Normen
ABGB §2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
KFG 1967 §36 lite;
KFG 1967 §64 Abs1;
StGB §9;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §4 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1991:1985180176.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, insofern über den Beschwerdeführer eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt wurde, einschließlich der auf sie bezughabenden Kostenentscheidungen erster und zweiter Instanz, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. April 1984 wurde der am 6. Dezember 1966 geborene Sohn des Beschwerdeführers, Arthur N, im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 24. Juli 1983 um 01.35 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorfahrrad im Ortsgebiet von Wiener Neustadt auf der Grazer Straße vor dem Hause Nr. 76 gelenkt, obwohl am Fahrzeug keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) begangen, über ihn wurde gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde des ehelichen Vaters und gesetzlichen Vertreters des genannten Verurteilten, Mag. Hans N, auf welch letzteren die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 VwGG zutreffen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 lit. e KFG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 4. Novelle, BGBl. Nr. 615/1977, dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei im § 57a Abs. 1 lit. a bis g angeführten, zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57a Abs. 1 letzter Satz fallen, eine den Vorschriften entsprechene Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.
Der Beschwerdeführer vermochte weder im Verwaltungsstrafverfahren noch in der Beschwerde zu bestreiten, daß der Beschuldigte Arthur N zur Tatzeit am Tatort ein Motorfahrrad, an dem keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war, gelenkt hat. Er rügt zunächst, daß eine Feststellung über die Schuldform - Vorsatz oder Fahrlässigkeit - nicht erfolgt sei.
Bei der Verletzung des § 36 lit. e KFG handelt es sich um ein sogenanntes "Ungehorsamsdelikt" im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG in der zur Tatzeit anzuwendenden Fassung vor der Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, wonach schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich zieht, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Wenn der Beschuldigte bestreitet, den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, so trifft die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde, wogegen es zur Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG in der zitierten Fassung dann kommt, wenn - wie im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer unbestritten - der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede stellt (siehe Erkenntnis vom 12. September 1986, Zl. 86/18/0059).
Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Für die Vollendung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verwaltungsübertretung reicht somit die Schuldform der Fahrlässigkeit aus. Weder die Vorschrift des § 44a lit. a VStG noch jene des § 59 AVG gebietet in einem derartigen Fall die Feststellung im Spruch, ob dem Beschuldigten die Schuldform des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit zur Last fällt (siehe Erkenntnis vom 16. Dezember 1967, Zl. 87/02/0146).
Es mag sein, daß an den von der Beschwerde bezeichneten Stellen des angefochtenen Bescheides Hinweise einerseits auf fahrlässiges, andererseits auf vorsätzliches Verhalten des Beschuldigten zu erblicken sind. In Anbetracht der oben zitierten Bestimmung des § 5 Abs. 1 VStG ist es unerfindlich, welchen Einfluß die in dieser Richtung behauptete Undeutlichkeit des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches haben soll (siehe Erkenntnis vom 8. Juli 1988, Zl. 88/18/0081). Ein ausdrücklicher Ausspruch dahin, dem Beschuldigten werde vorsätzliches Verhalten vorgeworfen, findet sich im angefochtenen Bescheid nicht.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, daß der Verantwortung seines Sohnes, er habe beim Lenken des Motorfahrrades nicht gewußt, daß hiefür eine Begutachtungsplakette erforderlich sei, zuwenig Beachtung geschenkt worden sei. Dazu ist zu sagen, daß dem wenn auch zur Zeit der Tat jugendlichen Beschuldigten als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr die einschlägigen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes bekannt sein mußten. Kannte er diese Bestimmungen nicht, so hat er sich diesbezüglich fahrlässig verhalten (vgl. Erkenntnis vom 21. November 1966, Slg. N.F. Nr. 7029/A). Auch ein jugendlicher Lenker eines Motorfahrrades hat sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen, zumal § 64 Abs. 1 KFG das Lenken eines Motorfahrrades bereits ab einem Alter von 16 Jahren für zulässig erklärt.
Im Hinblick auf den Schuldspruch erweist sich demnach der
angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum.
Begründet ist die Rüge in der Straffrage:
Der angefochtene Bescheid geht von der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Beschuldigten sowie vom Fehlen von Sorgepflichten aus und berücksichtigt darüber hinaus die bisherige Straflosigkeit "hinsichtlich der Verkehrsvorschriften", das Geständnis und das Alter unter 21 Jahren. Erschwerungsgrund liege keiner vor.
Zu diesen Milderungsgründen liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes doch der weitere vor, daß das in § 19 Abs. 2 VStG genannte Ausmaß des Verschuldens besonders gering ist. Es wäre daher nach Ansicht dieses Gerichtshofes eine wesentlich unter der verhängten Geldstrafe zu bemessende solche Strafe angemessen gewesen, wobei zur Zeit der Tat und der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides das Verwaltungsstrafgesetz für Geldstrafen keine Mindestgrenze kannte.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Strafbemessung einschließlich der davon abhängigen Kostenentscheidungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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