VwGH 84/17/0083

VwGH84/17/008328.2.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Kramer, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wrulich, über die Beschwerde des HK in B, vertreten durch Dr. Gerhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. März 1984, Zl. Gem-6660/2-1984-Son, betreffend Grundsteuer (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §1
BAO §225 Abs2
FAG 1979 §16 Abs1
GrStG §11
LVwAbgG OÖ 1955

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984170083.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde richtete am 16. Juni 1983 an den Beschwerdeführer einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Von der EZ 232 der KG X und Ziegelwerk in L Nr. 7 - sind aus dem Zeitraum vom 15.8.1979 bis zum 31.12.1980 insgesamt Grundsteuer - B - in Höhe von 60.000,-- S, in Worten:

sechzigtausend Schilling, bis heute nicht entrichtet worden. Von Dr. MD, wh. in X, L Nr. 12, als ehemaligem Komplementär der "Firma F", ist dieser Betrag nicht einbringlich. Unter Berufung auf die §§ 9 und 11 des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 149/1955 in Verbindung mit § 891 ABGB wird Ihnen der Betrag von 60.000,-- S Grundsteuer - B - zur Vorschreibung gebracht."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Februar 1984 wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei Miteigentümer der Liegenschaft EZ 232 der KG X. Für diese Liegenschaft sei für die Zeit vom 15. August 1979 bis zum 31. Dezember 1980 noch Grundsteuer - B - in der Höhe von S 60.000,-- ausständig. Nach § 9 Abs. 2 Grundsteuergesetz 1955 (GrStG) bestehe Gesamtschuldnerschaft, weil der Steuergegenstand "mehreren" gehöre. Für die Grundsteuer hafte gemäß § 11 GrStG auf dem Steuergegenstand ein gesetzliches Pfandrecht. Der Nacheigentümer hafte daher für rückständige Grundsteuer der Voreigentümer. Es sei also nicht Voraussetzung, daß der für die offene Grundsteuer "belangte" Miteigentümer auch zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld hätte Eigentümer sein müssen. Bei einer Abgabe, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruhe, könne die dingliche Haftung gegen den jeweiligen Eigentümer bzw. Miteigentümer des "Grundbesitzes" geltend gemacht werden. Nach § 891 ABGB hafte bei Miteigentum jede einzelne Person für das Ganze. Es handle sich hier um eine persönliche Haftung und nicht, wie in der Berufung angeführt, um die Haftung mit der Sache selbst.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. März 1984 wies die Oberösterreichische Landesregierung die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die belangte Behörde begründete dies im wesentlichen damit, unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer mit Vereinbarung vom 25. Juni 1980 samt Berichtigung vom 15., 16. und 17. September 1980 insgesamt 25/100 Anteile an der EZ. 232 der KG X erworben habe. Der Einheitswertbescheid des Finanzamtes Grieskirchen vom 25. November 1981 über die EZ 232 der KG X sei "an die Gemeinschaft der Miteigentümer des nachstehend angeführten Grundbesitzes, z.H. HK, B" adressiert gewesen. Strittig sei lediglich die Frage geblieben, ob es zulässig sei, einem Miteigentümer, der zum Zeitpunkt des Entstehens der Grundsteuerschuld noch nicht (bzw. nicht für den ganzen Zeitraum) Miteigentümer gewesen sei, die "Entrichtung der Grundsteuer vorzuschreiben". Da gemäß § 11 GrStG für die Grundsteuer samt Nebengebühren auf dem Steuergegenstand ein gesetzliches Pfandrecht hafte, hafte der Nacheigentümer daher für die rückständige Grundsteuer des Voreigentümers im selben Umfang wie letzterer. Eine Einschränkung der Haftung auf die Liegenschaft sei nicht gegeben. Das gesetzliche Pfandrecht, das auf dem Steuergegenstand hafte, stelle eine dingliche Haftung dar, was unter anderem auch den Übergang der Haftung auf den Nacheigentümer bedeute. Die im § 9 Abs. 2 (leg. cit.) statuierte Gesamtschuldnerschaft bedeute, daß jeder Steuerschuldner für den ganzen geschuldeten Abgabenbetrag einstehen müsse. Im konkreten Fall hafte daher der Beschwerdeführer "unter Zugrundelegung der dinglichen Haftung". Er hafte als Miteigentümer "unter Zugrundelegung des Vorliegens einer Gesamtschuldnerschaft" für die gesamte Schuld. Verjährung liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben je eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, richtigerweise hätte der angefochtene Bescheid dahin lauten müssen, daß der Beschwerdeführer zwar für die Grundsteuer - B - im Ausmaß von S 60.000,-- hafte, jedoch bei Exekution lediglich in die Liegenschaft (gemeint offenbar: die ihm gehörigen Anteile der Liegenschaft) EZ 232 KG X. Der Beschwerdepunkt ist daher so zu verstehen, daß sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt erachtet, für die erwähnte Grundsteuerforderung nicht persönlich, sondern nur mit dem ihm gehörigen Liegenschaftsanteil zur Haftung herangezogen zu werden.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Es ist davon auszugehen, daß der mit dem angefochtenen Bescheid vom Beschwerdeführer geforderte Grundsteuerbetrag von S 60.000,-- den Zeitraum vom 15. August 1979 zum 31. Dezember 1980 betrifft. Gemäß § 28 a Abs. 1 GrStG idF des Artikels I Z. 13 der Grundsteuergesetz-Novelle 1979, BGBl. Nr. 556, entsteht der Abgabenanspruch mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Grundsteuer auf Grund eines von der Gemeinde festgesetzten Hebesatzes erhoben werden soll. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit der Grundsteuer ohne Einfluß auf die Entstehung des Abgabenanspruches.

Nach Art. II Abs. 1 dieser Novelle sind u.a. die Bestimmungen des Art. I Z. 13 erstmalig auf Feststellungs- und Veranlagungszeitpunkte oder Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 liegen oder eintreten; doch entspricht die Regelung des § 28 a Abs. 1 in der Neufassung der schon zuvor herrschenden Rechtsanschauung (vgl. hiezu Dorazil-Wittmann, Das Grundsteuerrecht in Österreich2, Seite 128 f). Im Beschwerdefall lag sohin die Entstehung des Abgabenanspruches jedenfalls vor dem 25. Juni 1980. Der Beschwerdeführer konnte also nicht persönlicher Abgabenschuldner der in Rede stehenden Grundsteuerforderung geworden sein oder werden.

Für die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers kam vielmehr nur die vom Gesetz so bezeichnete "Dingliche Haftung" gemäß § 11 GrStG in Frage. Danach haftet für die Grundsteuer samt Nebengebühren auf dem Steuergegenstand ein gesetzliches Pfandrecht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Juni 1966, Slg. Nr. 3478/F, dargetan hat, ist die Abgabenbehörde in einem so gelagerten Fall ausschließlich berechtigt, unmittelbar die auf der Liegenschaft lastende Sachhaftung geltend zu machen; dies hatte gemäß dem im damaligen Beschwerdefall anzuwendenden § 173 Abs. 2 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 7/1963 (TLAO), nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung zu geschehen, weshalb der an den damaligen Beschwerdeführer gerichtete Bescheid, mit dem er zur Zahlung der noch offenen Grundsteuerschuld samt Nebengebühren verpflichtet worden war, der gesetzlichen Grundlage entbehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, von der in diesem Erkenntnis zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht abzugehen. Die von Dorazil-Wittmann, aaO. Seite 83, vertretene Auffassung, die dingliche Haftung bedeute, daß die Abgabenbehörde auch Grundsteuerschulden des Voreigentümers vom nachfolgenden Eigentümer des Grundstücks "anfordern" könne, wäre daher nur dann richtig, falls damit die Geltendmachung der Pfandhaftung letzterem gegenüber (in seiner Eigenschaft als nunmehrigem Eigentümer des Grundstücks) gemeint ist.

Schon dadurch, daß die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer gegenüber den streitgegenständlichen Grundsteuerbetrag zur Vorschreibung brachten, haben sie somit das Gesetz verletzt; denn diese "Vorschreibung" kann nicht anders als die persönliche Inanspruchnahme des Beschwerdeführers, sei es nun als Gesamtschuldner oder als persönlich Haftender, verstanden werden. Da die belangte Vorstellungsbehörde die dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Februar 1984 anhaftende Rechtswidrigkeit nicht aufgriff, hat sie ihren Bescheid ihrerseits mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen mußte.

Bei diesem Ergebnis war es nicht erforderlich, zu prüfen, auf welche Weise die Sachhaftung rite geltend zu machen war. Nur der Vollständigkeit halber sei folgendes bemerkt:

Gemäß § 16 Abs. 1 letzter Satz des im Beschwerdefall anzuwendenden Finanzausgleichsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 673 (FAG 1979), sind für die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer sowie für die Einhebung und zwangsweise Einbringung die Gemeinden zuständig. Da die Geltendmachung einer Haftung eine Einhebungsmaßnahme ist (Stoll BAO-Handbuch, Seite 556; vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1964, Slg. Nr. 3117/F, und vom 21. Dezember 1970, Slg. Nr. 4165/F), sind hiefür die Gemeinden zuständig.

Gemäß § 1 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes u. a. in Angelegenheit der bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes zu erheben sind. Eine Anwendung der BAO auf die Geltendmachung der im § 11 GrStG vorgesehenen dinglichen Haftung, die Dorazil-Wittmann aaO., Seite 83 iVm Seite 81f, zumindest für möglich halten, ist daher ausgeschlossen.

Vielmehr ist § 16 Abs. 1 erster Satz FAG 1979 anzuwenden, wonach unter anderem die Regelung des Verfahrens hinsichtlich der Grundsteuer der Landesgesetzgebung insoweit überlassen wird, als nicht bundesgesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Da letzteres nicht der Fall ist, gelten sohin die einschlägigen Landesabgabenordnungen (in diesem Sinn auch Doralt-Ruppe, Grundriß des Österreichischen Steuerrechtes II, Seite 49, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 31. Juni 1966, Slg. Nr. 3478/F, das ohne weiteres die Anwendbarkeit der - damals Tiroler - LAO voraussetzt).

Nun ist die Oberösterreichische Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 30/1984, die in ihrem § 171 Abs. 2 eine dem § 173 Abs. 2 TLAO (§ 225 Abs. 2 BAO) gleichartige Regelung enthält, erst mit 1. Jänner 1985 in Kraft getreten. Die im Beschwerdefall sohin auf das Verfahren in Angelegenheiten der Abgaben, die u.a. von Organen der Gemeinden erhoben werden, anzuwendenden Vorschriften - das OÖ. Abgaben-Verfahrensgesetz, LGBl. Nr. 45/1955, die gemäß § 1 des Gesetzes LGBl. Nr. 63/1961 als landesgesetzliche Vorschriften anzuwendenden Bundesgesetze (insbesondere das Abgabenrechtsmittelgesetz, BGBl. Nr. 60/1949 und das Abgabeneinhebungsgesetz 1951, BGBl. Nr. 87), weiters die gemäß § 1 des OÖ Abgaben-Verfahrensgesetzes hilfweise anzuwendenden Vorschriften des AVG 1950 und des VStG 1950 - enthalten keine dem § 225 Abs. 2 BAO vergleichbare Norm. Dennoch konnte auch unter der Herrschaft dieser Rechtslage nichts anderes gelten, weil die Erlassung eines Bescheides über die Festsetzung der Grundsteuer gegenüber dem Eigentümer (oder Miteigentümer) der dinglich haftenden Liegenschaft nicht in Betracht kam und für die Geltendmachung des kraft Gesetzes - also ohne weiteren Rechtsakt - entstandenen Pfandrechtes keine andere Maßnahmen als die in der Exekutionsordnung vorgesehenen denkbar waren. Die Erlassung des angefochtenen Bescheides war daher bereits als solche von vornherein rechtswidrig.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten.

Wien, am 28. Februar 1986

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