Normen
BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §30 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987130096.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1981 sowie auf die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1981 und die Vorauszahlungen an Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1986 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.170,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, welcher sich in den von ihm abgegebenen Steuererklärungen selbst als Sportlehrer bezeichnet, ist gewerblich als Dressman, teilweise selbständig und teilweise unselbständig als Tennis- bzw. Schilehrer tätig.
Die Veranlagungen des Beschwerdeführers für die Jahre 1980, 1982 und 1983 erfolgten im wesentlichen auf Grund der von ihm beigebrachten Erklärungen. Die betreffenden Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Im Zuge der Veranlagung für das Jahr 1981 erging an den Beschwerdeführer ein Vorhalt vom 10. November 1982, mit welchem er eingeladen wurde, "den Beschluß des Bezirksgerichtes bezüglich der Alimentation und eine Aufstellung" seiner "Einnahmen und Ausgaben beizubringen". Diesen Vorhalt erledigte der Beschwerdeführer - was nicht in Streit steht - im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der für ihn zuständigen Referentin, worauf mit Bescheid vom 7. Dezember 1982 die Einkommensteuer 1981 mit geringfügigen Abweichungen von der Erklärung veranlagt wurde. Dieser Bescheid wurde im November 1983 gemäß § 293 BAO berichtigt.
Mit Bescheid vom 1. April 1985 wurde das Verfahren für 1981 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen und der Spekulationsgewinn aus dem 1981 erfolgten Verkauf der nach Auffassung des Finanzamtes erst 1979 (Zeitpunkt des Abschlusses des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages) erworbenen Eigentumswohnung in W, F-gasse, der Einkommensteuer unterzogen. Der Veräußerungsgewinn wurde vom Finanzamt mit dem Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis (laut einer Vorhaltsbeantwortung vom 5. August 1981 S 144.000,--) und dem Verkaufspreis (laut Abgabenerklärung zur Grunderwerbsteuer vom 17. Juni 1981 S 837.356,--) mit S 693.356,-- angesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er ausführte, daß er die in Rede stehende Eigentumswohnung bereits am 13. März 1974 bei der Baugenossenschaft "N" gekauft und bereits Anfang 1975 bewohnt habe. Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Im Zuge des zweitinstanzlichen Verfahrens wurde hinsichtlich der Streitjahre 1980 bis 1983 eine Betriebsprüfung durchgeführt, in deren Rahmen als Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 4 BAO "grobe Verstöße des Beschwerdeführers gegen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften gemäß § 132 Abs. 1 BAO" (siehe auch die diesbezüglichen ausdrücklichen Ausführungen in der Gegenschrift) festgestellt wurden. Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungs- und Schätzungsverfahrens wurden sodann die steuerlichen Bemessungsgrundlagen für die in Rede stehenden Jahre ermittelt und vom Finanzamt den entsprechenden Abgabenbescheiden zugrunde gelegt.
Gegen diese Bescheide, einschließlich der Bescheide betreffend die Festsetzung der Vorauszahlungen für Gewerbesteuer und Einkommensteuer 1986, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er primär die Auffassung vertrat, daß hinsichtlich des rechtskräftig veranlagten Kalenderjahres 1981 (auf die anderen Streitjahre wird diesbezüglich konkret nicht eingegangen) keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien und daher die durchgeführte Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gerechtfertigt wäre. Er verwies in diesem Zusammenhang auf seine Vorsprache bei der zuständigen Veranlagungsreferentin anläßlich des an ihn gerichteten Vorhaltes vom 10. November 1982 und führte aus, dieselbe habe im Rahmen dieses Gespräches "sämtliche für die Besteuerung des Kalenderjahres 1981 maßgebende Umstände erforscht". Diese hätten in der Folge ihren Niederschlag "im Bescheid 1981" gefunden. In diesem Zusammenhang stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die "seinerzeitige Veranlagungsreferentin" zu vernehmen.
Hinsichtlich der von der Betriebsprüfung durchgeführten Schätzung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß die in Rede stehenden steuerlichen Bemessungsgrundlagen zu hoch angenommen worden seien. Im einzelnen bemängelte der Beschwerdeführer, aus dem Prüfungsbericht gehe nicht hervor, auf Grund welcher Tatsachen der Umsatz für 1980 bis 1982 mit jeweils S 330.000,-- geschätzt worden sei. Derselbe enthalte auch keine Angaben darüber, warum die vom Beschwerdeführer dargelegten Lebensverhältnisse und Kosten seiner Lebensführung völlig ignoriert worden seien.
Auch die schätzungsweise angenommenen Lebenshaltungskosten von S 120.000,-- jährlich entsprächen nicht den Tatsachen. Der Ansatz eines Geldbetrages für den Autokauf 1980 (S 37.000,--) sei falsch, weil hiefür seine Lebensgefährtin und seine Mutter einen Betrag geleistet hätten. Die Berechnung der Finanzierung des Kaufes einer Eigentumswohnung in A sei unrichtig, weil die Betriebsprüfung entgegen jeder Erfahrung des täglichen Lebens und völlig unbegründet davon ausgegangen sei, daß sämtliche Eigenmittel im Zeitraum 1. Jänner 1980 bis Oktober 1981 auf nicht erklärte Umsätze zurückzuführen seien.
Mit Eingabe vom 1. August 1986 ergänzte der Beschwerdeführer diese Berufung "hinsichtlich der Gewerbe- und Einkommensteuervorauszahlungen 1986", indem er darauf hinwies, daß er derzeit arbeitslos sei und seine veranlagungspflichtigen Einkünfte 1986 voraussichtlich weniger als S 20.000,-- betragen würden. Er bestreite "seinen Lebensunterhalt aus dem Arbeitslosengeld".
Über Vorhalt vom 28. Juli 1986 legte der Beschwerdeführer eine Aufgliederung der erklärten Betriebseinnahmen in auf volle S 1.000,-- gerundeten Pauschalbeträgen vor und führte in diesem Zusammenhang auch Personen an, welchen er Tennisunterricht erteilt haben wollte.
Dem Ersuchen, ein BAWAG-Sparbuch vorzulegen kam der Beschwerdeführer nicht nach. Dieses Sparbuch mit einem Stand zum 1. Jänner 1981 von S 73.000,-- sei über ein Konto bei der BAWAG, welches am 31. Dezember 1981 einen Schuldenstand von S 66.569,62 ausgewiesen habe, eingelöst worden und existiere nicht mehr. Weitere Eingänge auf dem genannten Konto stammten aus Überweisungen aus dem Wohnungsverkauf und aus Rückzahlungen aus dem TH gewährten Darlehen. Diese Darlehensforderung habe am 1. Jänner 1981 S 86.000,-- betragen und sei zuzüglich Zinsen von S 10.000,-- im ersten Halbjahr 1981 zurückgezahlt worden.
Die Aufforderung in dem genannten Vorhalt "die Ersparnisse laut Vorhaltsbeantwortung 1981 und 1982 betragsmäßig bekanntzugeben" (der Beschwerdeführer hatte im Zuge der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Jänner 1981 und 1982 die Mittelaufbringung für den Kauf einer Wohnung in A und für den Kauf eines Pkws teilweise mit "Ersparnissen" begründet) beantwortete der Beschwerdeführer konkret nicht. Er führte nur aus, daß zur Ausfinanzierung des Wohnungskaufes im Oktober 1981 von einem NM ein Darlehen von S 100.000,-- aufgenommen worden sei. Der Schuldensaldo habe zum 31. Dezember 1982 S 62.000,-- betragen.
Was seine Unterstützung durch die Mutter und die Lebensgefährtin anlange, führte der Beschwerdeführer aus, daß er von beiden Frauen häufig zum Abendessen eingeladen werde. Außerdem leiste seine Mutter einen Spesenbeitrag für das Kraftfahrzeug von jährlich rund S 6.000,--.
Hiezu berichtete das Finanzamt der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer in seiner oben angeführten Vorhaltsbeantwortung genannten Tennisschüler weder im Telefonbuch noch im Herold-Adressbuch, aber auch nicht bei den entsprechenden Tennisclubs hätten ausgeforscht werden können. Die Dressmanhonorare seien nur im Ausmaß der während der Betriebsprüfung nachgewiesenen Zahlungen genau bekanntgegeben worden. Für die Differenz zu den insgesamt erklärten Betriebseinnahmen gebe es keine entsprechenden Angaben.
Was das angebliche Darlehen an TH betreffe, sei festgestellt worden, daß dieser seit Jahren mit dem Beschwerdeführer befreundet sei, die von diesem angegebene Wohnadresse des TH jedoch nicht stimme. Dieser habe im Zuge einer Vernehmung angegeben, er habe 1979 oder 1980 ein Darlehen von S 80.000,-- oder S 90.000,-- erhalten; nach Rückzahlung sei die Bestätigung über den Empfang des Darlehens jedoch vernichtet worden. In der Vermögensteuererklärung des TH zum 1.1.1980 scheine jedoch keine Darlehensschuld an den Beschwerdeführer auf.
In einem Gespräch mit der Mutter des Beschwerdeführers habe diese angegeben, sie sei nicht in der Lage, ihren Sohn zu unterstützen. Vielmehr gebe dieser ihr für den Erhalt eines Abendessens S 50,-- bis S 100,-- pro Einladung. Auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, AZ, habe regelmäßige Unterstützungen des Beschwerdeführers verneint.
Diese Ausführungen wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Mit seiner Stellungnahme hiezu legte er Schreiben seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter vor, in welchen diese ausführten, der Beschwerdeführer würde bei ihnen unentgeltlich essen und erhalte auch "Benzingeld".
NM bestätigte in einem Schreiben an den Steuerberater des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1987, daß der Beschwerdeführer von ihm im Oktober 1981 ein Darlehen von 100.000,-- erhalten habe und daß zur Zeit noch ein Betrag von 50.000,-- aushafte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufungen gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend die Umsatzsteuer 1980, 1982 und 1983 sowie die Einkommensteuer 1980 bis 1983 und gegen die Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1983, die Einkommensteuerbescheide 1980, 1982 und 1983 sowie die Gewerbesteuerbescheide 1980 bis 1983 und gegen die Einkommen- und Gewerbesteuervorauszahlungsbescheide 1986 abgewiesen, der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 aber teilweise Folge gegeben. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme der ehemaligen Veranlagungsreferentin zwecks Überprüfung der Frage, ob die von der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen über mangelhafte Aufzeichnungen des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Veranlagung 1981 amtsbekannt und aktenkundig gewesen sei, sei als unmaßgeblich abzulehnen. Der Beschwerdeführer habe kein Schriftstück vorzulegen und keine Äußerung der seinerzeitigen Sachbearbeiterin im Finanzamt zu präsentieren vermocht, welche seine Version, "es sei alles schon einmal vor Erlassung der Erstbescheide überprüft und in Ordnung befunden worden, bestätigen würde". Eine amtswegige Einvernahme der in Rede stehenden Bediensteten, "deren Verhalten dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich alle ordnungsgemäßen Unterlagen vorgelegt haben
sollte, völlig unverständlich bliebe ... und dann, wenn diese
Unterlagen nicht ordnungsgemäß wären, eine Pflichtwidrigkeit dargestellt hätte, konnte einer weiteren Sachverhaltsklärung ... nicht förderlich sein".
Was die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 1980, 1982 und 1983 sowie der Einkommensteuer 1980 bis 1983 anlange, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die Feststellungen des Betriebsprüfers nicht habe entkräften können. Die Unterdeckung bei den Lebenshaltungskosten und beim Vermögenszuwachs, welche mangels entsprechender Klärung im Zusammenhang mit den Erfahrungen des täglichen Lebens zur Annahme nichterklärter Umsätze habe führen müssen, sei zum Zeitpunkt der Erlassung der betreffenden Abgabenbescheide, die im nunmehr wiederaufgenommenen Verfahren beseitigt worden seien, noch nicht bekannt gewesen.
Dem Beschwerdeführer sei einzuräumen, daß das Faktum des 1981 erfolgten Wohnungsverkaufes an sich keinen Wiederaufnahmsgrund für die Veranlagung dieses Jahres habe darstellen können. Wäre es bei dieser Feststellung eines Spekulationsgeschäftes geblieben, wäre der Wiederaufnahme der rechtliche Boden entzogen gewesen. Die Betriebsprüfung habe andere Wiederaufnahmsgründe (Fehlen von nachprüfbaren Aufzeichnungen und Belegen für die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dressman und Sportlehrer, mangelnder Nachweis über den aktenkundigen Lebensunterhalt deckende Einnahmequellen) festgestellt, die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolge daher auch für 1981 zu Recht.
Im Verwaltungsverfahren sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen zu erklären, wie er mit einem Jahreseinkommen (vor Abzug der Steuer) von 1980 S 38.400,---, 1981 S 33.200,--, 1982 S 44.000, --, 1983 S 48.000, -- den Ankauf einer Eigentumswohnung in A, den Kauf und laufenden Betrieb eines Pkws, den Lebensunterhalt, die berufsbedingten Ausgaben und die Alimente für seine Tochter habe finanzieren können. Unklar sei auch geblieben, wie er sich ohne Grundaufzeichnungen die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Erteilung von Tennis- und Schiunterricht sowie aus seiner Tätigkeit als Dressman bis zur jeweiligen Erklärungslegung gemerkt habe. Der Beschwerdeführer habe aber auch nicht dargelegt, "wie sich die runden und offenbar gerundeten Beträge zusammensetzen".
Was das "Spekulationsgeschäft 1981" anlange, teile die belangte Behörde die Ansicht des Finanzamtes, wonach der Beschwerdeführer 1974 "bloß die Kaufanwartschaft, nicht jedoch das wirtschaftliche Eigentum an der 1981 veräußerten Wohnung erworben" habe. Der Beschwerdeführer habe "außer dem Anspruch auf späteren Abschluß eines Kaufvertrages" keinerlei Rechte in bezug auf die Liegenschaft und Eigentumswohnung erworben. Es hätten ihm daher die Voraussetzungen für die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers gefehlt.
Da jedoch der Gewinn aus dem Spekulationsgeschäft abweichend vom erstinstanzlichen Bescheid zu berechnen gewesen sei, sei der Berufung in diesem Punkt teilweise Folge zu geben gewesen.
Was die Einkünfte des Beschwerdeführers als Dressman, Tennis- und Schilehrer anlange, sei zu prüfen gewesen, ob die vom Beschwerdeführer "behaupteten Finanzierungsquellen der Wahrheit näher kamen bzw. ganz oder teilweise den Tatsachen mehr entsprachen", als die von der Finanzbehörde "vermuteten Unterdeckungen". Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben durch keine Erstaufzeichnungen oder Originalbelege untermauert habe, sei er auch im Zuge einer Nachprüfung seiner Angaben von den von ihm selbst nominierten Auskunftspersonen "der Wahrheitswidrigkeit in mehreren Punkten überführt" worden. Dies gelte insbesondere für die "Darlehensversionen" (TH und NM) sowie die angebliche Unterstützung durch Mutter und Freundin.
So sei umbestritten geblieben, daß ein vom Beschwerdeführer angeblich an TH gewährtes Darlehen in den Vermögensteuererklärungen der beiden Partner nie aufgeschienen sei und daß TH auf Grund seiner finanziellen Lage wohl keine "Überbrückungshilfe" seitens des Beschwerdeführers, der nach eigenen Angaben selbst kaum zahlungsfähig sei, benötigt habe. Im übrigen sei dieses Darlehen weder belegt noch bankmäßig nachgewiesen worden.
Auch bei dem angeblichen Darlehen des NM an den Beschwerdeführer, für welches ebenfalls jeglicher Nachweis fehle, handle es sich wohl nicht um einen wirklichen Geschäftsvorgang. Sei doch davon auszugehen, daß Teile des Wohnungskaufpreises 1981 angeblich bereits im April und Juni 1981 von einem trotz Aufforderung nicht offengelegten BAWAG-Konto abgehoben worden seien, worauf auf diesem eine Überziehung von S 260.000,-- entstanden sei; daraufhin solle NM ein nach außen nicht deklariertes Darlehen von S 100.000,-- im Oktober 1981 gewährt, aber schon im November S 38.000,-- zurückerhalten haben, während der Rest ohne Zinsvereinbarung bis heute - mit Ausnahme einer behaupteten Zahlung von S 12.000,-- im Dezember 1986 - nicht rückerstattet worden sei.
Bei den Aussagen der Mutter des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin gebe die belangte Behörde den diesbezüglichen älteren Versionen über die behauptete Unterstützung des Beschwerdeführers den Vorzug.
Daß es der Finanzbehörde nie möglich gewesen sei, die Angaben des Beschwerdeführers über seine Tennisschüler und die Höhe der Honorare für den Tennisunterricht auch nur in einem Fall zu überprüfen, da sämtliche angegebenen Personen unauffindbar gewesen seien, werfe ein zusätzliches Licht auf die Brauchbarkeit der Ausführungen des Beschwerdeführers.
Unter diesen Voraussetzungen könnten die an sich denkfolgerichtigen Sachverhaltsannahmen laut Prüfungsbericht keineswegs als weniger glaubwürdig oder als wirtschaftsfern angesehen werden. Die Behörde habe ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Das Ergebnis sei dem Beschwerdeführer vorgehalten worden; dieser habe dazu aber nicht Stellung bezogen.
Die Berufungen gegen die Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1983 und die Einkommensteuerbescheide 1980, 1982 und 1983 seien daher abzuweisen gewesen. Der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 1986 bleibe "aus den gleichen/selben Gründen, und weil für 1986 keine anderen Verhältnisse dargelegt worden seien", aufrecht.
Die gleichfalls angefochtenen Gewerbesteuerbescheide 1980 bis 1983 und der Bescheid betreffend die Gewerbesteuervorauszahlungen 1986 knüpften vollständig an die von der Betriebsprüfung ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Es genüge daher an die im zweitinstanzlichen Verfahren vorgehaltene Beweiswürdigung zu erinnern und die Entscheidungsgründe hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1980 bis 1983 "zum Bestandteil der Begründung hinsichtlich Gewerbesteuerjahres- und Vorauszahlungsbescheiden zu erheben".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ausdrücklich wird in der Beschwerde ausgeführt, daß sowohl die Umsatzsteuer als auch die Gewerbesteuer der Streitjahre "unter Zugrundelegung der unrichtigen Schätzung der Einkünfte" bemessen worden seien; es würden daher die gegen diese Schätzung vorgebrachten Einwendungen auch hinsichtlich der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist in erster Linie die Frage zu klären, ob die belangte Behörde mit Recht hinsichtlich der Streitjahre von dem Vorliegen entsprechender Wiederaufnahmsgründe gemäß § 303 Abs. 4 BAO ausgegangen ist oder nicht. Erweist sich nämlich die Auffassung der belangten Behörde als unrichtig, stellt sich der angefochtene Bescheid - mit Ausnahme des Abspruches über die Vorauszahlungsbescheide 1986 über welchen gesondert zu entscheiden wäre - zur Gänze - auch hinsichtlich der erlassenen Sachbescheide -
als rechtswidrig dar.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen und Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Im Beschwerdefall, in welchem zwischen den Parteien kein Streit besteht, daß das Faktum des Verkaufes der Eigentumswohnung des Beschwerdeführers in W, F-gasse im Hinblick darauf, daß dasselbe der Finanzverwaltung schon vor Durchführung des ersten Veranlagungsverfahrens für 1981 bekannt war, keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund für das genannte Jahr darstellt, erblickt die belangte Behörde solche Wiederaufnahmsgründe im wesentlichen in der konkret nicht bestrittenen Feststellung der Betriebsprüfung, wonach sich der Beschwerdeführer in den Streitjahren grober Verstöße gegen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften gemäß § 132 Abs. 1 BAO schuldig gemacht hat. Sie weist auch darauf hin, daß diese Umstände infolge der wegen der mangelhaften Aufzeichnungen durchzuführenden Schätzungen im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt haben.
Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 276 ff und die dort zitierte hg. Judikatur) ist es für die amtswegige Wiederaufnahme unmaßgeblich, ob die neuen Tatsachen im Erstverfahren verschuldet oder unverschuldet nicht berücksichtigt worden sind. Das bedeutet, daß auch ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgebenden Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstverfahren die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht ausschließt. Eine solche Wiederaufnahme kann jedoch nur auf Tatsachen gestützt werden, die neu hervorgekommen sind, von denen die Abgabenbehörde also bisher noch keine Kenntnis hatte. Die Wiederaufnahme führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluß brachte (vgl. Stoll, a.a.O. Seite 729 und die dort angeführte hg. Judikatur). Dies hat zur Folge, daß, wenn die Wiederaufnahme auf Grund einer neu hervorgekommenen Tatsache zulässig war, im wiederaufgenommenen Verfahren auch eine Änderung jener Bemessungsgrundlagen erfolgen darf, hinsichtlich derer keine neuen Tatsachen und Beweismittel gegeben sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. März 1971, Zl. 1754/69). Zu beachten ist allerdings, daß ein mangelhaftes Verfahren der Finanzverwaltung die positive Ermessensentscheidung betreffend eine Wiederaufnahme "im Lichte der Ermessenswidrigkeit (§ 20) erscheinen lassen" kann (vgl. Stoll, a.a.O. Seite 728).
Bei der gegebenen Sachlage teilt der Gerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, daß die Tatsache fehlender Aufzeichnungen des Beschwerdeführers in den Jahren 1980, 1982 und 1983 für das Finanzamt erst nach Erlassung der betreffenden "Erstbescheide" im Zuge der Betriebsprüfung neu hervorgekommen ist und dieser Umstand daher hinsichtlich der genannten Streitjahre jeweils einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 4 BAO darstellt. Dies gilt umsomehr, als auch der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen nicht schlüssig darzulegen vermochte, daß dem Finanzamt die in Rede stehende Tatsache schon anläßlich der Durchführung der jeweiligen Veranlagungen bekannt hätte sein müssen.
Gleiches kann allerdings hinsichtlich des Veranlagungsjahres 1981 nicht ohne weiteres gesagt werden; denn in diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer wiederholt dezidiert erklärt, daß er anläßlich einer Vorsprache bei der zuständigen Referentin diese über alle seine steuerlich relevanten Verhältnisse hinsichtlich der Veranlagung 1981 aufgeklärt hätte und zum Nachweis für diese Behauptung die Einvernahme der betreffenden Bediensteten beantragt. Die Gründe, mit welchen die belangte Behörde diesem Antrag des Beschwerdeführers nicht Folge gab, vermögen den Gerichtshof von der Richtigkeit der diesbezüglichen Vorgangsweise der belangten Behörde nicht zu überzeugen und bewegen sich zum Teil in Richtung auf eine unzulässige "vorweggenommene Beweiswürdigung". Damit aber erscheint der angefochtene Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1981 sowie hinsichtlich der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1981 mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der Vollständigkeit halber sei allerdings darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof in der im Rahmen der Veranlagung 1981 aufgeworfenen Frage des Laufes der Spekulationsfrist die von Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,
2. Auflage, Seite 671, vertretene Auffassung teilt, wonach, wenn beim Erwerb einer Eigentumswohnung vorerst nur ein Vorvertrag über den späteren Abschluß eines Wohnungseigentumsvertrages abgeschlossen wird, der Abschluß dieses Vorvertrages den Lauf der Spekulationsfrist auslöst, da der Vorvertrag das Verpflichtungsgeschäft darstellt, das den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums des Wohnungswerbers begründet.
Aber auch betreffend die Vorauszahlungen an Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1986 erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet; denn mit Recht rügt der Beschwerdeführer sinngemäß, daß die belangte Behörde auf seine Ausführungen, er sei 1986 arbeitslos gewesen und bestreite seinen Lebensunterhalt nur aus dem Arbeitslosengeld, mit keinem Wort eingegangen ist und sich mit diesen Behauptungen überhaupt nicht auseinandergesetzt hat.
Was schließlich die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Abgabenbescheide hinsichtlich der Jahre 1980, 1982 und 1983 anlangt, so vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß die Finanzverwaltung die entsprechende Schätzung nicht schlüssig durchgeführt hätte. Schlüssig erscheint insbesondere schon die Annahme, daß es unerklärlich sei, wie der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm erklärten Jahreseinnahmen, die von ihm unbestrittenermaßen getätigten Aufwendungen habe tragen können. Da sich im übrigen die ohnehin nur spärlichen und lediglich in gerundeten Beträgen angegebenen Einnahmen als Dressman und Sportlehrer praktisch jeglicher Überprüfung entzogen (Original- und Erstaufzeichnungen waren nicht vorhanden, die angeblichen Tennisschüler des Beschwerdeführers waren nicht auffindbar) erweist sich auch die Art der Schätzung auf der Basis angenommener Lebenshaltungskosten als durchaus vertretbar.
Was die Versuche des Beschwerdeführers anlangt, die Bestreitung der von ihm getätigten Aufwendungen (Ankauf einer Wohnung und eines Pkw etc.) durch empfangene Darlehen und Unterstützungen durch Mutter und Lebensgefährtin zu klären, so schließt sich der Gerichtshof den zu diesen Punkten von der belangten Behörde getroffenen schlüssigen Überlegungen an. Wird aber davon ausgegangen, daß diese verschiedenen, vom Beschwerdeführer behaupteten Unterstützungen für ihn tatsächlich nicht existiert haben, dann erscheint schon unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer in den Streitjahren getätigten Anschaffungen das von der belangten Behörde geschätzte Jahreseinkommen des Beschwerdeführers als durchaus realistisch.
Zu der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei nicht nur als Tennislehrer, sondern auch als Schilehrer teilweise selbständig tätig gewesen, vermag der Beschwerdeführer nicht mehr vorzubringen, als es widerspreche "nicht nur aus medizinischer Sicht sondern auch den Erfahrungen des täglichen Lebens", daß ein Mensch im Alter von mehr als 40 Jahren neben einer "Schilehreranstellung" auch noch als selbständiger Schilehrer tätig sein könne. Diese Ausführungen allein aber vermögen die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung nicht zu entkräften, da dieselbe entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durchaus nicht ohne weiteres allen Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht.
Was schließlich die Rüge des Beschwerdeführers anlangt, bei Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlagen seien zu Unrecht Aufwendungen an Gewerbesteuer in Abzug gebracht worden, genügt ein Hinweis auf die Ausführungen in der Gegenschrift, daß durch die "Berücksichtigung von Aufwendungen zugunsten der Partei"
eine "beschwerdefähige Rüge ... nicht abgeleitet werden kann".
Im Hinblick auf das Dargelegte war der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1981 sowie auf die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1981 und die Vorauszahlungen an Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1986 bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen war jedoch die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 9. November 1988
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