VwGH 85/07/0248

VwGH85/07/024810.12.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde des J und der FH in S, beide vertreten durch Dr. Gerhard Roth, Rechtsanwalt in Murau, Raffaltplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Juli 1985, Zl. 03-30 H 188-85/1, betreffend Erlöschen eines Wasserbenützungsrechtes, zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §27 Abs1 litg;
WRG 1959 §27 Abs1 litg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Murau ist unter PZl. n1 ein Wasserrecht zum Betrieb einer Hausmühle am rechten Ufer des Xbaches, eines öffentlichen Gewässers, rund 200 m bachaufwärts seiner Ausmündung in die Mur für H und SH - die Rechtsvorgänger des Erstbeschwerdeführers - eingetragen. Das Wasserrecht ist bis zum 20. September 2013 befristet. Dieses Wasserrecht wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 24. August 1953 erteilt.

In einem an den Landeshauptmann von Steiermark gerichteten Schreiben vom 31. Jänner 1984 führten die Beschwerdeführer darüber Klage, daß das Wasser im X-bach ihnen weggenommen worden sei und sie nur mehr im Frühjahr bei Schneeschmelze oder bei einem Hochwasser die Mühle in Betrieb setzen könnten. Es sei nämlich - ohne sie davon zu verständigen - einem Oberlieger ein Wasserrecht zur Ausnutzung des X-baches bewilligt worden. Die Bezirkshauptmannschaft Murau führte in der Folge am 10. Juli 1984 eine mündliche Verhandlung betreffend das Erlöschen des unter PZl. n1 eingetragenen Wasserrechtes des Wasserbuches das Verwaltungsbezirkes Murau durch. Aufgrund des Ergebnisses dieser Verhandlung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 26. März 1985 gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 festgestellt, daß das unter PZl. n1 im Wasserbuch Murau eingetragene Wasserbenutzungsrecht (Hausmühle) erloschen ist. In der Begründung dieses Bescheides stellte die Behörde erster Instanz fest, daß an der gesamten Anlage keine wesentlichen Änderungen durchgeführt worden seien. Die Wasserzuleitung bestehend aus einer Holzrinne sei praktisch ganz verfallen und müsse bei einer eventuellen Wiederinbetriebnahme völlig erneuert werden. Das Mühlengebäude selbst sei in einem relativ guten Zustand und könne bei einer eventuellen Löschung des Wasserrechtes stehen bleiben, da das Gebäude keine Gefahr für ein Hochwasser darstelle. Bei der Besichtigung des Gebäudeinneren sei auch festgestellt worden, daß die Einrichtungen für den Mühlenbetrieb dem Augenscheine nach ohne größere Arbeiten wieder verwendet werden könnten. Laut Angabe der Beschwerdeführer sei das letzte Mal im Jahre 1973 die Mühle betrieben worden. Offensichtlich seien seit dieser Zeit keine Instandhaltungsarbeiten oder Wartungsmaßnahmen durchgeführt worden. Da im Bachbett keine Reste von Anlageteilen sich befänden und das bestehende Mühlengebäude keine Gefahr für den Hochwasserabfluß darstelle, erübrige sich die Vorschreibung von Löschungsvorkehrungen bei einer eventuellen Löschung. Es werde vom Amtssachverständigen für Wasserbautechnik festgestellt, daß die gegenständliche Hausmühle seit etwa elf Jahren nicht mehr im Betrieb sei und daß wesentliche Anlageteile, insbesondere die Wasserzuleitung, vom Bach bis zur Mühle dem Verfall preisgegeben worden und sicher wesentlich mehr als drei Jahre nicht betriebsfähig seien. Etwa 100 m bachaufwärts des Mühlengebäudes befinde sich die Wehranlage für die hydroelektrische Eigenanlage der Forstverwaltung Schloß X-bach. Die Anlage sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 2. Dezember 1982 wasserrechtlich bewilligt worden: Laut diesem Bescheid sei der Inhaber berechtigt, aus dem X-bach maximal 50 l/sec für den Betrieb der Kraftanlage zu entnehmen. Am Tage der durchgeführten Verhandlung sei die Wasserführung im X-bach im Bereich der Mühle jedenfalls zu gering gewesen, um die Mühle betreiben zu können. Laut Angabe des Verwalters des Schlosses X-baches würden derzeit 50 l/sec für den Betrieb des E-Werkes entnommen; der Vier-Monatsabfluß betrage 88 l/sec, was gerade noch ausreichen würde, bei Entnahme von 50 l/sec für das Kraftwerk auch die Mühle noch betreiben zu können. Laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 24. August 1953 sei die Leistung der Mühlenanlage zirka 2 PS bei einer Wassermenge von 40 l/sec. Es wäre daher möglich, die Mühle etwa vier Monate im Jahr neben dem Kraftwerk zu betreiben. Die Beschwerdeführer brachten in der Verhandlung vor, sie hätten die Absicht, die bestehende Mühle wieder instandzusetzen und als Hausmühle zu betreiben. Sie möchten das eigene Getreide, das biologisch angebaut werde, nach Bedarf kleinweise mahlen. Dies deswegen, weil eine längere Lagerung von Mehl die Qualität vermindere. Zirka alle drei Wochen werde Brot gebacken und es sei ihre Absicht, das erforderliche Mehl kurz vorher zu mahlen. Aufgrund der oberhalb bestehenden Kraftwerkssperre fehle das erforderliche Wasser zur gewünschten Zeit für dieses Vorhaben.

Die Behörde gelangte zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 vorlägen, weshalb die Löschung auszusprechen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer Berufung erhoben, in der sie im wesentlichen ausführten, die dem Oberlieger erteilte wasserrechtliche Bewilligung im Jahre 1982 sei offensichtlich nicht dem rechtsstaatlichen Prinzip entsprechend zustande gekommen. Die Beschwerdeführer seien nicht zu dieser Verhandlung geladen worden. Sie könnten den Mühlenbetrieb wegen der Ausleitung des Wassers nicht mehr aufnehmen bzw. nur mehr bei Hochwasser oder bei Schneeschmelze ihr Wasserrecht ausnützen. Die Wasserzuleitung vom Bach zur Mühle sei jederzeit durch eine Plastikrohrleitung wieder möglich; damit sei auch der Betrieb ihrer Anlage gesichert. Nur hätte es keinen Sinn, derzeit diese herzustellen, weil sie nicht wüßten, ob sie jemals wieder genügend Wasser zum Betreiben ihrer Hausmühle bekommen würden. Sie wollten die Mühle aus wirtschaftlichen (Teuerung, steigende Stromkosten), qualitativen (längere Lagerung vermindere die Qualität ihres biologischen Mehls) und ideologischen (Wegnahme des Wasserrechtes zugunsten einer sehr reichen Industriellenfamilie auf Kosten einer armen Bergbauernfamilie - Erhaltung von historischen Werken) Gründen wieder in Betrieb nehmen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Juli 1985 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 ausgeführt, anläßlich der örtlichen Verhandlung sei durch den Amtssachverständigen für Wasserbautechnik festgestellt worden, daß die Hausmühle der Beschwerdeführer seit etwa elf Jahren nicht mehr in Betrieb sei, daß wesentliche Anlageteile, insbesondere die Wasserzuleitung vom Bach zur Mühle, dem Verfall preisgegeben worden seien und die Anlage sicher wesentlich mehr als drei Jahre nicht betriebsfähig sei. Von seiten der Beschwerdeführer sei nur vorgebracht worden, daß die Absicht vorhanden sei, die Mühle wieder in Betrieb zu nehmen. Der Umstand, daß wesentliche Anlageteile seit mehr als drei Jahren weggefallen seien, sei nicht bestritten worden. Da somit erwiesen sei, daß die Anlage seit mehr als drei Jahren nicht mehr betriebsfähig sei, habe die Behörde erster Instanz festzustellen gehabt, daß das unter PZl. n1 eingetragene Wasserbenutzungsrecht erloschen sei. Auch in der Berufung seien keine Nachweise erbracht worden, daß die Mühle innerhalb der letzten drei Jahre betriebsfähig gewesen wäre; somit sei der Bescheid der Behörde erster Instanz zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich nach dem gesamten Beschwerdevorbringen in ihrem Recht, daß das Wasserrecht nicht für erloschen erklärt werde, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 erlöschen Wasserrechte durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen, wenn die Unterbrechung der Wasserbenutzung über drei Jahre gedauert hat, wobei der Wegfall ohne die Zerstörung wesentlicher Teile der Anlage dem gänzlichen Wegfall oder der gänzlichen Zerstörung gleichzuhalten ist.

Soweit die Beschwerdeführer die Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz als ungenügend bekämpfen, ist ihnen entgegenzuhalten, daß Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der bekämpfte Berufungsbescheid ist, dem ein Begründungsmangel im Sinne der untenstehenden Erwägungen nicht anzulasten ist. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin habe es die belangte Behörde unterlassen zu ermitteln, ob ihr überhaupt Parteistellung in diesem Verfahren zukomme, wobei sich die belangte Behörde durch Einsichtnahme in das Grundbuch und Fragestellung im Sinne des § 43 AVG 1950 leicht hätte davon überzeugen können, daß keine Rechtsnachfolge der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich des im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes eingetreten sei. Denn der Zweitbeschwerdeführerin stehe an der Wassermühle kein Eigentums- bzw. dingliches Recht zu. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerde an den Landeshauptmann als Betroffene und in der Verhandlung vom 10. Juli 1984 als Partei aufgetreten ist und auch Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz eingebracht hat. Die Zweitbeschwerdeführerin wäre unter diesen Umständen dadurch, daß ihre Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz nicht mangels Parteistellung zurückgewiesen, sondern abgewiesen worden ist, in keinem Recht verletzt.

Nach den Feststellungen der Verwaltungsbehörden und insbesondere nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer in der Beschwerde steht fest, daß im Jahre 1973 der Betrieb der Hausmühle einstweilen eingestellt worden ist. Im selben Jahre wurde aufgrund eines Hochwassers die Wasserzuleitung bestehend aus einer Holzrinne weggerissen und vom Wasserberechtigten deshalb nicht mehr ersetzt, weil nicht auszuschließen war, daß eine neue Zuleitung beim nächsten Hochwasser wieder weggerissen würde und überdies vom Wasserberechtigten beabsichtigt war, bei der neuerlichen Inbetriebnahme nicht wieder eine Holzrinne zu errichten, sondern die Zuleitung durch Anbringung einer Plastikrohrleitung zu modernisieren, was einen Arbeitsaufwand von zwei bis drei Stunden bedeuten würde. Die übrigen wesentlichen Betriebseinrichtungen sind - abgesehen vom Oberwasserkanal - nach der Aktenlage so instandgehalten, daß eine Inbetriebnahme jederzeit möglich ist. Wie im vorstehenden gezeigt, steht fest, daß der Oberwasserkanal seit über drei Jahren - zirka elf Jahre - nicht mehr existiert. Da einerseits nach dem unmißverständlichen Wortlaut des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 der Wegfall oder die Zerstörung eines wesentlichen Teiles der Anlage dem gänzlichen Wegfall oder der gänzlichen Zerstörung gleichzuhalten ist, anderseits der Oberwasserkanal für den Betrieb einer Wasserkraftanlage - mag er auch in geänderter Form in Kürze hergestellt sein - zweifellos als "wesentlicher Teil" anzusehen ist, da eine solche ohne Kanal nicht betrieben werden kann, hat die belangte Behörde insoweit den Sachverhalt zu Recht dem Tatbestand des § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959 subsumiert (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 26. Februar 1985, Zl. 83/07/0127). Die Möglichkeit, weggefallene oder zerstörte Anlagenteile wieder zu ersetzen, mag gewiß in der Regel bestehen. Doch hat der Gesetzgeber an die Tatsache der Unterbrechung der Wasserbenutzung durch bestimmte Zeit das Erlöschen des Wasserrechtes geknüpft, so daß es nicht darauf ankommen kann, ob eine Anlage reparaturfähig ist oder nicht (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 9. März 1961, Zl. 2543/59). Der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 27. April 1961, Zl. 168/60, ist schon deshalb verfehlt, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Erlöschen im Sinne des § 27 Abs. 1 lit. h WRG 1959 handelt. Lagen sohin die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 vor - es ist hiebei ohne rechtliche Bedeutung, in welchem Zeitpunkt das Wasserbenutzungsrecht erloschen ist - , dann war es auch entbehrlich, Erwägungen darüber anzustellen, ob etwa die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 leg. cit. vorliegen, und Feststellungen darüber zu treffen, daß andere Anlageteile noch immer betriebsfähig sind.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 10. Dezember 1985

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