Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985130087.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugegangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1984, Zl. 84/13/0054, verwiesen werden. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1983, insoweit damit der erstinstanzliche Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens über die Einkommensteuer 1981 und betreffend Einkommensteuer 1981 bestätigt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dieses Erkenntnis wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich die belangte Behörde zur Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 1981 auf den Hinweis beschränkt habe, daß die für den Ausgang des Verfahrens entscheidenden Erhebungen bei der W GmbH erst nach Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981 erfolgt seien, sodaß die dabei getroffenen Feststellungen neue Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO dargestellt hätten. Diese Begründung der belangten Behörde lasse aber nicht erkennen, welche neuen Tatsachen oder Beweismittel nach Ansicht der belangten Behörde konkret für die verfügte Wiederaufnahme maßgebend gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe dazu in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt darauf hingewiesen, daß sie bereits anläßlich ihrer Einkommensteuererklärung „für 1973 und 1974“ dem Finanzamt eine Kopie der Rechnung vom 18. Dezember 1981 über S 560.000,-- vorgelegt und im Zuge der Betriebsprüfung, und zwar bereits vor Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides vom 16. August 1982, weitere Aufklärungen über die von ihr für die Kreditvermittlung von der W GmbH erhaltenen Gegenleistungen gegeben habe. Bei dieser Sachlage wäre es aber zur Klarstellung, ob die Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens für 1981 dem Gesetz gemäß verfügt worden sei, Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens für die Einkommensteuer 1981 der Beschwerdeführerin maßgebender Tatsachen und Beweismittel zu erheben und in der Begründung ihres damals angefochtenen Bescheides darzustellen. Da die belangte Behörde keine Feststellungen über den Wissensstand des Finanzamtes bei Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981 getroffen habe, sei dem Verwaltungsgerichtshof die Kontrolle nicht ermöglicht, ob und inwieweit erst in der Zeit danach neue Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt hätten. Da das Schicksal der Sachentscheidung über die Einkommensteuer 1981 vom Ergebnis des hinsichtlich der Wiederaufnahme zu ergänzenden Verfahrens abhänge, habe die Aufhebung auch die Entscheidung über die Einkommensteuer 1981 zu umfassen gehabt.
Im ergänzenden Verfahren hat die belangte Behörde das Finanzamt aufgefordert, seinen Wissensstand bei Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides vom 16. August 1982 bekanntzugeben. Dieser Aufforderung ist das Finanzamt durch Vorlage einer Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 14. Februar 1985 nachgekommen. Ohne diese Stellungnahme der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen, gab die belangte Behörde hierauf mit Schreiben vom 18. Februar 1985 der Beschwerdeführerin „folgende Umstände, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1981 nach Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981, führten“, bekannt:
„Die für den Ausgang des Verfahrens entscheidenden Erhebungen bei der Firma W erfolgten erst nach Ergehen des Nichtveranlagungsbescheides für 1981 vom 16.8.1982. Zum Nachweis hiefür dient der Schriftsatz der Firma W vom 18.10.1982 und der an Sie am 14. Februar 1983 ergangene Fragenvorhalt.
Gemäß § 150 BAO ist über das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung ein schriftlicher Bericht zu erstatten.
Dieser Bericht wurde auf Grund der vorher genannten nachweislichen Erhebungen mit 22. Februar 1983 erstellt.
Es bleibt Ihnen unbenommen, die Erklärung abzugeben, daß die Berufung zurückgenommen wird.“
Die Beschwerdeführerin erklärte darauf, ihre Berufung nicht zurückziehen zu wollen, zumal die nachträglichen Erhebungen des Finanzamtes keine neuen Tatsachen erbracht, sondern nur die Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin vorher gemachten Angaben in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 1982 und in den Niederschriften vom 8. Juni 1982 und vom 8. Juli 1982 bestätigt hätten weshalb keine Wiederaufnahmegründe vorlägen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. März 1985 hat die belangte Behörde neuerlich die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens über die Einkommensteuer 1981 und gegen die diese Steuer betreffende Sachentscheidung des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und nach Wiedergabe des § 63 Abs. 1 VwGG aus, sie habe im Vorhalt vom 18. Februar 1985 auf drei Umstände hingewiesen, die nach Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981 zur Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens geführt hätten, und zwar 1.) auf den Schriftsatz der Firma W GmbH vom 18. Oktober 1982, 2.) auf den Fragenvorhalt vom 14. Februar 1983 und 3.) auf das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung. Aus dem (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen) Schreiben der Firma W GmbH vom 18. Oktober 1982 ergebe sich, daß bis zu diesem Zeitpunkt dem Finanzamt nicht bekannt gewesen sei, daß der in Rede stehende Betrag von S 560.000,-- im Jahr 1981 anzusetzen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe nämlich diesen Betrag in den Einkommensteuererklärungen für 1973 und 1974 diesem zweijährigen Zeitraum zugeordnet. Mit Vorhalt vom 14. Februar 1983 sei der Beschwerdeführerin der endgültige Wissensstand des Finanzamtes vorgehalten worden. Somit sei nach Meinung der belangten Behörde die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens für 1981 gesetzlich gedeckt gewesen. Zur Begründung des Einkommensteuerbescheides 1981 führte die belangte Behörde abschließend aus, der Betrag von S 560.000,-- als „Wert der Wohnung“ und der Ansatz der Annuitätenzahlung von S 10.000,-- (für 1981) seien unbestritten, hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten und des begehrten Hälftesteuersatzes sei der Beschwerdeführerin nicht zu folgen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Weder der Fragenvorhalt noch das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung stellen solche neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel dar. Entscheidend ist vielmehr, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis vom 17. Oktober 1984 ausgeführt hat, der Wissensstand des Finanzamtes (einschließlich des Betriebsprüfers dieses Finanzamtes, dessen Prüfungsauftrag u. a. die Einkommensteuer 1981 umfaßte) im Zeitpunkt der Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981, mit welchem jenes Verfahren abgeschlossen wurde, welches wiederaufgenommen werden soll.
Im Beschwerdefall war daher zu prüfen, ob dem Finanzamt nach der (voreiligen) Erlassung dieses Nichtveranlagungsbescheides relevante, die Einkommensteuer 1981 der Beschwerdeführerin betreffende Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO bekannt geworden sind, die ihm vor diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt waren.
Die belangte Behörde gibt dazu im angefochtenen Bescheid nur das Schreiben der Firma W GmbH vom 18. Oktober 1982 wörtlich wieder, und zwar neuerlich, ohne im Sinne des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1984 konkret auszuführen, welche der darin geschilderten Umstände nun konkret die verfügte Wiederaufnahme rechtfertigen würden. Mit Recht hat die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit dem Arbeitsbogen über die Betriebsprüfung darauf hingewiesen, daß diesem Schreiben kein solcher Umstand zu entnehmen ist. Bereits vor der Erlassung des Nichtveranlagungsbescheides für 1981 waren dem Finanzamt nämlich bereits im Rahmen der laufenden Betriebsprüfung durch das Schreiben der Firma W GmbH vom 2. Juni 1982 (Blatt 5 des Arbeitsbogens), durch die mit dem Gatten der Beschwerdeführerin am 8. Juni 1982 aufgenommene Niederschrift (Blatt 9 bis 11), durch das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 7. Juni 1982 samt Urkunden (Blatt 13 bis 17) und durch die mit der Beschwerdeführerin am 8. Juli 1982 aufgenommene Niederschrift (Blatt 20 bis 21) sämtliche für das Jahr 1981 relevanten Zahlungs- und Verrechnungsvorgänge bekannt, die später nach der strittigen Wiederaufnahme für die Festsetzung der Einkommensteuer 1981 maßgebend waren.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie bei der gegebenen Sachlage die Wiederaufnahme des Verfahrens über die Einkommensteuer 1981 und den dieses Jahr betreffenden, nach Wiederaufnahme ergangenen Einkommensteuerbescheid im angefochtenen Bescheid bestätigt hat, die Rechtslage verkannt, weshalb sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist und gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren neben dem pauschalierten Aufwandersatz kein Einheitssatz zuzusprechen ist.
Wien, am 18. September 1985
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