer kennen muß, geht grundsätzlich zu seinen Lasten. War der Beschwerdeführer auch auf Grund der ihm erteilten Rechtsauskunft seines Anwaltes der Meinung, in der vorliegenden Situation (zufolge der bereits erwähnten Umstände) zur Vornahme einer Atemluftprobe nicht verpflichtet zu sein, so hätte er doch auf Grund der an ihn ergangenen Aufforderung des Meldungslegers, bei dem es sich um eine in diesen Belangen auch in rechtlicher Hinsicht besonders geschulte Person handelte und in der eine andere Rechtsansicht zum Ausdruck kam, Zweifel an der Richtigkeit der dem Beschwerdeführer durch seinen Anwalt mitgeteilten Gesetzesauslegung haben müssen und daher der Aufforderung Folge zu leisten gehabt (vgl. das in der Gegenschrift zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1985, Slg. Nr. 11704/A). Der Hinweis des Beschwerdeführers, er sei in seinem Verhalten dadurch bestärkt worden, daß sich der Meldungsleger nach Kenntnisnahme des vom Beschwerdeführer dargestellten Weigerungsgrundes nicht mehr geäußert habe, sodaß der Beschwerdeführer daraus den Schluß gezogen habe, daß "seine Weigerung als berechtigt akzeptiert werde", geht deshalb ins Leere, weil der Meldungsleger nicht verpflichtet war, sich in eine Debatte über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der von ihm begehrten Untersuchung einzulassen und das Verlangen auf Vornahme der Atemluftprobe zu wiederholen. Nur dann, wenn das Sicherheitsorgan unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, es ziehe sein Verlangen zurück, darf der Lenker mit Recht annehmen, daß er nicht mehr verpflichtet ist, sich der geforderten Untersuchung zu unterziehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1976, Slg. Nr. 9031/A, und vom 16. Mai 1980, Zl. 3468/78). Die belangte Behörde hat daher den maßgebenden Sachverhalt vollständig ermittelt, hätte sie doch auch bei den vom Beschwerdeführer beantragten Zeugenvernehmungen des Meldungslegers, des Fahrers des Streifenwagens und des betreffenden Anwaltes des Beschwerdeführers zu dem das Beschwerdevorbringen stützenden Sachverhalt bei Beurteilung der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1950 durch den Beschwerdeführer nicht zu einem anderen Bescheid kommen können.

Soweit die Beschwerde die Strafbemessung bekämpft, bezieht sie sich - in Hinblick darauf, daß in Ansehung der Verweigerung der Atemluftprobe die Geldstrafe ohnehin nur in Höhe der im § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorgesehenen Mindeststrafe von S 8.000,-- bemessen wurde - nur auf die wegen der weiteren Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 5 StVO 1960 verhängte Geldstrafe von S 1.000,--. Der vom Beschwerdeführer behauptete Begründungsmangel liegt aber diesbezüglich nicht vor, hat doch die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auch darauf Bedacht genommen, daß diese Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat. Insbesondere mit Rücksicht auf den von der belangten Behörde zutreffend angeführten Umstand, daß die Tat dessen ungeachtet in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit geschädigt habe, und auf den gemäß § 99 Abs. 3 leg. cit. reichenden Strafrahmen bis S 10.000,-- vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Überschreitung des bei der Strafbemessung zustehenden behördlichen Ermessens zu erkennen. Daran kann auch die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er sei "aus einer gewissen Unaufmerksamkeit heraus" einem Irrtum bei Nichtbeachtung der betreffenden Verkehrslichtsignalanlage unterlegen, nichts ändern.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 19. Oktober 1988

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