Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §116;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1965 §61;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §42 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §116;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1965 §61;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 27. September 1985 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Stadtgemeinde Scheibbs die Erteilung der Baubewilligung für die Erweiterung eines bestehenden Werkstättengebäudes gemäß beiliegenden Bauplänen. Dem Lageplan kann entnommen werden, daß ein Werkstättenzubau auf den Grundstücken n/4, n/6, n/7, n/12 und .nn der KG Scheibbs errichtet werden soll. Im nordöstlichen Bereich grenzt an die zur Bauführung vorgesehenen Grundflächen die Liegenschaft der HS und des RS, des Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Zu der für 25. Oktober 1985 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden Nachbarn, darunter auch der Mitbeteiligte, unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Präklusion nach § 42 AVG 1950 geladen. In einem Schreiben vom 24. Oktober 1985 verwies der Mitbeteiligte darauf, daß er aus Zeitgründen wahrscheinlich bei der Verhandlung nicht anwesend sein könne. Verbindlich halte er fest, daß die Bauordnung einzuhalten sei. Weiters verwies er auf einen Abstand von seiner Grundgrenze, auf den Flächenwidmungsplan sowie auf das Gutachten eines Sachverständigen. Sollte der Flächenwidmungsplan nicht eingehalten werden, erhebe er Einspruch. Wie dieses Schreiben an die Gemeinde gelangte, kann dem Akt nicht entnommen werden.
Angesichts der Eingabe eines weiteren Nachbarn, der zahlreiche Umstände rügte, wurde in einem Aktenvermerk vom 25. Oktober 1985 festgehalten, daß im Hinblick auf dieses Schreiben, um nicht unnötige Verfahrenskosten auflaufen zu lassen, die Bauverhandlung abberaumt werde. Auf welche Weise dies geschehen ist, läßt sich den Akten nicht entnehmen.
Mit Ladung vom 12. November 1985 wurde neuerlich eine Bauverhandlung für 29. November 1985 anberaumt, zu der die Nachbarn abermals unter Hinweis auf die Rechtsfolgen der Präklusion geladen wurden. In einem Schreiben vom 28. Oktober 1985 (richtig wohl: 28. November) entschuldigte sich der Mitbeteiligte dafür, daß er zur Bauverhandlung nicht kommen könne. Er verwies auf sein Schreiben vom 24. Oktober 1985, welches auch bei dieser Bauverhandlung volle Gültigkeit habe. Dieses Schreiben enthält die Eingangsstampiglie der Stadtgemeinde Scheibbs vom 28. November 1985.
In den Verwaltungsakten erliegt sodann ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. November 1985, in welchem ausgeführt wird, daß für die Vor- und Nachbearbeitung einer Vielzahl von Lagermaterialien eine Reihe von Maschinen in den neu zu errichtenden Lagerräumen benötigt werde. Die im einzelnen angeführten Maschinen seien bereits im Betrieb vorhanden, es handle sich somit nicht um Neuanschaffungen. Es wurde ersucht, die Maschinen in den Lagerräumen zur Materialvor- und -nachbehandlung aufstellen zu dürfen. Dieses Schreiben wurde offensichtlich bei der Bauverhandlung vorgelegt, denn es enthält keine Eingangsstampiglie.
In der Verhandlung am 29. November 1985 (in der Niederschrift wurde offenbar irrtümlich das Datum
28. November 1985 angegeben) wurden zunächst Änderungen gegenüber einem früheren Projekt festgehalten. Es soll nunmehr keine Werkstättenerweiterung vorgenommen werden, sondern es würden die bereits im Betrieb aufgestellten und verwendeten Maschinen und Geräte in den Zubau verlagert. Zusätzliche Maschinen würden nicht aufgestellt. Zu dem Einwand, daß bei der Errichtung von Objekten im Bauland-Kerngebiet auf das Ortsbild Rücksicht zu nehmen sei, wurde festgehalten, daß auch in dieser Hinsicht gegenüber dem ursprünglichen Projekt eine Verbesserung eingetreten sei (Rückversetzung der Baufluchtlinie, Baukörpergliederung etc.). HS erklärte, gegen die Bauführung bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung keinen Einwand zu erheben. Die Schreiben des Mitbeteiligten wurden wörtlich in der Verhandlungsschrift angeführt. Der bautechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten aus, daß entgegen der planlichen Darstellung, einen Werkstättenzubau zu errichten, nunmehr die Überdachung des derzeitigen Lagerplatzes im Freien vorgesehen sei. Dies gehe aus dem Schreiben der Bauwerberin vom 29. November 1985 hervor. In diesem Schreiben werde ersucht, in dem beabsichtigten Zubau, der ausschließlich als Lager für Materialien zur Vor- und Nachbehandlung verwendet werde, Maschinen aufzustellen, die derzeit im Freien verwendet würden. Es werden sodann die Maschinen aufgezählt. Auf Grund dieser Tatsache könne festgehalten werden, so führte der Amtssachverständige weiter aus, daß es sich bei dem Zubau nicht um eine Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage handle, sondern um eine Modernisierung und ordnungsgemäße Errichtung einer Einhausung des bestehenden Lagerplatzes im Freien. Es bestehe daher gegen die Erteilung der Baubewilligung bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung grundsätzlich kein Einwand, zumal es sich um ein widmungsgerechtes Bauvorhaben im Bauland-Kerngebiet handle. Es seien daher Auswechslungspläne, die dem Verhandlungsergebnis entsprechen, der Baubehörde umgehend vorzulegen. Der Amtssachverständige erachtete sodann unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen das Bauvorhaben als bewilligungsfähig.
In einem Schreiben vom 12. Dezember 1985 teilte der Bürgermeister dem Mitbeteiligten mit, daß nunmehr anstelle eines Werkstättenzubaues ein Lagerzubau, der ausschließlich als Lager für Materialien zur Vor- und Nachbehandlung dienen soll, errichtet werde. Die genaue Sachverhaltsdarstellung gehe aus der beigeschlossenen Verhandlungsschrift hervor. Dem Mitbeteiligten wurde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.
In seiner Äußerung vom 27. November 1985 führte der Mitbeteiligte aus, daß dann, wenn nur ein Materiallager errichtet werden soll, die Aufstellung von Maschinen, obwohl bereits anderweitig aufgestellt, nicht gerechtfertigt sei. Nach wie vor handle es sich daher um eine erweiterte Werkstätte und nicht um einen überdachten Lagerplatz. Der Mitbeteiligte behalte sich daher das Recht vor, bei Erteilung der Baubewilligung Berufung einzulegen.
In der Folge wurde ein abgeänderter Bauplan vorgelegt. Wann dieser Plan bei der Gemeinde einlangte, kann auf Grund der Aktenlage nicht festgestellt werden. Dieser Plan unterscheidet sich von dem der Verhandlung zugrunde gelegten Plan insbesondere dadurch, daß das Projekt nicht mehr als Werkstätten- und Lagerzubau bezeichnet wird, sondern als Profil- und Fertiglagerzubau, wobei im Lageplan statt des Wortes Werkstättenzubau das Wort Lagerzubau verwendet wird und der große Raum im Erdgeschoß statt Werkstatt als Profillager ausgewiesen ist.
Mit Bescheid vom 16. Jänner 1986 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin die angestrebte Baubewilligung. Im Vorspruch wird das Projekt dahin beschrieben, daß bei dem kommissionellen Lokalaugenschein am 28. November 1985 (richtig wohl: 29. November) eine Abänderung des eingereichten Projektes vorgenommen worden sei. Es solle nunmehr ein Lagerzubau errichtet werden. Die Einwendungen des Mitbeteiligten, die sich auf eine Erweiterung der Werkstätte beziehen, wurden abgewiesen. Dies wurde damit begründet, daß im Hinblick auf die Abänderung des Projektes die angeführten Bedenken wegen Errichtung einer Werkstätte nicht bestehen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Mitbeteiligte aus, daß die Beschwerdeführerin schon in einem früheren Verfahren im Hinblick auf die damalige Äußerung eines Sachverständigen ein Projekt für einen Werkstättenzubau zurückgezogen habe. Wenn von einer wesentlichen Änderung des Projektes durch den Entfall der Werkstättenerweiterung gesprochen werde, so treffe dies nicht zu, weil die bereits im Betrieb aufgestellten und verwendeten Maschinen und Geräte in den Zubau verlagert würden. Es werde der untaugliche Versuch unternommen, den Begriff Werkstättenerweiterung durch einen anderen Begriff, nämlich Zubau zu ersetzen. Die aufgezählten Maschinen sollen im Obergeschoß aufgestellt und auch in Betrieb genommen werden. Das Gebäude sei daher im Erdgeschoß Lagerraum und im Obergeschoß Werkstätte, sodaß es sich eindeutig um eine Werkstättenerweiterung handle, eine andere Auslegung sei sicher unrichtig und unzulässig. Im Bauland-Kerngebiet dürfe ein solches Vorhaben nicht bewilligt werden.
In seiner Sitzung vom 5. März 1986 beschloß der Gemeinderat der Stadtgemeinde Scheibbs, der Berufung keine Folge zu geben und den erstinstanzlichen Bescheid zu bestätigen. Den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten kann nicht entnommen werden, daß dieser Sitzung des Gemeinderates ein Erledigungsentwurf vorlag bzw. daß der Gemeinderat auch eine Begründung für seine Erledigung beschlossen hat.
Mit dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid der Gemeinde vom 24. März 1986 wird auch die Abweisung der Berufung begründet. Nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens wird ausgeführt, daß es durch das Bauvorhaben zu keiner Betriebserweiterung komme, sondern nur bereits vorhandene Maschinen zur Vor- und Nachbearbeitung im unmittelbaren Materiallagerbereich aufgestellt werden sollen. Eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sei auszuschließen, dies umso mehr, als bis jetzt teilweise im Freien durchgeführte Manipulationsarbeiten unter Dach verlegt und daher die vom Betrieb ausgehenden Emissionen sicher geringer sein werden, als sie derzeit zu verzeichnen seien.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung rügte der Mitbeteiligte neuerlich, daß ein Gebäude errichtet werde, in welchem nicht nur Maschinen aufgestellt, sondern auch in Betrieb genommen werden, da sie der Vor- und Nachbearbeitung von Materialien dienen sollen. Somit stehe fest, daß die Errichtung eines neuen Gebäudes eine Erweiterung des bestehenden Betriebes darstelle. Aber selbst dann, wenn man die Auffassung vertrete, daß es sich bei dem Zubau lediglich um einen Lagerraum handle, dürfte eine baubehördliche Bewilligung nicht erteilt werden, weil jede Erweiterung eines Industriebetriebes im Bauland-Kerngebiet unzulässig sei, auch wenn diese Erweiterung nur der Schaffung von Lagerflächen diene. Aus den angeführten Gründen, insbesondere wegen der Lärmbelästigung durch die angeführten Maschinen, werde der Mitbeteiligte in seinen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt.
Zu dieser Vorstellung führte die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1986 insbesondere aus, daß der Mitbeteiligte als Miteigentümer bei der Bauverhandlung am 28. Oktober 1985 nicht anwesend gewesen sei, die Miteigentümerin HS aber dem Bauvorhaben zugestimmt habe. Aus diesem Grund sei eine Präklusionswirkung im Sinne des § 42 AVG 1950 eingetreten. Die Vorstellung sei daher nicht als zulässig zu werten. Aber auch dann, wenn das Vorbringen des Mitbeteiligten maßgeblich sein sollte, hätte er damit in Wahrheit keine Einwendung im Sinne des § 42 AVG 1950 erhoben, weil er nicht einmal die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes behauptet habe. Seine Einwendung wäre daher als unzulässig zurückzuweisen. Zu dem Vorbringen in der Vorstellung selbst wird ausgeführt, daß es sich bei dem Betrieb der Beschwerdeführerin nicht um einen Industriebetrieb handle, sondern um den Betrieb eines handwerksmäßigen Gewerbes. Ein solcher Betrieb sei im Bauland-Kerngebiet zulässig. Die Betriebstype entspreche durchaus einem nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Gewerbebetrieb. Auch seien keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Immissionen zu erwarten.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die NÖ Landesregierung der Vorstellung statt, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die Gemeindeaufsichtsbehörde in der Begründung unter anderem folgendes aus:
"§ 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4, verpflichtet die Aufsichtsbehörde, den mit einer Vorstellung angefochtenen Bescheid dahin zu prüfen, ob durch den Bescheid der Gemeinde in dieser Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches Rechte des Einschreiters verletzt worden sind, zutreffendenfalls ihn aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, und zwar laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis NF 7606A) auch dann, wenn das Recht, dessen Verletzung die Aufsichtsbehörde feststellt, im Verfahren bei der Gemeinde nicht konkret geltend gemacht worden ist.
Eine Sachentscheidung darf die Aufsichtsbehörde auf Grund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (Bundesverfassung, NÖ Gemeindeordnung 1973) nicht treffen.
Es ist unbestritten, daß das gegenständliche Bauvorhaben auf Grundstücken zur Ausführung gelangen soll, für die im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Scheibbs die Widmungs- und Nutzungsart Bauland-Kerngebiet festgelegt ist. Laut § 16 Abs. 1 Z. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, sind Kerngebiete vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Betriebe des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Nachbarn ein Rechtsanspruch auf die Einhaltung dieser Bestimmungen im Baubewilligungsverfahren zu. So hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt (siehe VwSlg.6958/A und 3168/A), daß der Nachbar auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien nicht schlechthin ein subjektiv-öffentlichens Recht besitzt, doch ist ein solches dann anzunehmen, wenn die bestimmte Widmungskategorie, wie im vorliegenden Fall Bauland-Kerngebiet, auch einen Immissionsschutz gewährleistet. Dies gilt auch für die Änderung von Anlagen, mit denen bestimmte, im Gesetz genannte Auswirkungen auf die Nachbarschaft verbunden sind
(VwSlg. 3168/A und VwSlg. 4815). Im vorliegenden Fall hat der Gemeinderat im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß die im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 schädlichen Einwirkungen durch Lärm- und Geruchsbelästigungen durch den geplanten Lagerzubau das örtlich zumutbare Ausmaß nicht übersteigen. Dabei hat die Berufungsbehörde übersehen, daß die Frage, ob eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung vorliegt, nur auf Grund eines schlüssigen Gutachtens eines facheinschlägigen Sachverständigen geklärt werden kann.
Bei der Prüfung der vorgelegten Aktenunterlagen mußte die Aufsichtsbehörde weiters feststellen, daß aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Stadtgemeinde Scheibbs vom 5. März 1986 nicht die im Sinne des Gesetzes erforderliche Begründung aufscheint. Der cit. Beschluß des Kollegialorganes wurde mit Bescheid vom 24. März 1986 intimiert. Es wäre jedoch nach Maßgabe des Gesetzes zwingend erforderlich gewesen, daß der Gemeinderat seine Entscheidung auf Abweisung der Berufung des Berufungswerbers RS auch entsprechend begründet und die maßgebliche Begründung in das Sitzungsprotokoll aufgenommen hätte. Überdies hätte das Erfordernis einer gesetzlichen Begründung die Gemeinderatsmitglieder gezwungen, sich selbst mit den rechtlichen Bestimmungen entsprechend auseinanderzusetzen, was durchaus zu einer anderen, für den Berufungswerber günstigeren Sachentscheidung hätte führen können. Im gegenständlichen Fall ist die rechtliche Begründung lediglich dem Ausfertiger des Berufungsbescheides überlassen worden. Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 5. März 1986 ist lediglich ersichtlich, daß über die Frage der Stattgebung oder Abweisung der Berufung eine Debatte abgeführt wurde. Gegenstand der abschließenden Abstimmung im Gemeinderat war nur diese Frage, über die Begründung der Entscheidung sagt das Sitzungsprotokoll nichts aus. Der Intimationsbescheid vom 24. März 1986, der eine eingehende Begründung enthält, ist durch den Beschluß des Kollegialorganes nicht gedeckt und somit rechtswidrig.
Verletzungen von Rechten eines Vorstellungswerbers sind nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst dann wahrzunehmen, wenn sie nicht geltend gemacht wurden (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0137).
Auf Grund der vorstehenden Erwägungen ist wie im Spruch zu entscheiden."
In der Begründung wurde weiters ausgeführt, daß, sollte durch die noch fehlenden Gutachten die Zulässigkeit von Baulichkeiten für den Betriebstyp der Beschwerdeführerin im Bauland-Kerngebiet gegeben sein, im fortgesetzten Verfahren die Bestimmung des § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) zu beachten sei. Dies wird im einzelnen näher ausgeführt. Nach einem Hinweis auf § 120 BO und Erwägungen über eine früher erteilte Baubewilligung stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde fest, daß Auswechslungspläne, die dem Ergebnis der Bauverhandlung vom "28. November 1985 entsprechen und nach denen das gegenständliche Bauvorhaben ausgeführt werden soll", in dem zur Prüfung vorgelegten Bauakt nicht vorhanden seien. Die Änderung bestehe lediglich darin, daß das Wort "Werkstätten" gestrichen und das Wort Lagerzubau offengelassen worden sei.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Baubewilligung ohne weitere Auflagen bzw. Bindung an die Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörde, insbesondere auf widmungsgemäße Bebauung ihrer Liegenschaft durch Errichtung eines der Bauordnung entsprechenden Zubaues verletzt. Die Beschwerdeführerin zählt sodann eine Reihe ihrer Meinung nach gegebener weiterer Rechtsverletzungen auf.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zunächst ist festzustellen, daß die Beschwerdeführerin auch beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, in der Beschwerde jedoch diesen Antrag nicht begründet. Nach § 116 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO), LGBl. 8200-0, ist Baubehörde erster Instanz der Bürgermeister, Baubehörde zweiter Instanz, da die Stadtgemeinde Scheibbs keine Stadt mit eigenem Statut ist, der Gemeinderat. Nach § 116 Abs. 2 des Gesetzes kann gegen einen Bescheid des Gemeinderates die Vorstellung gemäß § 61 NÖ Gemeindeordnung erhoben werden. Nach der genannten Gesetzesstelle ist Gemeindeaufsichtsbehörde die Landesregierung. Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde ist daher nicht gegeben.
Soweit die Beschwerdeführerin eine "Unzuständigkeit" der belangten Behörde zu einer Sachentscheidung darin erblickt, daß ihrer Meinung nach gegenüber dem Mitbeteiligten die Rechtsfolgen der Präklusion eingetreten seien, verkennt sie die Rechtslage. In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen und näher begründet, daß selbst die Berufung eines Präkludierten im Sinne des § 42 AVG 1950 nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen ist, weil auch eine präkludierte Person weiterhin Partei des Verfahrens ist. Da aber im Beschwerdefall die Berufungsbehörde eine Präklusion des Mitbeteiligten gar nicht angenommen hat, war dessen Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde jedenfalls zulässig und sohin auch die belangte Behörde für eine Sachentscheidung zuständig. Auch in dieser Beziehung erweist sich sohin die Beschwerde als nicht begründet.
In dem schon erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings auch klar zum Ausdruck gebracht, daß die Berufungsbehörde und auch die Vorstellungsbehörde eine eingetretene Präklusion im Sinne des § 42 AVG 1950 zu beachten haben, also von Nachbarn nur jene Rechtsverletzungen wahrzunehmen sind, bezüglich derer die Nachbarn rechtzeitig Einwendungen erhoben haben. Nun hat die Beschwerdeführerin im Zuge des Vorstellungsverfahrens in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1986 eine Reihe von Argumenten für den Standpunkt angeführt, daß in Wahrheit das Vorbringen des Mitbeteiligten als präkludiert zu beurteilen sei. Mit diesen Argumenten hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht auseinandergesetzt, obwohl dann, wenn die Beschwerdeführerin mit ihren Argumenten im Recht wäre, die belangte Behörde gar nicht hätte prüfen dürfen, ob durch das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin Rechte des Mitbeteiligten verletzt werden. Soweit die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides ganz allgemein ausführt, Verletzungen von Rechten des Vorstellungswerbers habe die Gemeindeaufsichtsbehörde von Amts wegen wahrzunehmen, verkennt sie, daß dies im Falle einer Präklusion nach § 42 AVG nicht zutrifft. In dieser Beziehung hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Dadurch, daß die belangte Behörde verkannt hat, daß eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage der Präklusion erforderlich ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Ergänzend ist zu bemerken, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall dadurch, daß der bei ihr angefochtene Intimationsbescheid schon mangels Übereinstimmung mit der Beschlußfassung durch den Gemeinderat aufzuheben war - wie noch dargetan wird -, in ihrem Ersatzbescheid auf Grund der bisherigen Ausführungen nicht verpflichtet ist, die Frage des Vorliegens einer Präklusion selbst zu prüfen, sondern die Prüfung der Berufungsbehörde überlassen kann.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin durfte die belangte Behörde allerdings zu Recht davon ausgehen, daß der bei ihr angefochtene Intimationsbescheid sich als rechtswidrig erweist, weil nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten anläßlich der Abstimmung im Gemeinderat eine Begründung für die Berufungserledigung nicht beschlossen worden ist. Im Gemeinderat wurde nur über den Antrag des Vizebürgermeisters abgestimmt, der Berufung keine Folge zu geben und den erstinstanzlichen Bescheid zu bestätigen, eine Begründung dieses Bescheides war nicht Gegenstand der Beschlußfassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1985, Zl. 81/05/0090, BauSlg. Nr. 433).
Schon aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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