VwGH 87/14/0013

VwGH87/14/00137.9.1990

X-GmbH gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. November 1986, Zl 348/1-3/Th-1986, betreffend Zurücknahme einer Berufung:

Normen

BAO §250 Abs1 litb;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1;
BAO §275;
BAO §250 Abs1 litb;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1;
BAO §275;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH das Spengler- und Dachdeckergewerbe. Im Zug einer vom 11. Dezember 1985 bis 15. Jänner 1986 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung betreffend die Jahre 1981 bis 1983 wurden umfangreiche formelle und materielle Mängel der Buchführung sowie betreffend die Jahre 1984 und 1985 verkürzt erklärte Umsatzsteuerzahllasten festgestellt. In der am 11. Feber 1986 durchgeführten Schlußbesprechung nahm die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Alleingeschäftsführer, der zu 100 % am Stammkapital beteiligt ist, die getroffenen Feststellungen zur Kenntnis.

Das Finanzamt erließ, den Ausführungen im gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht folgend, Bescheide betreffend Umsatz-, Körperschaft-, Gewerbe- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1981 bis 1983 sowie Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 1986 und Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Jahre 1984 und 1985 (in der Folge: Bescheide).

Am 24. März 1986 ersuchte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin um Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Bescheide bis zum 30. April 1986. Diesem Begehren entsprach das Finanzamt mit Bescheid vom 1. April 1986.

Am 29. April 1986 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Alleingeschäftsführer, gegen die Bescheide Berufung, die sie folgendermaßen begründete:

"Als Begründung möchte ich anführen, daß alle Bescheide zu

hoch eingerechnet wurden (insbesondere der versteckten Gewinnausschüttung). Durch persönliche Differenzen mit meinem Steuerberater .... bin ich gezwungen, einen anderen Steuerberater zu bestellen.

Ich beantrage daher eine nochmalige Prüfung meiner Aufzeichnungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Bis zur Bekanntgabe über die Entscheidung dieser Berufung werde ich einen neuen Steuerberater namhaft machen."

Mit Bescheid vom 7. Mai 1986 teilte das Finanzamt der Beschwerdeführerin mit, ihre Berufung vom 29. April 1986 weise die nachstehenden Mängel auf:

"Die Berufung entspricht inhaltlich nicht den Erfordernissen

des § 250 BAO. Sie muß enthalten:

  1. a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
  2. b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
  3. c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
  4. d) eine hinreichende Begründung."

    Weiters wurde die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 85 Abs 2 und § 275 BAO zur Behebung der Mängel bis zum 20. Mai 1986 aufgefordert und ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß bei Versäumung dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gelte.

Da die Beschwerdeführerin diesen Mängelbehebungsauftrag unbeantwortet ließ, dessen Zustellung jedoch nicht mit Rückschein erfolgt war, erließ das Finanzamt am 9. Juni 1986 neuerlich einen (sonst gleichlautenden) Bescheid, in dem es zur Mängelbehebung eine Frist bis zum 20. Juni 1986 setzte. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte nachweislich am 11. Juni 1986.

Die Beschwerdeführerin ließ jedoch auch diese Frist ungenützt verstreichen, worauf das Finanzamt mit Bescheid vom 23. Juni 1986 aussprach, die Berufung vom 29. April 1986 gelte gemäß § 275 BAO als zurückgenommen, wobei es zur Begründung ausführte, dem erteilten Mängelbehebungsauftrag sei nicht entsprochen worden.

Am 20. Juli 1986 erhob die Beschwerdeführerin, wiederum vertreten durch ihren Alleingeschäftsführer, eine "neuerliche" Berufung gegen den Bescheid vom 23. Juni 1986, in der sie zur Begründung folgendes ausführte:

"Zu a) Die neuerliche Berufung richtet sich im gesamten der Betriebsprüfungsbescheide vom 24.2.1986, 5.3.1986 in allen Punkten.

Zu b) Ich kann momentan nicht die einzelnen Punkte der Be-

scheide, gegen die sich die Berufung richtet, im ein-

zelnen nicht anführen, da ich dazu einen anderen Steuer-

berater beauftragen muß.

Zu c) Die beantragten Änderungen werden dann im einzelnen

bekanntgegeben. Weiters beantrage ich eine neuerliche

Prüfung zweiter Instanz.

Zu d) Die neuerliche Berufung begründe ich damit, daß ich wie

schon erwähnt, einen anderen Steuerberater beauftragen

muß, die einzelnen Punkte, insbesondere die der ver-

deckten Gewinnausschüttung der Kapitalertragsteuer,

der Gewerbesteuer sowie der Umsatzsteuer zu bearbeiten.

Da ich bereits mit einem Steuerberater gesprochen habe

und dieser mir zugesagt hat, nach Beendigung seiner

Urlaubszeit (nach dem 20.8.1986) meine Beratung zu

übernehmen.

Da ich keinerlei verdeckte Gewinnausschüttungen gemacht

habe und über keinerlei Bargeld flüssig verfüge, bin ich

der Meinung, daß die Festsetzung lt der Bescheide viel

zu hoch ist. Es wäre mir unmöglich, diese festgesetzten

Summen nur irgendwie aufzubringen. Ich gebe zu, daß

eventuell Fehlbuchungen gemacht worden sind, diese je-

doch auf Grund der Arbeitsüberlastung entstanden sind.

Ich stelle daher nochmals den Antrag auf eine neuer-

liche Prüfung durch die zweite Instanz. ...."

 

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, sie sei dem ihr erteilten Mängelbehebungsauftrag innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen. In der "neuerlichen" Berufung vom 20. Juli 1986 werde nicht behauptet, daß der Mängelbehebungsauftrag ungerechtfertigt erlassen worden sei.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bekämpfte die Beschwerdeführerin, wiederum vertreten durch ihren Alleingeschäftsführer, AUSSCHLIESZLICH die Richtigkeit der vom Prüfer getroffenen Feststellungen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der Bestimmungen des § 250 Abs 1 und § 275 BAO im wesentlichen mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe dem gerechtfertigten Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen. In den nach Ablauf der gesetzten Frist eingebrachten Schriftsätzen sei nicht dargetan worden, daß der Mängelbehebungsauftrag zu Unrecht ergangen sei. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin in ihrer "neuerlichen" Berufung vom 20. Juli 1986 sowie im Vorlageantrag nur Einwendungen gegen die auf Grund der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Bescheide erhoben. Dieses Vorbringen sei jedoch nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. Juni 1986, in dem ausgesprochen worden sei, die Berufung vom 29. April 1986 gelte als zurückgenommen, aufzuzeigen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung über ihre Berufung vom 29. April 1986 verletzt und macht insofern sowohl Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.

In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Was die zunächst behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das FINANZAMT betrifft, ist der Beschwerdeführerin zu erwidern, daß der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof NUR der angefochtene Bescheid, nicht jedoch der des Finanzamtes unterliegt. Überdies kann die Beschwerdeführerin dadurch, daß ihr seitens des Finanzamtes zweimal ein Auftrag zur Mängelbehebung mit völlig identem Inhalt, naturgemäß jedoch mit einer anderen Frist, erteilt wurde, nicht in ihren Rechten verletzt sein. Denn das Finanzamt ist zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, daß der (erste) Mängelbehebungsauftrag vom 7. Mai 1986 nicht zugestellt wurde und somit keine Wirkung entfaltet hat. Erst nach Nichterfüllung des (zweiten) Mängelbehebungsauftrages vom 9. Juni 1986 hat das Finanzamt die vom Gesetz geforderten Konsequenzen mit Bescheid vom 23. Juni 1986 gezogen. Der (zweite) Mängelbehebungsauftrag war seinem Umfang und seiner Terminisierung nach klar umrissen, sodaß auch einem "juristischen Laien" erkennbar sein mußte, welche Ergänzungen innerhalb welcher Frist zu erbringen waren. Die Rüge der Beschwerdeführerin, das Finanzamt hätte der im § 113 BAO normierten Manuduktionspflicht nicht entsprochen, ist nicht berechtigt. Denn einerseits war die Beschwerdeführerin (nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens und der Ausführungen in der Gegenschrift) stets durch einen - wenn auch aus welchen Gründen immer nur zu Beginn des Berufungsverfahrens tätig gewordenen - Wirtschaftstreuhänder vertreten, anderseits hat sie kein Verlangen gestellt, ihr die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Ein derartiges Verlangen hätte überdies nur zu einer Wiederholung des Inhaltes des Mängelbehebungsauftrages führen können.

Mit der bloß inhaltsleeren Behauptung, der Sachverhalt wäre nicht vollständig geklärt worden, zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch von sich aus nicht zu erkennen, durch welch weitere Ermittlungen die belangte Behörde zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid kommen hätte können.

Unbestritten ist, daß der (zweite) Mängelbehebungsauftrag vom 9. Juni 1986 innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllt wurde. Die Beschwerdeführerin behauptet weder, daß die gesetzte Frist zu kurz bemessen gewesen wäre, noch daß die "neuerliche" Berufung vom 20. Juli 1986 eine - wenn auch verspätete - Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages darstelle. Sie meint jedoch, es wäre der Abgabenbehörde bei entsprechender Interpretation des Vorbringens möglich gewesen, über die Berufung vom 29. April 1986 ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages zu entscheiden. Dieser Ansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof nicht an. Die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages liegt nicht im Ermessen der Behörde. Fehlen einer Berufungsschrift jene Erfordernisse, die im § 250 Abs 1 BAO erschöpfend aufgezählt sind, MUSS die Behörde Maßnahmen nach § 275 leg cit setzen. Im vorliegenden Fall wäre zwar noch erkennbar gewesen, daß sich die Berufung gegen jene Bescheide richtet, die auf Grund der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung ergangen sind. Die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen mit welcher Begründung beantragt werden, war jedoch auch bei einer der Beschwerdeführerin vorschwebenden entsprechenden Interpretation des Berufungsvorbringens nicht mehr erkennbar. Der vom Finanzamt erteilte Mängelbehebungsauftrag erging daher zumindest hinsichtlich der Aufforderung, innerhalb bestimmter Frist bekanntzugeben, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen mit welcher Begründung beantragt werden, zu Recht. In der Vorgangsweise des Finanzamtes kann im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin kein überspitzter Formalismus erblickt werden, weil die im § 275 BAO normierte Vorgangsweise dazu dienen soll, jene Formerfordernisse, die für ein Rechtsmittelverfahren vorgesehen sind, dem Gesetz gemäß zu beachten. Dazu kommt, daß für die Behebung von Mängeln ein besonderes Verfahren vorgesehen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Jänner 1986, Zl 85/15/0277). Dieses Verfahren erübrigt sich nur dann, wenn ein Vorhalt zur Sachverhaltsklärung ausreichend ist. Bevor jedoch mit der Sachverhaltserklärung begonnen werden darf, müssen die für ein Rechtsmittelverfahren vorgesehenen Formerfordernisse erfüllt sein. Daß die im wesentlichen wiedergegebene Berufung vom 29. April 1986 in drei Punkten nicht den in § 250 Abs 1 BAO vorgesehenen Formerfordernissen entsprochen hat, ergibt sich bereits aus deren Inhalt, weswegen seitens der Abgabenbehörde weitere Ermittlungen erst nach Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages vorgenommen hätten werden dürfen.

Da somit die Erteilung des Mängelbehebungsauftrages nicht rechtswidrig war, dieser innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllt wurde, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl Nr 206, insbesondere deren Art III.

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