VwGH 86/16/0173

VwGH86/16/01737.5.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde 1. der X Ges.m.b.H. in Y, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, 2. des A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Juni 1986, Zl. Jv 3625‑33a/86, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs7
GGG 1984 TP1 Anm1
GGG 1984 §2 Z1 lita
GGG 1984 §30 Abs2 Z1
GGG 1984 §31 Abs1 lita
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986160173.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit mit ihm ein Antrag auf Rückzahlung eines Mehrbetrages nach § 31 GGG in Höhe von S 225,‑‑ abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, überreichte am 18. September 1985 beim Bezirksgericht O eine gerichtliche Aufkündigung.

Am 25. März 1986 richtete der Kostenbeamte beim Bezirksgericht O an die Erstbeschwerdeführerin und an den gemäß § 31 Abs. 2 GGG mithaftenden Zweitbeschwerdeführer eine Zahlungsaufforderung für obgenannten Schriftsatz betreffend eine Pauschalgebühr in Höhe von S 450,‑‑ sowie einen Mehrbetrag gemäß § 31 Abs. 1 lit. a GGG in Höhe von S 225,‑‑, zusammen also über einen Betrag von S 675,‑‑. Dieser Betrag wurde vom Zweitbeschwerdeführer mittels Erlagscheines am 24. April 1986 entrichtet.

Mit einem an das Bezirksgericht O gerichteten Schriftsatz vom 22. April 1986 brachten die beiden Beschwerdeführer vor, durch die Aufkündigung sei kein Gebührenanspruch des Bundes entstanden, weshalb auch keine „Versäumung“ und damit kein „Erhebungsfall“ vorliege. Falls der Kostenbeamte diese Auffassung nicht teile, werde um die Erlassung eines Zahlungsauftrages ersucht, wobei der Rückzahlungsanspruch gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG vorbehalten bleibe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach der Präsident des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien aus, dem Rückzahlungsantrag werde nicht Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, nachdem die vorgeschriebene Pauschalgebühr mit dem „Mehrbetrag“ bereits entrichtet worden sei, habe der Kostenbeamte nach § 6 GEG 1962 keinen Zahlungsauftrag mehr erlassen können. Der Antrag sei daher als Rückzahlungsantrag zu behandeln, welcher sich allerdings als nicht gerechtfertigt erweise. Die vorliegende Aufkündigung falle unter die Anmerkung 1 zu TP 1 GGG Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGG sei daher die Gebührenpflicht mit der Überreichung der Aufkündigung entstanden. Da die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG nicht rechtzeitig entrichtet worden sei, sei auch die Vorschreibung des Mehrbetrages nach § 31 leg. cit. gerechtfertigt gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach ihrem Vorbringen erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Rückzahlung eines ohne Zahlungsauftrag entrichteten Betrages in Höhe von 50 % der Pauschalgebühr (S 225,‑‑) verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG sind Gebühren unter anderem zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.

Im Beschwerdefall wurden die fraglichen Gebühren ohne Zahlungsauftrag, lediglich auf Grund einer Zahlungsaufforderung nach § 14 GEG 1962, entrichtet. Die Entscheidung über vorliegende Beschwerde hängt daher unter anderem davon ab, ob die Zahlungsaufforderung hinsichtlich des Erhöhungsbetrages nach § 31 Abs. 1 lit. a GGG zu Recht erfolgte. Diese von der belangten Behörde angewendete Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

„S 31. (1) Wird der Anspruch des Bundes Überreichung der Eingabe (S 2 Z 1 lit a begründet und ist die Gebühr nicht oder bracht worden, so haben die zur Zahlung Personen den fehlenden Gebührenbetrag

a) in den Fällen des § 2 Z 1 lit a, b, e, Ausmaß von 150 % des jeweiligen Tarifansatzes ... zu entrichten.“

Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, in dem dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegenden Verfahren vor dem Bezirksgericht O sei der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr noch nicht mit der Überreichung in der Eingabe (S 2 Z. 1 lit. a GGG) entstanden, da eine Aufkündigung nach § 562 ZPO in der Anmerkung 1 zu Tarifpost 1 GGG nicht genannt sei.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, begründet:

1. hinsichtlich der Pauschalgebühren

a) für das zivilgerichtliche Verfahren in erster Instanz mit der Überreichung der Klage oder des in der Anmerkung 1 zur Tarifpost 1 angeführten Antrages, bei Protokollaranträgen mit dem Beginn der Niederschrift, bei prätorischen Vergleichen (5 433 ZPO) mit der Beurkundung durch den Richter ....

Anmerkung 1 zu Tarifpost 1 GGG hat folgenden Wortlaut:

„1. Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 unterliegen alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Schiedsgerichte, Bestandverfahren und Verfahren über Beweissicherungsanträge. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.“

Anmerkung 1 zu Tarifpost 1 GGG stellt also ‑ entgegen der Ansicht der beiden Beschwerdeführer ‑ nicht auf den das betreffende Verfahren jeweils einleitenden Schriftsatz (Klage, Beweissicherungsantrag) ab, sondern auf das jeweilige Verfahren selbst. Wenn es daher im § 2 Z. 1 lit. a GGG heißt: „... mit der Überreichung der Klage oder des in der Anmerkung 1 zu Tarifpost 1 angeführten Antrages ...“, so ist damit erkennbar neben der ausdrücklich als solcher genannten Klage der das betreffende Verfahren jeweils einleitende Schriftsatz gemeint. Die Auffassung der Beschwerdeführer, daß etwa im Falle der Aufkündigung die Gebührenpflicht „erst irgendwann“ (so der Schriftsatz vom 22. April 1986) „im Laufe des Verfahrens“ entsteht, ist somit verfehlt, zumal die Beschwerdeführer nicht sagen können, wann dies „im Laufe des Verfahrens“ der Fall sein sollte. Daß der Gebührenpflicht nach Tarifpost 1 GGG auch gerichtliche Aufkündigungen und Aufträge zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes unterliegen, entspricht im übrigen auch der Lehre (vgl. Tschugguel‑Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Seite 84, Anmerkung 7). § 84 Abs. 1 lit. a GGG war daher anzuwenden.

Mit Beschluß vom 19. Februar 1987, Zl. A 5/87, hat der Verwaltungsgerichtshof in vorliegender Rechtssache an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den Buchstaben „a,“ in § 31 Abs. 1 lit. a GGG als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Antrag wurde beim Verfassungsgerichtshof zu G 74/87 protokolliert.

Mit Erkenntnis vom 11. März 1987, G 257‑260/86‑6 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof die Buchstaben „a,“ und „e,“ in § 31 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts‑ und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz ‑ GGG), BGBl. Nr. 501, als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat weiters unter anderem ausgesprochen, daß der (aufgehobene) Buchstabe „a,“ auf jenen Tatbestand nicht mehr anzuwenden ist, der der beim Verfassungsgerichtshof zu G 74/87 anhängigen Rechtssache zugrundeliegt. Letzteres mit der Begründung, daß eine formelle Einbeziehung unter anderem dieses Antrages in das Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, der Verfassungsgerichtshof jedoch von der ihm gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B‑VG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht habe.

Da die oben genannte Gesetzesstelle hinsichtlich des Mehrbetrages Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides war und der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes ihre Anwendung auch auf den vorliegenden Rechtsstreit ausschließt, ist der angefochtene Bescheid ungeachtet des Umstandes, daß es sich hier um keinen Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B‑VG handelt, im Umfang des Beschwerdepunktes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/16/0242). Dies führt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aufhebung des Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG, und zwar, da der Ausspruch über die Abweisung des Rückzahlungsantrages hinsichtlich der Gebührenerhöhung von jenem hinsichtlich der Pauschalgebühr trennbar ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1978, Zl. 794/77), nur im erstgenannten, vom Beschwerdepunkt erfaßten Umfang.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §S 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Stempelgebühren waren nur im gesetzlichen Ausmaß zuzusprechen.

Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes sei auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, 7. Mai 1987

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