VwGH 86/14/0163

VwGH86/14/016331.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dorner, über die Beschwerde der X-Ges.m.b.H. & Co. Kommanditgesellschaft in S, vertreten durch DDr. Rolf R. Schlegl , Rechtsanwalt in Ebensee, Hauptstraße 21, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 28. August 1986, Zl. 69/2- GA3/H/85, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Zeit vom 1. Jänner 1979 bis 31. Dezember 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §47;
FamLAG 1967 §41 Abs1;
FamLAG 1967 §41 Abs2;
EStG 1972 §47;
FamLAG 1967 §41 Abs1;
FamLAG 1967 §41 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die einen Betrieb des Gast- und Beherbergungsgewerbes führt, hatte nach den Feststellungen eines Lohnsteuerprüfers in den Streitjahren 1979 bis 1983 durch jeweils drei Monate jeweils 8 Personen als "Ferialpraktikanten" beschäftigt und jeder dieser Personen monatlich S 2.500,--bezahlt. Von diesen Zahlungen forderte das Finanzamt dem Vorschlag des Lohnsteuerprüfers entsprechend bescheidmäßig den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Dienstgeberbeitrag) sowie den "Kammerzuschlag" gemäß § 57 Abs. 4 und 5 des Handelskammergesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 570/1979 mit insgesamt S 14.340,-- nach.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin im wesentlichen ein, die fraglichen Personen wären nicht Ferialpraktikanten gewesen, sondern Schüler, die in den Ferien ein Praktikum absolvieren müßten und deren im Betrieb verbrachte Zeit daher als Schulausbildung (praktischer Teil) und nicht als Arbeitszeit zu werten wäre. Die den Schülern bezahlten Taschengelder wären nicht dienstgeberbeitragspflichtig.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, worauf die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Auch die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Sie maß der Tatsache, daß jemand zum Zwecke der Aus- bzw. Weiterbildung beschäftigt werde, für die Beurteilung der Frage, ob ein Dienstverhältnis vorliege oder nicht, keine entscheidende Bedeutung bei. Einzig und allein die Einkünfte von ausländischen Ferialpraktikanten, die gegen Entgelt nicht länger als sechs Monate beschäftigt würden, seien nach § 3 Z. 17 EStG 1972 zu den steuerfreien Einkünften zu zählen, wären aber trotzdem Einkünfte aus einem Dienstverhältnis. Bei inländischen Ferialpraktikanten kenne das Gesetz eine solche Steuerfreiheit nicht.

Nach dem hg. Erkenntnis vom 23. September 1981, Zl. 13/2505/79, werde ein Großteil der Dienstnehmer insbesondere in der Anfangsphase des Dienstverhältnisses am Arbeitsplatz für die vorgesehene Tätigkeit ausgebildet, ohne daß dieser Umstand dazu führe, einem solchen Ausbildungsverhältnis die Eigenschaft eines Dienstverhältnisses abzusprechen. Denn gerade ein Ausbildungs- oder Weiterbildungsverhältnis spreche zwingend dafür, daß die Praktikanten "in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers stehen", wodurch eine Weisungsgebundenheit - eines der wichtigen Indizien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses - bestehe.

Die Beschwerdeführerin stelle eine Weisungsgebundenheit bzw. eine persönliche Abhängigkeit der bei ihr beschäftigten Personen mit der Begründung in Abrede, diese seien an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden gewesen, räume aber an anderer Stelle ein, daß auch "dieser Personenkreis in den betrieblichen Ablauf soweit eingegliedert ist, als dies die Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin notwendig macht." Daraus ergebe sich, daß die bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Schüler und Schülerinnen nur während der für den Betrieb geltenden Arbeitszeit hätten tätig werden können, worin der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis zumindest eine weitgehende faktische Bindung an diese Arbeitszeit erblickt habe.

Für das Vorliegen von Dienstverhältnissen spreche auch das für die Arbeitsleistung bezahlte Entgelt, das mit jeweils S 2.500,-

- über den Rahmen eines Taschengeldes sicherlich hinausgehe, weshalb auch von einer Volontärtätigkeit, die die Beschwerdeführerin übrigens ebenfalls verneint habe, nicht die Rede sein könne. Für die Zuordnung von Bezügen zu den Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit komme es auch gar nicht auf eine Berufsbezeichnung (Ferialpraktikant oder Volontär) an, sondern einzig und allein auf die tatsächlichen Verhältnisse und Umstände. Die Tätigkeit müsse dem "Tatbild" des § 47 Abs. 3 EStG 1972 entsprechen.

Schließlich treffe die Schüler auch kein Unternehmerrisiko, sodaß alle wesentlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, wie z.B. Einordnung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers, Weisungsgebundenheit, Einhaltung der betrieblichen Arbeitszeit, persönliche Arbeitspflicht, Arbeitslohn und nicht zuletzt das Fehlen des Unternehmerrisikos, gegeben seien. Am Rande werde noch bemerkt, daß keine Lohnsteuer angefallen sei, weil - ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit - Lohnsteuerkarten vorgelegt worden wären.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Im Beschwerdefall steht in Streit, ob die Schüler, die bei der Beschwerdeführerin in Ausbildung standen, im Sinne des § 41 Abs. 1 und 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) deren Dienstnehmer waren. Diese Dienstnehmereigenschaft wäre gemäß § 41 Abs. 2 FLAG gegeben, wenn die Schüler im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 EStG 1972 tätig geworden sind.

2. Der Beschwerdeführerin ist zuzubilligen, daß im Beschwerdefall nicht nur Merkmale bestehen, die für, sondern auch solche, die gegen ein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 EStG 1972 sprechen. Es ist daher zu prüfen, welche Merkmale überwiegen.

3. Indiz gegen ein Dienstverhältnis wäre an sich der Umstand, daß die Schüler den Betrieb laut Berufung jederzeit ohne Angabe von Gründen verlassen konnten. Dieses Indiz reicht jedoch, wie auch das hg. Erkenntnis vom 23. September 1981, Zl. 13/2505/79, zeigt, noch nicht aus, um ein Dienstverhältnis zu verneinen.

4. Auf ein Dienstverhältnis deutet hin, daß die Schüler nach dem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz "in der Regel mindestens in zwei, manchmal auch in drei verschiedenen Stationen des Betriebsgeschehens (Küche, Service, Rezeption, Etage) in einer Zeitspanne von nur 10 Wochen eingesetzt" werden. Das Beschwerdevorbringen, es sei den Schülern nicht vorgeschrieben gewesen, "zu welchen Zeitpunkten sie sich im Betriebsgeschehen des Hotelbetriebes der Beschwerdeführerin umzusehen haben", stellt demgegenüber eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar.

Im Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist auch dargelegt, daß die Schüler in den betrieblichen Ablauf soweit eingegliedert waren, als dies die Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin notwendig machte.

Die Beschwerde stellt weiters klar, daß die Dienstzeit der "allgemeinen Angestellten" auch die Zeit bestimmte, in der die Schüler "sich im Hotelbetrieb umsehen konnten", bzw., daß die Schüler die Praxis nur innerhalb der vorgegebenen Dienststunden erwerben konnten. Dies bedeutet aber zumindest eine weitgehende faktische Bindung an die betriebliche Arbeitszeit (siehe nochmals das Erkenntnis Zl. 13/2505/79).

Es widerspricht zudem jeder Erfahrung, daß ein Unternehmer in seinen Betrieb aufgenommenen Personen monatlich immerhin je S 2.500,-- ohne Gegenleistung bezahlt. Beträge in dieser Größenordnung weisen vielmehr bereits darauf hin, daß hiemit - wenn auch wegen der fehlenden Praxis notwendigerweise qualitativ begrenzte - Dienste der Schüler abgegolten wurden. Letztlich hat die Beschwerdeführerin nie behauptet, daß die Schüler in ihrem Betrieb nicht auch zu Arbeiten herangezogen wurden.

Wägt man das in Punkt 3 aufgezeigte Indiz gegen jene Merkmale ab, die nach Punkt 4 für ein Dienstverhältnis sprechen, so überwiegen die Merkmale eines Dienstverhältnisses im Sinne der von § 47 Abs. 3 EStG 1972 geforderten Eingliederung des Arbeitnehmers (der Schüler) in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers (der Beschwerdeführerin).

5. Der Beschwerde ist im einzelnen noch entgegenzuhalten:

5.1. Die Beschwerdeführerin rügt als Verfahrensmangel, daß sich die belangte Behörde nur mangelhaft mit ihrer Berufung auseinandergesetzt hätte. Dort hätte sie sehr ausführlich den Umfang der Tätigkeit der Schüler dargelegt.

Ein Blick in die Berufung zeigt jedoch, daß diese kaum Angaben über konkrete Tätigkeiten der Schüler enthält und den Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin in den Vordergrund stellt. Was aber die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (vor allem im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) zur Tätigkeit der Schüler vorbrachte (siehe die Punkte 3 und 4), läßt insgesamt auf ein Dienstverhältnis der Schüler schließen.

5.2. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß der Sachverhalt des Erkenntnisses Zl. 13/2505/79 mit jenem des vorliegenden Beschwerdefalles nicht völlig übereinstimmt. Das ändert aber nichts daran, daß das Vorerkenntnis Rechtsausführungen enthält, die auch auf den Beschwerdefall zutreffen.

5.3. Ob die Beschwerdeführerin deshalb, weil sie Schüler in ihrem Betrieb die erforderliche Praxis absolvieren läßt, "Erfüllungsgehilfe der Schule" ist, sei dahingestellt. Auf Grund der von ihr entlohnten Beschäftigung der Schüler in ihrem Betrieb ist die Beschwerdeführerin jedenfalls Dienstgeber im Sinne des § 41 Abs. 1 FLAG.

5.4. Ist der Tatbestand eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 3 EStG 1972 erfüllt, so ändert auch der Zweck, dem dieses Dienstverhältnis dient, nichts an der Tatbestandsverwirklichung. Die Schüler sind also nicht schon deshalb keine Dienstnehmer im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 FLAG, weil ihre Beschäftigung nach der Beschwerde überwiegend dem Zweck dient, die Schulausbildung zu ergänzen (vgl. auch nochmals das Erkenntnis Zl. 13/2505/79 sowie das Erkenntnis vom 23. März 1983, Zl. 82/13/0063).

5.5. Ein steuerliches Dienstverhältnis setzt auch nicht voraus, daß der Arbeitnehmer (Dienstnehmer) eine vollwertige Arbeitskraft ersetzt. Im Rahmen der Lehrverhältnisse, die regelmäßig dem Begriff des Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 3 EStG 1972) entsprechen, ersetzt der Lehrling sogar in den meisten Fällen keine vollwertige Arbeitskraft (siehe auch abermals das Erkenntnis Zl. 82/13/0063).

5.6. Es kommt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht darauf an, daß der den Schülern gezahlte Monatsbetrag von S 2.500,-- die Lebenshaltungskosten nicht erreichte und unter dem Existenzminimum lag, zumal sich die geringe Höhe des Betrages ohne weiteres dadurch erklärt, daß mit ihm die Arbeit von Personen abgegolten wurde, die eben - mit den Worten der Beschwerdeführerin - "keine vollwertige Arbeitskraft ersetzten".

Der Annahme der Beschwerdeführerin, die S 2.500,-- wären nicht mehr als ein Taschengeld, ist im übrigen entgegenzuhalten, daß dieser Betrag nicht entscheidend von vergleichbaren Lehrlingsentschädigungen abweicht (z.B. Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr laut den zwischen den Fachgruppen der Gastronomie sowie der Hotel- und Beherbergungsbetriebe im Lande Salzburg und der Gewerkschaft Hotel-, Gastgewerbe, persönlicher Dienst, Landesleitung Salzburg, vereinbarten Lohnordnungen für den Kellnerlehrling ab 1. Mai 1982 S 2.490,--, ab 1. Mai 1983 S 2.620,-

-, für Kochlehrling ab 1. Mai 1982 S 2.670,--, ab 1. Mai 1983 S 2.810,--, für Doppellehre ab 1. Mai 1982 S 2.600,-- und ab 1. Mai 1983 S 2.740,--).

5.7. Mit dem Erkenntnis vom 22. Jänner 1986, Zl. 84/13/0015, untermauerte die belangte Behörde ihre Auffassung, daß Hotelbedienstete ihre Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausführen. Wenn auch diese Folgerung nicht allgemein und losgelöst vom Sachverhalt des jeweiligen Falles gezogen werden kann, so ist sie doch nach der Lage des Beschwerdefalles angebracht.

6. Der angefochtene Bescheid entspricht somit der Rechtslage. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 31. März 1987

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