European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985040083.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 9. November 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als „Verantwortlicher der A Ges.m.b.H.“ in der Zeit vom 5. bis 29. September 1983 die mit Bescheid dieser Behörde vom 21. Oktober 1966, Zl. 1‑1798/3, gewerbebehördlich genehmigte Werkstätte für die Reparatur betriebseigener Fahrzeuge ohne gewerbebehördliche Genehmigung in erweitertem Umfang betrieben zu haben, da auch vor der Werkstätte im Freien Reparatur- und Servicearbeiten durchgeführt und im Bereich zwischen dieser Werkstätte und dem Wohngebäude (Gp. 109/1 und Gp. 109/4, KG. B) Lkw‑Züge abgestellt worden seien. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 81 GewO 1973 begangen. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 21. Oktober 1966 sei die gewerbebehördliche Genehmigung für eine Werkstätte zur Reparatur betriebseigener Fahrzeuge auf Gp. 109/1, KG. B erteilt worden. Aus den Aktenunterlagen (Pläne, Bescheid) ergebe sich nicht, daß dabei auch die Durchführung von Arbeiten, die Nachbarn belästigen könnten, vor der Werkstätte (zwischen Tankstellen- und Werksstättengebäude) genehmigt worden wäre. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 1970 sei die Tankstelle auf dem befestigten Platz vor dieser Werkstätte gewerbebehördlich genehmigt worden. Auch mit diesem Bescheid seien Servicearbeiten im Zusammenhang mit dem Tankstellengewerbe nicht genehmigt worden. Für das Abstellen von Lkw in diesem Bereich liege ebenfalls keine gewerbebehördliche Genehmigung vor. Auf Grund der Erhebungen der Gendarmerie, der Anzeigen von Nachbarn und einer von der Gewerbebehörde durchgeführten Überprüfung (21. September 1983) stehe fest, daß auf dem Gelände vor der Werkstätte Servicearbeiten und kleinere Reparaturen, wie z.B. Reifenwechsel, an den Fahrzeugen der A Ges.m.b.H. durchgeführt worden seien. Dies werde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Zudem würden im Bereich zwischen dieser Werkstätte und dem Bürogebäude Lkw, an denen Reparaturen durchgeführt werden sollten, oder aus anderen Gründen abgestellt. Eine Anfrage bei der Zulassungsstelle der Bezirkshauptmannschaft Kufstein habe ergeben, daß die Fahrzeuge - im erstbehördlichen Straferkenntnis mit der Kfz-Nr. bezeichnet - für die A Ges.m.b.H. zugelassen seien. Handelsrechtlich und gewerberechtlich verantwortlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft sei der Beschwerdeführer. Gemäß § 74 GewO 1973 bedürfe jede gewerbliche Anlage u.a. bereits dann einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung, wenn dadurch die Möglichkeit einer Belästigung von Nachbarn bestehe. Ob die Nachbarn unzumutbar belästigt würden, sei dann in dem auf Antrag durchzuführenden Genehmigungsverfahren zu klären. Durch die Service- und Reparaturarbeiten im Freien und durch das Abstellen von Lkw könnten Nachbarn belästigt werden, weshalb für diese Tätigkeiten eine gewerbebehördliche Genehmigung erforderlich sei. Eine derartige Genehmigung liege aber nicht vor.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer - der insbesondere bei seiner niederschriftlichen Beschuldigtenvernehmung vom 17. Oktober 1983 sich darauf berufen hatte, daß ihm vorgehaltene Fahrzeuge sich ausnahmslos zum Betanken und zu Servicediensten auf dem Tankstellengelände befunden hätten - Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, es hätte einerseits überprüft werden müssen, inwieweit das Abstellen von Lkw im Rahmen der Ausübung der bestehenden Gewerbeberechtigung erfolgt sei und ob die Belästigung von Nachbarn eingetreten sei. Beide Voraussetzungen seien jedoch von der Behörde nicht entsprechend überprüft worden. Insbesondere hätte seine Verantwortung überprüft werden müssen, daß sich die Lkw nur im Rahmen der befugten Ausübungen der Gewerbeberechtigung bei der Tankstelle befunden hätten.
Diese Berufung wies der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 20. Dezember 1983 als unbegründet ab.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1984, Zl. 84/04/0039, wurde der vorangeführte Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Dezember 1983 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, da der Spruch des im Instanzenzug bestätigten erstbehördlichen Straferkenntnisses vom 9. November 1983 keine Angaben enthalte, in welcher Eigenschaft der Beschwerdeführer „Verantwortlicher“ der in Rede stehenden Gesellschaft sei.
Mit dem daraufhin ergangenen Ersatzbescheid vom 26. März 1985 erkannte der Landeshauptmann von Tirol über die Berufung des Beschwerdeführers dahin, daß diese als unbegründet abgewiesen, das erstbehördliche Straferkenntnis jedoch wie folgt abgeändert werde.
„Der Beschuldigte JA in B hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der ‚A Ges.m.b.H.‘ zu verantworten, daß in der Zeit vom 5. 9. 1983 bis 29. 9. 1983 die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 21. 10. 1966, Zl. 1‑1798/3, gewerbebehördlich genehmigte Betriebsstätte für die Reparatur betriebseigener Fahrzeuge ohne gewerbebehördliche Genehmigung in erweitertem Zustand betrieben wurde, indem auch vor der Werkstätte im Freien Reparatur- und Servicearbeiten durchgeführt und im Bereich zwischen dieser Werkstätte und dem Wohngebäude (Gp. 109/1 und Gp. 109/4, KG. B) Lkw-Züge abgestellt wurden.“
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 81 GewO 1973 begangen. Hiefür werde über ihn gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1973 eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Sinne der im vorangeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vertretenen Rechtsauffassung habe die Behörde zu prüfen gehabt, in welcher Funktion der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Übertretung zu verantworten habe. Die diesbezüglichen Erhebungen hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Geschäftsführer der „A Ges.m.b.H.“ sei, deren „betriebseigene“ Fahrzeuge auf dem Gelände vor der gegenständlichen Werkstätte repariert bzw. gewartet worden seien. Der Spruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses sei also in dieser Richtung im Sinne des § 44a VStG 1950 zu präzisieren gewesen. Im übrigen sei auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstbehördlichen Straferkenntnisses verwiesen, die durch das Berufungsvorbringen nicht hätten entkräftet werden können. Ergänzend werde bemerkt, daß die Genehmigungspflicht im Sinne der §§ 74 und 81 GewO 1973 bereits dann besteht, wenn die abstrakte Möglichkeit der Belästigung von Nachbarn usw. vorhanden sei. Daß eine solche Möglichkeit im vorliegenden Fall gegeben sei, sei in der Berufung auch nicht bestritten worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür nicht bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, es stehe fest, daß mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 21. Oktober 1966 die gewerbebehördliche Genehmigung für eine Werkstätte zur Reparatur betriebseigener Fahrzeuge auf Gp. 109/1, KG. B, erteilt worden sei. Weiters stehe fest, daß mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 1970 die Tankstelle auf dem befestigten Platz vor dieser Werkstätte gewerbebehördlich genehmigt worden sei. Die Verwaltungsstrafbehörden hätten die Bestimmung des § 119 GewO 1973 nicht richtig ausgelegt. Gemäß dieser gesetzlichen Bestimmung sei nämlich der Gewerbetreibende beim Betrieb von Tankstellen auch zu üblichen Tätigkeiten für Kraftfahrer, wie zum Abschmieren und Ölwechsel, zur Batteriepflege, zum Nachfüllen von Luft, zum Waschen des Kraftfahrzeuges u.dgl. berechtigt. Daß aber andere als durch § 119 GewO 1973 gedeckte Arbeiten vorgenommen worden seien, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Da sowohl der Betrieb der Tankstelle als auch der Betrieb der Werkstätte zur Reparatur betriebseigener Fahrzeuge genehmigt worden sei, erstreckten sich diese Tätigkeiten einerseits auch auf die mit Vornahme der entsprechenden Tätigkeiten an den Fahrzeugen verbundenen - relativ geringen - Belästigungen, andererseits sei aber zum Zweck der Vornahme der Arbeiten - genauso wie zur Betankung - das kurzfristige Abstellen der Fahrzeuge erforderlich. Wenn im Rahmen der Ausübung der beiden Gewerbeberechtigungen kein - zumutbarer - Lärm erzeugt und kein Fahrzeug kurzfristig abgestellt werden dürfe, dann hätten diese Genehmigungen keinen Sinn. Die belangte Behörde habe insbesondere nicht festgestellt, wo sich die von ihr angeführte Gp. 109/1 in der Natur befinde. Ein von der belangten Behörde durchgeführter, im Berufungsverfahren beantragter Lokalaugenschein hätte eine Klärung dahin gehend ergeben, daß die ihm vorgeworfenen Tätigkeiten lediglich im Rahmen der erteilten Berechtigungen erfolgt seien. Des weiteren enthält die Beschwerde Ausführungen zur gleichfalls bekämpften Strafbemessung durch die belangte Behörde.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung - die nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist -, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Gemäß § 81 GewO 1973 bedarf, wenn eine genehmigte Anlage so geändert wird, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 ergeben können, auch die Änderung der Anlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen, so weit sich die Änderung auf sie auswirkt.
Der belangten Behörde oblag es daher zu prüfen, ob bzw. inwiefern dem dem Beschwerdeführer angelasteten Verhalten im Sinne des 2. Tatbestandes des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 der Tatbestand einer - erfolgten - genehmigungslosen „Änderung“ der sachverhaltsmäßig nach der Aktenlage in Betracht zu ziehenden bestehenden genehmigten Betriebsanlagen - d.s. nach der Annahme im erstbehördlichen Straferkenntnis einerseits die Reparaturwerkstätte und andererseits die Tankstelle - im Sinne des § 81 GewO 1973 zugrunde liegt (vgl. zum Begriff der „Änderung einer Betriebsanlage“ die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 27. März 1981, Zl. 04/1236/80) und des weiteren, ob allenfalls vorliegende „Änderungen“ neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 ergeben können, wobei Tatbestandselement nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 in diesem Zusammenhang die mit gewerblichen Betriebsanlagen verbundene konkrete Eignung ist, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. März 1982, Zl. 81/04/0111, und die weiters dort zitierte hg. Rechtsprechung).
Zufolge Verkennung der dargestellten maßgebenden Rechtslage reichen aber die behördlichen Feststellungen in Ansehung des sachlichen und räumlichen Umfanges der von ihr als bestehend angenommenen Betriebsanlagengenehmigungen - wobei mangels einer weiteren Differenzierung in Ansehung einer Tankstelle allenfalls auch auf den gewerblichen Berechtigungsumfang im Sinne des § 119 Abs. 1 GewO 1973 Bedacht zu nehmen wäre - nicht aus, um eine ausreichende Kontrolle des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof auf seine Rechtmäßigkeit zu ermöglichen.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher schon im Hinblick auf diese Erwägungen eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes an, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 18. Februar 1986
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