VwGH 87/15/0034

VwGH87/15/00343.10.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der A-Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. April 1986, Zl. GA 11-2174/85, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

AktG §130;
AktG §131 Abs1;
KapBG §2 Abs3;
KapBG §3 Abs4;
KVG 1934 §2 Z1;
AktG §130;
AktG §131 Abs1;
KapBG §2 Abs3;
KapBG §3 Abs4;
KVG 1934 §2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Hauptversammlung der beschwerdeführenden Gesellschaft hat am 27. März 1985 beschlossen, das Grundkapital gemäß dem Kapitalberichtigungsgesetz aus Gesellschaftsmitteln um S 25 Mio auf S 50 Mio zu erhöhen. Die Erhöhung erfolgte durch die Umwandlung eines Teilbetrages von S 18,215.285,-- aus der gesetzlichen Rücklage und eines Teilbetrages von S 6,784.715,-- aus der freien Rücklage. Von dem Teilbetrag aus der gesetzlichen Rücklage ist wiederum ein Teilbetrag von S 17,865.285,-- schon seinerzeit der Gesellschaftsteuer unterlegen, da die gesetzliche Rücklage durch das Aufgeld bei ordentlichen Kapitalerhöhungen gebildet worden ist.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien setzte für den erstgenannten Rechtsvorgang gemäß § 2 Z. 1 Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) Gesellschaftsteuer, und zwar 2 % von S 25 Mio, d. s. S 500.000,--, fest.

In der dagegen erhobenen Berufung begehrte die Beschwerdeführerin die Minderung der Bemessungsgrundlage von S 25 Mio um S 17,865.285,-- deshalb, weil von diesem zur Kapitalerhöhung verwendeten Teil der gesetzlichen Rücklage bereits einmal Gesellschaftsteuer entrichtet worden sei. Auf Grund der Zweckbestimmung der Gesellschaftsteuer - sie erfasse die Zufuhr von Eigenkapital an inländische Kapitalgesellschaften - und der Struktur des Kapitalverkehrsteuergesetzes, welches für diese Rechtsvorgänge einen Haupttatbestand (§ 2 Z. 1 KVG) und mehrere Neben- bzw. Sondertatbestände (abgesehen vom Ersatztatbestand des § 3 KVG) kenne, dürfe bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Tatbestände - bei Vermögensbindung an ein und dieselbe Kapitalgesellschaft - eine Kapitalzuführung nur einmal besteuert werden.

Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, begehrte die Beschwerdeführerin deren Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung gleichfalls und im wesentlichen mit der Begründung ab, der Tatbestand des § 2 Z. 1 KVG stelle auf den ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten ab und lasse die Frage, woher die Mittel für die Kapitalaufbringung stammen, außer Betracht. Es könne daher nicht im interpretativen Weg eine Ausnahmebestimmung konstruiert werden.

Gegen diesen Bescheid wurde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG erhoben. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 16. März 1987, Zl. B 466/86-11, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Laut einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wie bereits im Verwaltungsverfahren damit begründet, daß zur Kapitalerhöhung bereits der Gesellschaftsteuer unterworfene Rücklagen im Betrage von S 17,865.285,-- bzw. S 18,215.285,-- verwendet worden seien. Die Beschwerdeführerin erachte sich daher insofern in ihrem Recht auf Gesellschaftsteuerfreiheit der Kapitalberichtigung aus Gesellschaftsmitteln beschwert. Wenn auch in den Materialien zum Kapitalverkehrsteuergesetz 1934 nicht nur von einer Zusammenballung, sondern auch von einer "Bewegung" unpersönlichen (anonymen) Kapitals die Rede sei, so gehe es immer nur um die erste Vergesellschaftung des Kapitals, gleichgültig, ob diese auf eine Zusammenballung oder auf eine Bewegung zurückzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 1 KVG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer.

Ungeachtet des Wortlautes der angeführten Gesetzesstelle, wonach die Steuerpflicht an den erstmaligen Erwerb von Gesellschaftsrechten geknüpft ist, vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, es hätte die Gesellschaftsteuer nicht von der gesamten Kapitalerhöhung von S 25 Mio festgesetzt werden dürfen. Ein Teilbetrag (in der Höhe von S 17,865.285,--) sei nämlich seinerzeit schon der Gesellschaftsteuer unterlegen, da die gesetzliche Rücklage durch das Aufgeld dotiert worden sei. Die Beschwerdeführerin argumentiert mit einem Zitat von Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz4, Anm. 2 zu § 2, wonach nur die erste Vergesellschaftung von Kapital durch die Gesellschaftsteuer erfaßt werde, gleichgültig, ob diese auf eine Zusammenballung oder auf eine Bewegung unpersönlichen (anonymen) Kapitals zurückzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hält die Beschwerde nicht für berechtigt. Die Beschwerdeführerin verkennt nämlich, daß - wie übrigens auch von Kinnebrock in seinem Zitat anerkannt wird - Gegenstand der Besteuerung der erste Erwerb und die Gegenleistung nur Steuermaßstab ist. Wenngleich Kinnebrock in diesem Zusammenhang ausführt, es wäre mit dem Zweck und der Bedeutung der Gesellschaftsteuer nicht zu vereinen, wenn lediglich die Umformung von versteuerten Gesellschaftsrechten eine Steuer auslösen sollte, obwohl eine neue und zusätzliche Vergesellschaftung von Kapital nicht eintrete, kann daraus für die Beschwerde schon deshalb nichts gewonnen werden, weil bei einer Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft aus Mitteln der gesetzlichen und der freien Rücklage nicht von einer bloßen Umformung bereits vorhandener Gesellschaftsrechte gesprochen werden kann.

Nach dem Aktiengesetz ist die Aktiengesellschaft eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (§ 1 AktienG). Die Aktionäre sind Mitglieder der Gesellschaft, aber nicht Miteigentümer des Unternehmens der AG, insbesondere stehen ihnen keinerlei dingliche Berechtigungen am Gesellschaftsvermögen zu. Die Gesellschafter haben Einlagen auf das in einzelne Anteile (Aktien) zerlegte Grundkapital zu leisten, wobei deren gesamter Nennwert dem Grundkapital entsprechen muß. Ist der Ausgabebetrag der Aktien höher als der Nennwert, so ist der Mehrbetrag, das sogenannte Aufgeld oder Agio (abzüglich der Kosten, Abgaben und Gebühren), der gesetzlichen Rücklage zuzuführen (§ 130 Abs. 2 Z. 2 AktienG). Rücklagen (Reserven) sind die über das Grundkapital hinausgehenden Teile des Eigenkapitals der Gesellschaft (vgl. Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3, 2. Bd., S. 240, ebenso Schiemer, Handkomm z AktG, Rz 37.1 zu § 131 AktG). An der mit dem erzielten Aufgeld oder Agio gebildeten gesetzlichen Rücklage stehen somit den Aktionären keine Gesellschaftsrechte zu. Die Höhe der Einlage wird zwar in diesem Fall nicht durch den Nennbetrag, sondern den höheren Ausgabebetrag der Aktie bestimmt (§ 49 Abs. 1 AktienG), dennoch wird vom Aktionär in einem solchen Fall nur ein dem Nennwert der Aktie entsprechender Anteil am Grundkapital erworben (vgl. Schiemer, a. a. O., Rz 3.1 zu § 9 AktG).

Werden - wie im gegenständlichen Fall - neben freien Rücklagen aus Aufgeld gebildete gesetzliche Rücklagen in zulässiger Weise (§ 2 Abs. 3 Kapitalberichtigungsgesetz, BGBl. Nr. 171/1967) in Grundkapital umgewandelt, so werden, weil § 3 Abs. 4 Kapitalberichtigungsgesetz vorschreibt, daß die neuen Anteilsrechte den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Nennkapital kraft Gesetzes zustehen, durch diese Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln neue entstandene Gesellschaftsrechte von den Gesellschaftern erstmalig erworben (vgl. Schiemer, a. a. O., Rz 4.1 zu § 3 KapitalberG). Im vorliegenden Fall wurde durch den Rechtsvorgang der Kapitalerhöhung - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht die Art der den Gesellschaftern zugeordneten Gesellschaftsrechte geändert, sondern es wurden neue bisher nicht existente Gesellschaftsrechte begründet, die von den Gesellschaftern erstmalig, wenn auch unentgeltlich, erworben wurden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag den Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht zu teilen, daß durch den seinerzeitigen Erwerb von Aktien durch die Gesellschafter zu einem über dem Nennbetrag gelegenen Ausgabebetrag eine erste Vergesellschaftung von Kapital in jenem von Kinnebrock gebrauchten Sinn hinsichtlich des Agios erblickt werden kann. Würde man nämlich der Beschwerdeführerin folgen, müßte man zu dem Schluß gelangen, daß keine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gesellschaftsteuerpflichtig wäre.

Es ist zwar zutreffend, daß der Rechtsvorgang des seinerzeitigen Erwerbes von Gesellschaftsrechten durch die Aktionäre zu einem über den Nennwert der Aktien gelegenen Ausgabekurs gemäß § 2 Z. 1 KVG gesellschaftsteuerpflichtig war und die Gesellschaftsteuer zufolge § 8 Z. 1 lit. a KVG vom gesamten als Gegenleistung zu erbringenden Geldbetrag zu entrichten war. Dies kann aber nichts daran ändern, daß das von den Gesellschaftern geleistete Aufgeld, das der gesetzlichen Rücklage zuzuführen war, keine Gesellschaftsrechte der Gesellschafter begründet hat, sondern zunächst Teil des nicht in Nennkapital bestehenden Gesellschaftsvermögens geworden ist. Zwischen dem seinerzeitigen Aktienerwerb und dem mit der nunmehrigen Kapitalerhöhung verbundenen neuerlichen Erwerb von Gesellschaftsrechten besteht kein anderer Zusammenhang als jener, daß die beschwerdeführende Gesellschaft den aus der seinerzeitigen Veräußerung von Gesellschaftsrechten erzielten Mehrerlös für die nunmehrige Kapitalerhöhung verwendet hat. Mangels Einheitlichkeit der beiden Rechtsvorgänge kann daher nicht von einer Doppelbesteuerung gesprochen werden, wenn jeder dieser Rechtsvorgänge gesellschaftsteuerpflichtig ist.

Im übrigen ist der belangten Behörde insofern beizupflichten, daß es für die Gesellschaftsteuerpflicht eines Rechtsvorganges gemäß § 2 Z. 1 KVG nicht darauf ankommt, aus welchen Mitteln neue Gesellschaftsrechte begründet werden, weil diese Gesetzesstelle nur an den Ersterwerb anknüpft, weshalb dieser Tatbestand gegeben ist, wenn die neu geschaffenen oder allenfalls umgewandelten Gesellschaftsrechte erstmalig erworben werden. Unterstützung erfährt diese Ansicht auch durch die Fassung des § 8 KVG insofern, als in Z. 1 lit. c des genannten Gesetzes beim Erwerb von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Z. 1 leg. cit. bestimmt ist, daß die Steuer vom Wert der Gesellschaftsrechte berechnet wird, wenn eine Gegenleistung - wie im vorliegenden Fall - nicht zu bewirken ist. Wenngleich diese Norm nur den Steuermaßstab regelt, läßt sie in der Gesamtschau des Gesetzes den Schluß zu, daß der Gesetzgeber bei Rechtsvorgängen nach § 2 Z. 1 KVG die Gesellschaftsteuerpflicht allein vom Erwerb von Gesellschaftsrechten durch den ersten Erwerber abhängig macht. Aus welchen Mitteln eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, ist für die Tatbestandsmäßigkeit eines Rechtsvorganges gemäß § 2 Z. 1 KVG nicht von Belang.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung wurde aus den in § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Gründen Abstand genommen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 3. Oktober 1988

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