VwGH 87/07/0148

VwGH87/07/014831.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde der A-gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in Wien I., Führichgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Juli 1987, Zl. 510.939/02-I5/87, betreffend Verwirkung einer Wasserbenutzungsbewilligung gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
VwRallg;
WRG 1959 §27 Abs4;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
VwRallg;
WRG 1959 §27 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (LH) vom 7. Juni 1982 wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß §§ 32 Abs. 2 lit. a und 99 Abs. 1 lit. a WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der in ihrer (dem Standort nach näher bezeichneten) Betriebsanlage anfallenden betrieblichen Abwässer im Höchstausmaß von 4,25 l/s in die Donau unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen erteilt. Unter Punkt 1) der "Bedingungen" wurde festgelegt, daß die abgeleiteten Abwässer hinsichtlich der Temperatur und einer Anzahl weiterer, im einzelnen genannter Parameter bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen; darüber hinaus wurde die Einleitung bestimmter Stoffe (chlorierter Kohlenwasserstoffe, Phenole, organischer Lösungsmittel) zur Gänze untersagt. Dieser Bescheid ist unbestrittenermaßen in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Bescheid vom 10. November 1986 hat der LH nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gemäß §§ 27 Abs. 4 und 99 Abs. 1 lit. a WRG 1959 die unter 1. umschriebene wasserrechtliche Bewilligung der Beschwerdeführerin als verwirkt erklärt. Begründet wurde dieser Bescheid zusammenfassend damit, daß die zahlreichen Untersuchungsbefunde der Magistratsabteilung 15 - Hygienischbakteriologische Untersuchungsanstalt sowohl ein regelmäßiges Überschreiten der bescheidmäßig vorgeschriebenen Grenzwerte als auch das Vorhandensein "verbotener" Stoffe, wie Phenolen, aufgezeigt hätten, was erkennen lasse, daß die Beschwerdeführerin - ungeachtet wiederholter Mahnungen - beim Betrieb ihrer Anlage keine Maßnahmen setze, um die im öffentlichen Interesse vorgeschriebenen Bedingungen des Bewilligungsbescheides einzuhalten.

3. Der dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 21. Juli 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 4 WRG 1959 aus, die für die behördliche Erklärung nach dieser Gesetzesstelle normierte Voraussetzung einer mindestens zweimaligen Aufforderung des Wasserberechtigten durch die Wasserrechtsbehörde, die Auflagen zu erfüllen, sei vorliegend verwirklicht. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung eingeräumt, daß eine derartige Mahnung am 14. Juni 1984 und am 21. Jänner 1986 an sie ergangen sei. Zu der im Berufungsverfahren weiters zu prüfenden Frage, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich gegen die Bescheidbedingungen verstoßen habe, seien die Untersuchungsbefunde der Hygienischbakteriologischen Untersuchungsanstalt dem wasserbautechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde zur Begutachtung vorgelegt worden. Aus dessen Gutachten (vom 1. April 1987) folge, daß die Beschwerdeführerin die im Bewilligungsbescheid des LH vom 7. Juni 1982 festgelegten Bedingungen in zweierlei Hinsicht nicht eingehalten habe, nämlich einerseits durch Grenzwertüberschreitungen und anderseits durch Einleitung von Stoffen, die in den Abwässern aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin überhaupt nicht enthalten sein dürfen. Das besagte Gutachten sei der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden; diese habe zwar eine Stellungnahme dazu abgegeben, von der Möglichkeit der Vorlage eines Gegengutachtens jedoch nicht Gebrauch gemacht. Da die Beschwerdeführerin die im Bescheid vom 7. Juni 1982 enthaltenen Bedingungen nicht eingehalten und die Aufforderungen des LH, den konsensgemäßen Zustand herzustellen, ignoriert habe, sei die Entscheidung, womit das Wasserbenutzungsrecht für verwirkt erklärt worden sei, zu Recht ergangen.

4. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich dem gesamten Beschwerdevorbringen zufolge in ihrem Recht darauf verletzt, daß die ihr erteilte Wasserbenutzungsbewilligung nicht als verwirkt erklärt werde. Sie behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 kann der Landeshauptmann eine Bewilligung (zur Wasserbenutzung) als verwirkt erklären, wenn ungeachtet wiederholter Mahnung die anläßlich der Bewilligung oder Überprüfung gestellten Bedingungen nicht eingehalten werden. In den Fällen des § 100 steht diese Befugnis dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zu.

1.2. Dagegen, daß im Beschwerdefall der LH in erster Instanz eingeschritten ist, hat die Beschwerdeführerin keine Bedenken geltend gemacht. Im Hinblick auf § 99 Abs. 1 lit. a WRG 1959 - die Donau ist im Anhang A unter lit. a angeführt - hegt auch der Gerichtshof keine Zweifel daran, daß der LH die Zuständigkeit als Wasserrechtsbehörde erster Instanz zu Recht in Anspruch genommen hat. Des weiteren ist nicht zweifelhaft, daß es sich bei der als verwirkt erklärten Bewilligung zur Einleitung betrieblicher Abwässer in die Donau um eine Wasserbenutzungsbewilligung handelt, sodaß auch unter diesem Blickwinkel die Anwendung des § 27 Abs. 4 WRG 1959 rechtlich unbedenklich ist.

2.1. Die Beschwerde hält die Gebrauchnahme von § 27 Abs. 4 WRG 1959 im vorliegenden Fall deshalb für rechtswidrig, weil ihrer Meinung nach das Erfordernis "wiederholter" Mahnung nicht erfüllt ist. Davon, daß eine Mahnung auch in der Verhandlung vom 14. Juni 1984 erfolgt sei, könne, zumal eine solche nicht aktenkundig sei, keine Rede sein; bei dieser Verhandlung sei die Beschwerdeführerin lediglich zur Kenntnis gebracht worden, daß Grenzwertüberschreitungen festgestellt worden seien. Dieses Zurkenntnisbringen erfülle keinesfalls das Kriterium einer Mahnung nach § 27 Abs. 4 leg. cit., da dem Bewilligungsinhaber nicht nur die Nichteinhaltung von Bedingungen zur Kenntnis zu bringen sei, sondern er auch unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsfolgen dieser Gesetzesbestimmung zu ermahnen sei. Nur bei einer diesen Anforderungen genügenden Mahnung könne der Wasserberechtigte erkennen, daß die ihm erteilte Bewilligung bei weiterer Nichteinhaltung der Bedingungen für verwirkt erklärt werden könne. Im Hinblick auf diese Funktion erscheine es überdies notwendig, für die Mahnung Schriftlichkeit zu fordern. Da in dieser Form die Beschwerdeführerin lediglich einmal gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 gemahnt worden sei (Schreiben vom 21. Jänner 1986), erweise sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

2.2. Der Gerichtshof vermag diesem Beschwerdevorbringen nicht beizupflichten. Mit der belangten Behörde ist davon auszugehen, daß das Kriterium der "wiederholten" Mahnung dann erfüllt ist, wenn die Wasserrechtsbehörde den Wasserberechtigten mindestens zweimal zur Befolgung der Auflagen ermahnt hat. Dies ist im Beschwerdefall geschehen: Unbestritten ist, daß der LH die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Jänner 1986 aufgefordert hat, die Bedingungen des Bewilligungsbescheides vom 7. Juni 1982 einzuhalten, und er hiebei ausdrücklich auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 4 WRG 1959 hingewiesen hat. Ob die im Rahmen der am 14. Juni 1984 stattgefundenen Verhandlung mit der Beschwerdeführerin vorgenommene Erörterung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die nicht ausreichende Reinigungsleistung (so die Textierung der Verhandlungsausschreibung vom 25. Mai 1984) dem Erfordernis einer Mahnung im Sinne des § 27 Abs. 4 WRG 1959 genügt hat, kann dahinstehen, weil der LH mit dem - der belangten Behörde u.e. zur Kenntnis gebrachten - Schreiben vom 28. April 1987 die beschwerdeführende Partei neuerlich unter Bezugnahme auf die vorzitierte Gesetzesstelle aufgefordert hat, die Bedingungen des Bewilligungsbescheides einzuhalten. Mit dem zuletzt genannten Schreiben (laut dem in den Akten erliegenden Rückschein der Beschwerdeführerin am 30. April 1987 zugestellt) - dieses war von der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, da sie hiebei auf die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides maßgebende Sachlage abzustellen hatte - ist jedenfalls, selbst wenn man den von der Beschwerde an die Form einer Mahnung nach § 27 Abs. 4 WRG 1959 angelegten strengen Maßstab für zutreffend hielte, dem gesetzlichen Erfordernis einer mindestens zweimaligen Mahnung, die anläßlich der Bewilligung gestellten Bedingungen einzuhalten, entsprochen worden.

Die von der Beschwerdeführerin insoweit behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.

3.1. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht auf die von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren aufgezeigten Mängel der zur Begründung des erstinstanzlichen Bescheides herangezogenen Gutachten der "MA 15 - Gesundheitsamt" eingegangen ist. Die belangte Behörde hätte sich mit der Frage der bei der Gutachtenserstellung angewendeten Meßmethode und der herangezogenen Meßgeräte auseinandersetzen müssen. Auch durch das Gutachten des Amtssachverständigen der belangten Behörde sei nicht geklärt worden, aufgrund welcher Meßmethoden und Meßgeräte die Gutachten, die den erstinstanzlichen Feststellungen der Grenzwertüberschreitungen zugrunde lägen, erstellt worden seien.

3.2. Mit diesem Vorbringen läßt die Beschwerdeführerin außer acht, daß der im Berufungsverfahren tätig gewordene wasserbautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 1. April 1987 (der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 9. April 1987 in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt) dargelegt hat, daß etwa bei den von der "Bedingung 1" des Bewilligungsbescheides vom 7. Juni 1982 erfaßten Parametern BSB5 und SCB die Meßwerte die Sollwerte um das 2 bis 25-fache (um 200 bis 2500 %) und bei den Detergenzien um das 45-fache (um 4500 %) überschritten hätten, und er daraus den Schluß gezogen hat, daß diese Größenunterschiede zwischen Ist- und Sollwerten eindrücklich belegten, daß die wiederholt festgestellten Grenzwertüberschreitungen nicht mit - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - Mängeln der Analyse oder mit divergierenden Ansichten über die Auslegung der bescheidmäßig festgelegten Grenzwerte erklärt werden könnten. Diesem fachlichen Urteil, mit dem zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte derart eklatant seien, daß die Frage der Meßgenauigkeit und des angewendeten Analyseverfahrens nicht ins Gewicht fielen, ist die Beschwerdeführerin trotz ihr gebotener Gelegenheit nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegengetreten. Gleiches gilt hinsichtlich der Aussage des Amtssachverständigen, daß bei jenen Inhaltsstoffen, die überhaupt nicht im Abwasser enthalten sein dürfen (chlorierte Kohlenwasserstoffe, organische Lösungsmittel), die in einer Vielzahl von Befunden ausgewiesenen Werten der Mischproben so weit über der Nachweisgrenze lägen, daß kein Zweifel an der Existenz derartiger Stoffe in den Abwässern des Betriebes der Beschwerdeführerin bestehen könne. Da diese gutachtlichen Äußerungen nicht als unschlüssig anzusehen sind, hegt der Gerichtshof keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung auf dieses Fachurteil gestützt hat und darauf aufbauend zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin in wesentlichen Bereichen die Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheides vom 7. Juni 1982 nicht eingehalten hat.

4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht zu Unrecht das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 27 Abs. 4 WRG 1959 bejaht hat, liegt die behauptete Verletzung des vom Beschwerdepunkt (oben I.4.) erfaßten subjektiven Rechtes nicht vor. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 31. Mai 1988

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