Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
KapitalberechtigungsG
KVStG §2 Z1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
KapitalberechtigungsG
KVStG §2 Z1
Spruch:
Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Hauptversammlung der bf. Gesellschaft hat am 27. März 1985 beschlossen, das Grundkapital gemäß dem KapitalberichtigungsG aus Gesellschaftsmitteln um 25,000.000 S auf 50,000.000 S zu erhöhen. Die Erhöhung erfolgte durch Umwandlung von Teilbeträgen aus der gesetzlichen und der freien Rücklage, die zum Zeitpunkt der Beschlußfassung 23,215.285 S bzw. 24,500.000 S ausmachten.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien schrieb für diesen Vorgang gemäß §2 Z1 KVG Gesellschaftsteuer, und zwar 2 % von 25,000.000 S, d.s. 500.000 S vor. Die Berufung an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland blieb erfolglos.
2. Die Beschwerde macht eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend und wirft der bel. Beh. vor, daß sie dem §2 Z1 KVG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle. Durch die Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für den gesamten Betrag unterwerfe sie die bf. Gesellschaft hinsichtlich jenes Teilbetrages einer Doppelbesteuerung, der aus der gesetzlichen Rücklage stamme. Dieser Teilbetrag (in der Höhe von 17,865.285 S) sei nämlich seinerzeit schon der Gesellschaftsteuer unterlegen, da die gesetzliche Rücklage durch das Aufgeld bei ordentlichen Kapitalerhöhungen dotiert worden sei.
3. Die bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Wortlaut des §2 Z1 KVG unterwerfe jeden Ersterwerb von Gesellschaftsrechten der Gesellschaftsteuer. Die Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln (durch Umwandlung von Rücklagen) erfülle diesen Tatbestand. Das Gesetz stelle nicht darauf ab, woher die Mittel zur Kapitalerhöhung stammten. Im übrigen sei die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Sinne der Beschwerde nicht administrierbar.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Bei einer Aktiengesellschaft ist das Grundkapital in einzelne Anteile (Aktien) zerlegt, deren gesamter Nennwert dem Grundkapital entsprechen muß. Ist der Ausgabebetrag höher als der Nennwert, so ist der Mehrbetrag, das sog. Aufgeld oder Agio (abzüglich der Kosten, Abgaben und Gebühren) der gesetzlichen Rücklage zuzuführen (§130 Abs2 Z2 AktienG). Werden - wie im gegenständlichen Fall - offene Rücklagen in Grundkapital umgewandelt, spricht man von Kapitalberichtigung oder nomineller Kapitalerhöhung. Eine solche ist nach herrschender Auffassung zulässig (vgl. die Hinweise bei Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrecht4, 241), doch darf die gesetzliche Rücklage dabei nur insoweit herangezogen werden, daß sie nach der Kapitalberichtigung noch mindestens 10 % des Grundkapitals beträgt (§2 Abs3 KapitalberichtigungsG).
b) Gemäß §2 Z1 KVG unterliegt
"der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber"
der Gesellschaftsteuer. Die Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer ist - wenn die Gegenleistung in Geld besteht jener Geldbetrag, den ein Gesellschafter für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu entrichten hat (§8 Z1 lita KVG). Dies ist bei der Ausgabe von Aktien der Ausgabebetrag und nicht der Nennwert der Aktie. Das Aufgeld unterliegt daher neben dem Nennwert der Aktie der Gesellschaftsteuer.
2. Der bekämpfte Bescheid stützt sich auf §2 Z1 KVG; er geht von der Rechtsauffassung aus, daß auch eine nominelle Kapitalerhöhung zu einem Erwerb von Gesellschaftsrechten und damit zur Gesellschaftsteuerpflicht führt. In der Gegenschrift der bel. Beh. wird weiters darauf verwiesen, daß nach §2 des BG BGBl. 157/1966 beim Erwerb neuer Anteilsrechte im Sinne des §1 dieses Gesetzes (Erhöhung des Grundkapitals ausschließlich aus Gesellschaftsmitteln) die Gesellschaftsteuer vom Nennbetrag zu berechnen sei.
3. Die Beschwerde wendet im wesentlichen ein, daß durch die Gesellschaftsteuer die erste Vergesellschaftung von Kapital besteuert werde. Die für die Aufgeldbeträge schon erfolgte Vergesellschaftung sei nicht verlorengegangen; die abgeführte Gesellschaftsteuer müßte - verfassungsgemäß - angerechnet werden. Ferner behauptet die bf. Gesellschaft, daß es sachlich nicht gerechtfertigt sei, die Umwandlung von der Gesellschaftsteuer noch nicht unterworfenen Rücklagen und die Umwandlung von bereits von der Gesellschaftsteuer unterworfenen Rücklagen in Gesellschaftsrechte gleichermaßen der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen. Schließlich käme die Auslegung der Behörde einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung im Sinne des zur Zinsertragsteuer ergangenen Erkenntnisses vom 14. März 1986, B371/85, gleich.
4. Die Vorwürfe sind jedoch nicht berechtigt:
a) In der Lehre wird - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - die Auffassung vertreten, daß durch die Gesellschaftsteuer die Zufuhr von Eigenkapital an inländische Kapitalgesellschaften besteuert wird (vgl. zB Doralt-Ruppe, Steuerrecht II, 82). Dies trifft regelmäßig auch zu, doch kann der VfGH der Behörde unter dem Blickwinkel der von ihm wahrzunehmenden Rechtsverletzungen nicht entgegentreten, wenn sie im vorliegenden Fall auch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zum Anlaß einer Vorschreibung von Gesellschaftsteuer gemacht hat. Denn weder hat die Behörde damit die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen (vgl. Pkt. II.1.b) denkunmöglich angewendet noch hat sie ihnen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt: Wenn nämlich die bel. Beh. eine Auslegung wählt, die zu einer Besteuerung der Kapitalerhöhung führt, so unterstellt sie dem Gesetz damit keinen verfassungswidrigen Inhalt. Denn es ist dem Gesetzgeber weder durch den Gleichheitsgrundsatz noch durch andere verfassungsrechtliche Bestimmungen an sich verwehrt, auch den Vorgang einer Kapitalerhöhung als solchen zum Anknüpfungspunkt für eine Steuerpflicht zu nehmen und die Kapitalumschichtung innerhalb des Unternehmens einer Gesellschaftsteuer zu unterwerfen. Es kann die Art der Schichtung des Eigenkapitals angesichts der unterschiedlichen Funktionen von Grundkapital und Rücklagen für ein Unternehmen von Bedeutung sein. Wenn in einem solchen Fall ein Unternehmen eine Umschichtung vorzunehmen beabsichtigt, kann es sich dazu unter Abwägung aller Umstände (und eben auch der steuerlichen Konsequenzen) frei entscheiden. Unter diesen Voraussetzungen ist die Einbeziehung von Maßnahmen der Kapitalberichtigung in die Gesellschaftsteuerpflicht nicht verfassungswidrig. In diesem Sinne stützen auch die Materialien die Auslegung der bel. Beh., da in der Amtlichen Begründung zum Kapitalverkehrsteuergesetz als Ziel dieses Gesetzes u.a. auch genannt wird, die "Zusammenballung und Bewegung unpersönlichen (anonymen) Kapitals" zu besteuern (RStBl 1934, 1460).
b) Die von der Behörde gewählte Auslegung des Kapitalverkehrsteuergesetzes führt dazu, daß auch Beträge, die schon als Aufgeld der Gesellschaftsteuer unterworfen waren, (nochmals) als gesellschaftsteuerpflichtig qualifiziert werden. Aber auch gegen die damit bewirkte (von der bf. Gesellschaft als unsachlich angesehene) Gleichbehandlung von der Gesellschaftsteuer schon unterworfenen und nicht unterworfenen Rücklagen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Behörde hat dem angewendeten Gesetz keinen unsachlichen Inhalt unterstellt, wenn sie Beträge, die schon der Gesellschaftsteuer unterlegen waren, bevor sie der gesetzlichen Rücklage zugeführt wurden, anläßlich der Verwendung zur Kapitalerhöhung neuerlich besteuert hat. Bei diesen Teilbeträgen handelt es sich meist - so auch im vorliegenden Fall - um das Aufgeld, das in der gesetzlichen Rücklage gebunden ist. Die Überführung von Teilen der gesetzlichen Rücklage in das Grundkapital hat für die Gesellschaft regelmäßig andere Auswirkungen als die Kapitalberichtigung aus freien Rücklagen: Da gesetzliche Rücklagen nämlich nur zum Ausgleich von Verlusten verwendet werden dürfen, freie Rücklagen hingegen jederzeit zur Ausschüttung von Dividenden aufgelöst werden können, hat die Verwendung der gesetzlichen Rücklage zur (nominellen) Kapitalerhöhung daher schon deshalb eine teilweise andere wirtschaftliche Funktion als die Verwendung freier Rücklagen zu diesem Zweck. Darüberhinaus bindet die gesetzliche Rücklage das Gesellschaftsvermögen stärker als das Grundkapital selbst, da dieses - anders als die gesetzliche Rücklage - in Fällen des §175 Abs3 AktienG freigesetzt werden kann (vgl. dazu Schiemer, Kommentar zum Aktienrecht2, 540).
Es ist daher für die Gesellschaft auch unter diesen Aspekten relevant, wie ihr Vermögen geschichtet ist, ebenso wie dieser Umstand auch für die Gesellschafter von Bedeutung ist. Dem Gesetz zu unterstellen, eine Umschichtung ("Bewegung") - auch von schon der Gesellschaftsteuer unterlegenen Beträgen - zu besteuern, ist daher ansich nicht unsachlich. Eine Unsachlichkeit könnte allenfalls durch eine exzessive Höhe der Besteuerung des Umschichtungsvorganges bewirkt werden, die in concreto freilich nicht vorliegt.
c) Aber auch die unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 14. März 1986, B371/85, verfochtene Behauptung, die Behörde unterstelle dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt, weil sie eine doppelte Besteuerung derselben Gesellschaftereinlagen bewirke, ist verfehlt. In dem verwiesenen Fall war der Besteuerungsgegenstand (aber auch der Kreis der Abgabepflichtigen, nicht jedoch die Bestimmungen über die Steuerbemessung) in §1 Abs1 des Gesetzes über die Zinsertragsteuer mit jenem des Einkommensteuergesetzes identisch. Durch einen Sachverhalt wären also gleichzeitig zwei Steuertatbestände verwirklicht, was den VfGH veranlaßt hat, in verfassungskonformer Interpretation eine Anrechnungspflicht als gegeben anzunehmen. Im vorliegenden Fall wird durch zwei voneinander unabhängige und zeitlich getrennte Sachverhalte (zB ordentliche und nominelle Kapitalerhöhung) derselbe Tatbestand - nämlich der des §2 Z1 KVG - erfüllt.
d) Die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wäre. Daher war die Beschwerde abzuweisen.
und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).
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