Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.427,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer schied am 1. April 1983 als Angehöriger der zweitmitbeteiligten Ordensgemeinschaft aus diesem Orden aus. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1985 sprach die erstmitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt aus, daß zufolge Erfüllung des Tatbestandes des § 314 ASVG für die Zeit vom 1. September 1939 bis 31. Jänner 1941 und vom 1. Juli 1945 bis 31. März 1983 ein Überweisungsbetrag zu entrichten sei. Die Entrichtung für die Zeit vom 1. Februar 1941 bis 30. Juni 1945 unterbleibe, zumal dieser Zeitraum eine Ersatzzeit gemäß § 228 Abs. 1 Z. 1 lit. a ASVG darstelle. Die Höhe des fälligen Überweisungsbetrages bestimme sich aus § 314 Abs. 4 ASVG. Zufolge Fehlens eines Entgeltes habe jener Betrag herangezogen zu werden, welcher der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten entspreche. Hiebei gelte unter Anwendung der Analogieregelung des § 7 ABGB ein nach § 9 Abs. 1 Z. 2 lit. b ARÜG festgesetzter Betrag, der mit S 11.061,70 beziffert sei. Der auf die 470 zu entrichtenden Überweisungsmonate entfallende Betrag von S 218.357,30 sei bei der erstmitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt bereits eingelangt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Darin machte er geltend, daß der Berechnung des Überweisungsbetrages ein zu niedriges Entgelt zugrunde gelegt worden sei. Richtigerweise hätte § 9 Abs. 1 Z. 2 lit. c ARÜG herangezogen werden müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Einspruch gemäß § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 66 Abs. 4 AVG 1950 zurück. Nach der Begründung sei dem ausgeschiedenen Ordensangehörigen im § 314 ASVG ein Antragsrecht nicht eingeräumt. Die genannte Bestimmung sei dem § 311 ASVG nachgebildet, wonach im Falle des Ausscheidens eines Dienstnehmers aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis der Dienstgeber an den zuständigen Pensionsversicherungträger einen Überweisungsbetrag zu leisten habe. Nach § 308 ASVG habe, wenn ein Versicherter in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen worden sei, der zuständige Versicherungsträger an den Dienstgeber auf dessen Antrag einen Überweisungsbetrag zu leisten. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 8. Jänner 1969, Zl. 951/68, zum Ausdruck gebracht, daß in einem Verfahren betreffend die Leistung eines Überweisungsbetrages für bestimmte Beschäftigungs-(Versicherungs-)zeiten gemäß § 308 ASVG dem betreffenden Dienstnehmer Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zukomme, und im Erkenntnis vom 12. Jänner 1972, Zl. 593/71, ausgesprochen, daß die gleichen Erwägungen auch dann gelten müßten, wenn es sich um die Parteistellung des betreffenden Dienstnehmers in einem Verwaltungsverfahren nach § 311 ASVG handle. In dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall sei die Leistung eines Überweisungsbetrages überhaupt abgelehnt worden. Demnach seien in den Fällen der §§ 308 und 311 ASVG Dienstnehmer Parteien, wenn die Zeit, für die ein Überweisungsbetrag zu leisten sei, festgestellt werde. Es wäre nicht gerechtfertigt, die Parteistellung in den Fällen des § 314 ASVG anders zu beurteilen. Somit sei auch in einem Überweisungsverfahren nach § 314 ASVG der ausgeschiedene Ordensangehörige nur insoweit Partei, als über die Zeit, für die ein Überweisungsbetrag zu leisten sei, abgesprochen werde. Sei wie im vorliegenden Fall lediglich die Höhe des fiktiven monatlichen Entgeltes strittig, so habe der ehemalige Ordensangehörige keine Parteistellung und damit auch kein Einspruchsrecht. Diese Rechtsauffassung werde durch die Tatsache erhärtet, daß z.B. in einem Beitragsnachrechnungsverfahren die Dienstnehmer, für die Beiträge nachverrechnet worden seien, nur insoweit als Parteien angesehen werden, als die Versicherungspflicht umstritten sei. Sei lediglich die Höhe der für einzelne Beitragszeiträume nachverrechneten Beiträge strittig, so seien die Dienstnehmer nicht Parteien. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese Rechtsauffassung nie in Frage gestellt. Im übrigen habe die Anstalt mit Erledigung vom 27. Juli 1984 dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß aufgrund des eingelangten Überweisungsbetrages von S 218.357,30 die (oben angeführten) Zeiten als Beitragszeiten vorgemerkt worden seien. Diese als Bescheid zu wertende Erledigung sei unangefochten in Rechtskraft erwachsen und stehe einer Änderung des Überweisungsbetrages entgegen. Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage sei der Einspruch als unzulässig zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen jedoch erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. u.a. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 85/08/0001). Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren genießt somit derjenige, dem die in diesem Verfahren anzuwendenden Verwaltungsvorschriften Berechtigungen einräumen oder Verpflichtungen auferlegen, dessen Rechtsstellung also vom Verfahren abhängig ist (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 273).
Es kommt daher auch für die im Beschwerdefall entscheidende Frage der Parteistellung des ausgeschiedenen Ordensmitgliedes in einem Verfahren zur Feststellung des Überweisungsbetrages nach § 314 ASVG darauf an, ob die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Ordensmitgliedes durch die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung berührt wird. Dies ist aus nachstehenden Überlegungen zu bejahen:
§ 314 ASVG hat folgenden Wortlaut:
"(1) Scheidet ein gemäß § 5 Abs. 1 Z. 7 von der Vollversicherung ausgenommener Geistlicher der Katholischen Kirche aus dem Geistlichen Stand bzw. ein Angehöriger eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw. der Kongregation aus, so hat die Diözese bzw. der Orden (die Kongregation), soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der auf Grund der vom Geistlichen bzw. vom Angehörigen des Ordens oder der Kongregation ausgeübten Tätigkeit zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten.
(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 entfällt beim Ausscheiden durch Tod; sie gilt auch nicht für versicherungsfreie Zeiten im Sinne des § 308 Abs. 2 und für Zeiten, für die ein besonderer Pensionsbeitrag nach den pensionsrechtlichen Bestimmungen eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers geleistet wurde.
(3) Wurde beim Ausscheiden eines Geistlichen bzw. eines Angehörigen eines Ordens oder einer Kongregation nach Abs. 1 eine widerrufliche oder befristete Versorgung gewährt, so besteht die Verpflichtung nach Abs. 1 erst nach Wegfall dieser Versorgung.
(4) Der Überweisungsbetrag beträgt für jeden Monat, der im Geistlichen Stand bzw. als Angehöriger eines Ordens oder einer Kongregation verbracht wurde, 7 v.H. des auf den Monat entfallenden Entgelts (§ 49), auf das der Geistliche bzw. der Angehörige des Ordens (der Kongregation) im letzten Monat vor seinem Ausscheiden Anspruch gehabt hat, höchstens jedoch von dem Betrag von S 1.800,--, wenn das Ausscheiden vor dem 1. August 1954 erfolgte bzw. bei späterem Ausscheiden höchstens vom 30fachen der im Zeitpunkt des Ausscheidens in Geltung gestandenen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 45 Abs. 1 lit. b). Bestand kein Anspruch auf Entgelt, so gilt als Entgelt ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten. Soweit während einer Zeit, die der Berechnung des Überweisungsbetrages zugrunde gelegt wird, Beiträge zur Pensionsversicherung entrichtet wurden, sind diese auf den Überweisungsbetrag anzurechnen.
(5) Der Überweisungsbetrag ist binnen 18 Monaten nach dem Ausscheiden nach Abs. 1 zu leisten, er ist bei verspäteter Flüssigmachung mit dem für das Jahr des Ausscheidens geltenden Aufwertungsfaktor nach § 108 c aufzuwerten.
(6) Die in dem nach Abs. 1 geleisteten Überweisungsbetrag berücksichtigten vollen Monate gelten als Beitragsmonate im Sinne dieses Bundesgesetzes."
Aus Abs. 6 dieser Bestimmung ergibt sich zunächst, daß die Feststellung des Überweisungsbetrages insofern unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Geistlichen oder Ordensangehörigen hat, als die dabei berücksichtigten vollen Monate als Beitragsmonate gelten, und zwar gemäß § 225 Abs. 1 Z. 6 als Beitragszeiten nach dem 31. Dezember 1955 und gemäß § 226 Abs. 2 lit. d ASVG als Beitragszeiten vor dem 1. Jänner 1956. Daraus folgt, daß dem Geistlichen oder Ordensangehörigen im Verfahren zur Feststellung des Überweisungsbetrages jedenfalls Parteistellung in bezug auf den bei dieser Feststellung zu berücksichtigenden Zeitraum zukommt. Dies gesteht auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu.
Es kommt aber auch dem der Berechnung des Überweisungsbetrages zugrunde zu legenden Entgelt über die Feststellung der Höhe des Überweisungsbetrages hinaus rechtliche Bedeutung insoweit zu, als der nach § 314 Abs. 4 ASVG als Entgelt geltende Betrag nach § 243 Z. 1 leg. cit. Beitragsgrundlage für die Beitragszeiten nach § 225 Abs. 1 Z. 6 und nach § 243 Z. 2 lit. g ASVG Beitragsgrundlage für vor dem 1. Jänner 1956 gelegene Beitragszeiten nach § 226 Abs. 2 lit. d ist. Die Feststellung des der Berechnung des Überweisungsbetrages zugrunde zu legenden Entgeltes kann somit Auswirkungen auch im Bereich des Leistungsrechtes haben. Aus diesem Grunde kann dem ausgeschiedenen Geistlichen oder Ordensangehörigen ein rechtliches Interesse auch an der Feststellung dieses Entgeltes nicht abgesprochen werden. Der Geistliche oder Ordensangehörige hat daher im Verfahren zur Feststellung des Überweisungsbetrages nach § 314 ASVG sowohl in Ansehung des zu berücksichtigenden Zeitraumes als auch in Ansehung des zugrunde zu legenden Entgeltes Parteistellung.
Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde bei der Zurückweisung des Einspruches des Beschwerdeführers.
Ihr Hinweis auf die zu den §§ 308, 311 ASVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht schon deshalb fehl, weil den von ihr zitierten Erkenntnissen kein Rechtssatz zu entnehmen ist, daß die Parteistellung der Dienstnehmer auf den Abspruch über die "Zeit, für die ein Überweisungsbetrag zu leisten ist," beschränkt wäre. Das weitere Argument, daß dem Dienstnehmer auch in einem "Beitragsnachverrechnungsverfahren" keine Parteistellung zukäme, trifft jedenfalls insoferne nicht zu, als dem Dienstnehmer in einem Verfahren, das die bescheidmäßige Feststellung der für ihn maßgebenden Beitragsgrundlagen zum Gegenstand hat, kraft seines rechtlichen Interesses an dieser Feststellung gleichfalls Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950 einzuräumen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat dem Dienstnehmer in einem solchen Fall die Parteistellung nicht verwehrt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/08/0103).
Verfehlt ist schließlich auch die Bezugnahme der belangten Behörde auf die Mitteilung der erstmitbeteiligten Partei vom 27. Juli 1984. In diesem an die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs gerichteten, nicht als Bescheid bezeichneten Schreiben, von dem der Beschwerdeführer "durchschriftlich" verständigt wurde, heißt es, daß der Beschwerdeführer "laut do. Mitteilung" mit 1. April 1983 aus der zweitmitbeteiligten Ordensgemeinschaft ausgeschieden sei und daß aufgrund des eingelangten Überweisungsbetrages von S 218.357,30 die Zeiten von "9.1939" bis "1.1941" mit 17 Beitragsmonaten und von "7.1945" bis "3.1983" mit 453 Beitragsmonaten im Sinne des ASVG in der Fassung der 29. Novelle in der Pensionsversicherung der Angestellten als Beitragszeiten vorgemerkt würden. Diesem Schreiben mangelt die Bescheidqualität, weil es sich hiebei um eine bloße Mitteilung ohne normativen Gehalt handelt (vgl. zur Wertung eines nicht als Bescheid bezeichneten Schreibens eines Sozialversicherungsträgers als Bescheid u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1985, Zl. 84/08/0147). Es kann daher keine Rede davon sein, daß das erwähnte Schreiben einer "Änderung des Überweisungsbetrages" entgegenstünde. Träfe die gegenteilige Rechtsauffassung der belangten Behörde zu, wäre es der erstmitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt im übrigen zufolge des auch in Verwaltungssachen geltenden Grundsatzes "ne bis in idem" verwehrt gewesen, mit dem Bescheid vom 4. Oktober 1985 - neuerlich über den Überweisungsbetrag abzusprechen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, wobei gemäß § 59 Abs. 1 VwGG über die ziffernmäßig verzeichneten Kosten für den Schriftsatzaufwand nicht hinausgegangen werden konnte.
Wien, am 23. April 1987
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