Normen
BAO §200 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BAO §200 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 11.720 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb in den Jahren 1945 bis 1975 als Einzelunternehmer einen Autoreifenhandel. Mit Wirkung ab 1. Jänner 1976 wurde das Einzelunternehmen in eine Kommanditgesellschaft eingebracht.
Im Zuge einer für die Jahre 1968 bis 1975 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung beurteilte der Prüfer Fremdmittel, die in der Bilanz des Autoreifenhandels als stille Beteiligung der V-AG, Basel, Schweiz, ausgewiesen waren, als Eigenkapital des Beschwerdeführers und versagte dementsprechend auch den als Betriebsausgaben geltend gemachten Gewinnanteilen der V-AG die steuerliche Anerkennung. Zur Begründung verwies er auf eine "Anlage 1", in der das Ergebnis der abgabenrechtlichen Ermittlungen festgehalten und ausgeführt ist, weswegen es sich bei den angeblich zur Verfügung gestellten Fremdmitteln in Wahrheit um Eigenkapital des Beschwerdeführers gehandelt habe (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Februar 1992, 86/13/0187).
Das Finanzamt für den 21. und 22. Wiener Gemeindebezirk folgte den Ausführungen des Prüfers und erließ für die Jahre 1968 bis 1975 im wiederaufgenommenen Verfahren ua entsprechende Einkommensteuerbescheide.
Die gegen diese Einkommensteuerbescheide gerichteten Berufungen wurden von der belangten Behörde mit zwei Berufungsentscheidungen abgewiesen. Die gegen diese Berufungsentscheidungen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden führten - soweit im nunmehrigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von Relevanz - zur Aufhebung derselben für die Jahre 1971 bis 1975 infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wobei der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen ausführte, die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung biete keine schlüssige Begründung dafür, dem Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der V-AG die steuerliche Anerkennung zu versagen. Auf die Entscheidungsgründe im bereits erwähnten hg Erkenntnis vom 20. Februar 1992, 86/13/0187, und im hg Erkenntnis vom selben Tag, 86/13/0186, wird verwiesen.
Am 17. November 1982 übermittelte der Prüfer auch dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: Finanzamt) die bereits erwähnte "Anlage 1", worauf das Finanzamt den vom Prüfer errechneten Betrag von 15,207.542 S, der vom Beschwerdeführer in den Jahren 1968 bis 1975 an die V-AG als Gewinnanteil überwiesen worden war, mit Bescheid vom 27. Jänner 1983 der Schenkungssteuer unterzog. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf die Ausführungen des Prüfers.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, der der Schenkungssteuer zugrunde gelegte Betrag sei der V-AG keineswegs in Ausführung von Schenkungen, sondern in deren Stellung als echter stiller Gesellschafter überwiesen worden. Aus dem Bescheid des Finanzamtes sei auch nicht erkennbar, welcher Tatbestand des Schenkungssteuergesetzes als verwirklicht angesehen worden sei. Überdies sei die abgabenbehördliche Prüfung noch nicht abgeschlossen.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 19. April 1983 hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Feststellungen des Prüfers vor, die vereinbarte stille Beteiligung der V-AG am Autoreifenhandel sei als Scheingeschäft anzusehen, das nur dazu gedient habe, die Zahlungen des Beschwerdeführers an die V-AG als betrieblichen Aufwand geltend machen zu können. In freier Beweiswürdigung werde daher die Ansicht vertreten, die Zahlungen an die V-AG stellten mangels betrieblicher Veranlassung eine freigebige Zuwendung dar.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte der Beschwerdeführer zunächst fest, das Finanzamt stütze sich ausschließlich auf die Feststellungen des Prüfers, wonach es sich bei dem Vertrag mit der V-AG um ein Scheingeschäft handle, und komme zu dem Schluß, die an die V-AG geleisteten Zahlungen stellten freigebige Zuwendungen gemäß § 3 Abs 1 Z 2 ErbStG dar. Im Gegensatz zur Ansicht des Finanzamtes handle es sich bei dem mit der V-AG abgeschlossenen Vertrag keineswegs um ein Scheingeschäft. An der Existenz der V-AG, am Bestand einer echten stillen Gesellschaft und an der tatsächlichen Durchführung der getroffenen Vereinbarungen könnten nach den vorgelegten Unterlagen keine Zweifel bestehen. Die irrige Auffassung des Prüfers, es mangle den Zahlungen an die V-AG an der betrieblichen Veranlassung, könne noch nicht zur Annahme einer freigebigen Zuwendung führen. Eine freigebige Zuwendung liege nur dann vor, wenn
- 1. die Zuwendung unter Lebenden erfolge,
- 2. der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert werde und sich der Bereicherung nicht bewußt sei und
- 3. der Zuwendende den - einseitigen - Willen habe, den Bedachten auf seine Kosten zu bereichern, somit diesem etwas unentgeltlich zuzuwenden.
Von den vom Gesetz geforderten Voraussetzungen treffe im vorliegenden Fall nur die erste zu. Die V-AG sei nicht bereichert worden und er hätte keineswegs den Willen gehabt, dieser etwas unentgeltlich zuzuwenden. Die Zahlungen seien nur aus dem bestehenden Vertragsverhältnis erfolgt. Hiebei spiele es keine Rolle, daß die Zahlungen nicht als Betriebsausgaben anerkannt worden seien. Wenn aber das Finanzamt auf Grund der Vermutungen des Prüfers weiterhin daran festhalten sollte, es handle sich bei den von der V-AG in ihrer Stellung als echter stiller Gesellschafter zur Verfügung gestellten Mittel um ein Scheingeschäft, weil diese Mittel in Wahrheit von ihm der V-AG zur Verfügung gestellt worden seien und daher auch ihm zuzurechnen wären, dann liege erst recht keine freigebige Zuwendung vor, weil er sich selbst "denklogisch" nichts schenken oder zuwenden könne. Ungeachtet der Ausführungen des Prüfers sei daher von ihm kein schenkungssteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht worden.
Am 2. Dezember 1986 brachte der Beschwerdeführer die bereits erwähnten Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof ua gegen die Berufungsentscheidungen betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1968 bis 1975 und gleichzeitig eine Säumnisbeschwerde betreffend Schenkungssteuer ein.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Beschluß vom 15. Dezember 1986, der belangten Behörde zugestellt am 20. Jänner 1987, hinsichtlich der Säumnisbeschwerde das Vorverfahren ein.
Mit Bescheid vom 12. Jänner 1987, dem Beschwerdeführer zugestellt am 14. Jänner 1987, setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung betreffend Schenkungssteuer unter Hinweis auf die vom Beschwerdeführer am 2. Dezember 1986 ua gegen die Berufungsentscheidungen betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1968 bis 1975 ergriffene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 281 BAO aus.
Mit der nunmehr angefochtenen, VORLÄUFIG erlassenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie zunächst ausführte, auf Grund der vom Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des Aussetzungsbescheides erhobenen Säumnisbeschwerde sei nunmehr eine Sachentscheidung zu treffen. Zur Begründung verwies die belangte Behörde sodann auf die Ausführungen in den bereits erwähnten Berufungsentscheidungen ua betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1968 bis 1975, wonach als erwiesen angenommen werde, bei den angeblich von der V-AG dem Autoreifenhandel zur Verfügung gestellten Mittel handle es sich in Wirklichkeit um Eigenkapital des Beschwerdeführers. Unter Hinweis auf § 3 Abs 1 Z 2 ErbStG führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer übersehe bei seiner Argumentation, "er könne sich selbst nichts schenken", daß im Bereich der Schenkungssteuer die wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Hintergrund trete. Die Schenkungssteuer knüpfe vielmehr an zivilrechtliche Gestaltungen an. Bei Beurteilung der zivil(formal)rechtlichen Anknüpfungsmerkmale sei aber davon auszugehen, daß sich einerseits der Beschwerdeführer als natürliche Person anderseits die V-AG als juristische Person gegenüber gestanden seien. Zwischen zwei verschiedenen Rechtssubjekten könnten jedoch Schenkungen erfolgen. Der Einwand, wonach der Beschwerdeführer keine Bereicherungsabsicht gehabt habe, sei insofern unbeachtlich, als eine Zuwendung, bei der der Zuwendende, wenn er die Bereicherung schon nicht gewollt habe, diese aber doch bewußt in Kauf nehmen habe müssen, als freigebige anzusehen sei. Die belangte Behörde stellte abschließend fest, sie hätte die Absicht gehabt, mit der Entscheidung betreffend Schenkungssteuer bis zur (tatsächlichen) Klärung der Frage durch den Verwaltungsgerichtshof, ob das Vermögen der V-AG Eigenkapital des Beschwerdeführers darstelle, zuzuwarten. Wegen der Säumnisbeschwerde habe sie jedoch entscheiden müssen. Wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht noch ungewiß, aber wahrscheinlich sei, könne die Abgabenbehörde die Abgabe im Sinne des § 200 Abs 1 BAO vorläufig festsetzen. Es bestünden begründete Anhaltspunkte dafür, daß der schenkungssteuerpflichtige Tatbestand verwirklicht worden sei. Die Berufungsentscheidung sei daher vorläufig ergangen, weil die endgültigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ua betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1968 bis 1975 auch für die Frage der Schenkungssteuer grundlegend seien und sodann bei Erlassung der endgültigen Berufungsentscheidung berücksichtigt werden könnten. Die Erlassung einer vorläufigen Berufungsentscheidung sei somit aus Billigkeitserwägungen erfolgt.
Gegen diese Berufungsentscheidung wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf einen ordnungs- und gesetzmäßigen verwaltungsbehördlichen Abspruch insofern verletzt, als durch grundsätzliche Fehlinterpretation des gesamten Sachverhaltes echtes Beteiligungs- bzw Fremdkapital als sein Eigenkapital bezeichnet worden sei. Eine Rechtsverletzung erblickt der Beschwerdeführer auch in der grundsätzlichen "Fehlinterpretation" der belangten Behörde - selbst bei Zugrundelegung des ausdrücklich bekämpften Beteiligungs- bzw Fremdkapitals als sein Eigenkapital - als der von der Abgabenbehörde behauptete angeblich wahre wirtschaftliche Gehalt mit der Feststellung beiseite geschoben werde, "um eine Schenkungssteuer zu rechtfertigen, käme es nur auf die zivil(formal)rechtliche Gestaltung an".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf die ausdrückliche und unmißverständliche Bezeichnung der Beschwerdepunkte im Sinne des § 28 Abs 1 Z 4 VwGG sind diese einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht mehr zugänglich (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 245, sowie beispielsweise das hg Erkenntnis vom 18. September 1991, 91/13/0003). Es erübrigte sich daher, auf die Ausführungen betreffend die Rechtsfolgen des gemäß § 281 BAO erlassenen Aussetzungsbescheides einzugehen.
Gemäß § 200 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiß, aber wahrscheinlich .... ist.
Voraussetzung für die Erlassung eines vorläufigen Bescheides ist, daß die Abgabepflicht WAHRSCHEINLICH ist. Es müssen somit begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Abgabentatbestand bereits verwirklicht ist.
Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen getroffen, ob begründete Anhaltspunkte für die Verwirklichung des Tatbestandes der freigebigen Zuwendung bestehen. Sie hat sich darauf beschränkt, die Ausführungen in den erwähnten Berufungsentscheidungen ua betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1968 bis 1975 zum Bestandteil ihrer Entscheidung zu machen. Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt und weder ermittelt noch begründet, ob die Abgabepflicht wahrscheinlich ist, weswegen die Erlassung einer auch nur VORLÄUFIGEN Berufungsentscheidung unzulässig war.
Zwar hat es der Beschwerdeführer unterlassen, diese Rechtswidrigkeit ausdrücklich geltend zu machen. Wesentliche Verfahrensmängel sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne Antrag in der Beschwerde von Amts wegen wahrzunehmen (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 591). Daraus ergibt sich, daß die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG aufzuheben war.
Von einer Verhandlung konnte ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Stempelgebührenersatz konnte nur im Ausmaß von 600 S gewährt werden (Urkunde über die Erteilung der Vollmacht 120 S, drei Beschwerdeausfertigungen 360 S, eine Kopie der angefochtenen Berufungsentscheidung 30 S, Liquiditätstabelle 30 S, Liquiditätsdarstellung 30 S und Vorhaltsbeantwortung an die Großbetriebsprüfungsabteilung über die wirtschaftliche Entwicklung des Autoreifenhandels 30 S). Die Vorlage weiterer Schriftsätze war zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich.
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