Normen
GebG 1957 §12 Abs1
GebG 1957 §12 Abs1 idF 1976/668
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984150136.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Firma S in H hatte in den Jahren 1977 und 1978 an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft insgesamt 65 jeweils verschiedene Weinmengen und Weinsorten betreffende Anträge auf Bewilligung zur Verwendung des Weingütesiegels gerichtet. Der genannte Bundesminister bewilligte mit 65 Bescheiden vom 13. März 1979 die beantragte Verwendung des Weingütesiegels und setzte sodann mit weiteren 65 Bescheiden vom 2. und 3. April 1979 die Aufwandkosten für die einzelnen Anträge fest. Die Zustellung der Bescheide erfolgte am 15. März 1979 bzw. am 20. April 1979.
Mit in zweifacher Ausfertigung eingebrachtem Schriftsatz vom 30. Juni 1980 stellte der Beschwerdeführer als bevollmächtigter Vertreter des eingangs genannten Unternehmens an den Verwaltungsgerichtshof den Antrag, hinsichtlich der 130 Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen. Gleichzeitig wurde die versäumte Handlung nachgeholt und gegen die Bescheide Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhoben. Jede der beiden Ausfertigungen des Schriftsatzes vom 30. Juni 1980 war mit Stempelmarken im Gesamtbetrag von S 210,-- versehen.
Auf Grund eines von der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes aufgenommenen amtlichen Befundes setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Bescheid vom 3. September 1981 gegenüber dem Beschwerdeführer für jede der beiden Ausfertigungen des Schriftsatzes, vom 30. Juni 1980 eine Eingabengebühr von S 9.100,-- (130 x S 70,--), zusammen sohin S 18.200,--, fest. Nach Abzug der entrichteten Stempelgebühren von S 420,-- ergab sich ein Betrag von S 17.780,--. Außerdem wurde gemäß § 9 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 v.H. (S 8.890,--) festgesetzt, sodaß sich insgesamt eine Vorschreibung in Höhe von S 26.670,-- ergab.
Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid dahin, daß sie das Rechtsmittel als unbegründet abwies und die Gebührenfestsetzung gemäß § 289 Abs. 2 BAO zum Nachteil des Beschwerdeführers wie folgt abänderte:
Gebühr gemäß § 14 TP 6 GebG 1957 | S 36.400,-- |
in Stempelmarken entrichtet | - S 420,-- |
Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 | S 17.990,-- |
| S 53.970,-- |
In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 12 GebG 1957 im wesentlichen aus, die zweifache Gebührenpflicht für einen Schriftsatz, der einen Wiedereinsetzungsantrag verbunden mit einer Bescheidbeschwerde enthalte, ergebe sich daraus, daß zwar gemäß § 46 VwGG 1965 bei einem Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Beschwerdefrist gleichzeitig die Bescheidbeschwerde "vorzunehmen" sei, daß diese Bescheidbeschwerde aber trotzdem rechtlich selbständig bleibe und somit gesondert der Eingabengebühr unterliege. Dies zeige sich darin, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem der Berufung zugrunde liegenden Fall über die Wiedereinsetzungsanträge abweisend entschieden und gesondert die Beschwerden wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 VwGG 1965 zurückgewiesen habe. Zur mehrfachen Gebührenpflicht der Schriftsätze entsprechend der Anzahl der Wiedereinsetzungsanträge sei zu sagen, daß in jedem Schriftsatz insgesamt 130 Wiedereinsetzungsanträge und 130 Beschwerden erhoben worden seien und der Verwaltungsgerichtshof - wie aus seinem in der gegenständlichen Angelegenheit ergangenen Beschluß ersichtlich sei - auch nicht über einen Antrag bzw. eine Beschwerde abgesprochen, sondern "den Anträgen" nicht stattgegeben und hiezu gesondert "die Beschwerden" zurückgewiesen habe. Durch eine Stattgabe der Wiedereinsetzungsanträge wäre im übrigen auch in 130 rechtlich getrennten Fällen ein Verfahrensstand wie vor dem Eintritt der Säumnis erreicht worden. Ob und wie viele dieser Verfahren rechtlich gleichartig seien, müsse mangels einer darauf abzielenden gesetzlichen Grundlage bei der "Bemessung" der Gebührenpflicht unberücksichtigt bleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Der Beschwerdeführer erhebt gegen den angefochtenen Bescheid zunächst den Einwand, die damit erfolgte Mehrvorschreibung in Höhe von S 27.300,-- verstoße gegen das für das Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius und außerdem gegen die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs. 3 VStG 1950.
Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, daß auf die Erhebung von Stempelgebühren nach dem Gebührengesetz 1957 und auf die Festsetzung von Gebührenerhöhungen gemäß den §§ 1 und 3 BAO die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden sind. Seine Berufung auf das VStG 1950 ist daher verfehlt. Unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der BAO ergibt sich aber, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt. Nach § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern - ein Verbot, den bekämpften Bescheid zum Nachteil des Berufungswerbers zu ändern, besteht somit nicht. Der angefochtene Bescheid verstößt auch nicht gegen die Vorschriften der BAO über die Bemessungsverjährung (§§ 207 ff), weil er innerhalb der für Stempelgebühren und Gebührenerhöhungen maßgebenden fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 207 Abs. 2 BAO) erlassen wurde.
Der Beschwerdeführer legt den Verwaltungsinstanzen weiters zur Last, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 GebG 1957 in zweifacher Hinsicht unrichtig angewendet zu haben. Die belangte Behörde habe verkannt, daß mit dem Wiedereinsetzungsantrag von einem Rechtsbehelf Gebrauch gemacht worden sei, "der ebenso wie ein Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung wegen seines akzessorischen Charakters als Hauptbegehren mit dem im Falle der Stattgebung der Wiedereinsetzung verbundenen Nebenbegehren, nämlich auf Entscheidung über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde,
keiner zusätzlichen Stempelung unterliegt. Die Akzessorietät ist schon dadurch erkennbar, weil ohne einen solchen Wiedereinsetzungsantrag im Falle seiner Stattgebung durch den Verwaltungsgerichtshof, dieser über die gestellte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eine materiell-rechtliche Entscheidung gar nicht treffen könnte". Außerdem liege schon dem erstinstanzlichen Bescheid eine inhaltliche Rechtswidrigkeit zugrunde, weil das Finanzamt nicht den Wiedereinsetzungsantrag, sondern die subsidiär erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen des Vorliegens von 130 Entscheidungen der Gebühr unterzogen habe. Der Zusammenhang der 130 Bescheide ergebe sich aber nicht nur durch einen einzigen Antragsteller, sondern auch durch die gleiche Materie (Weingütesiegel) und bei je 65 dieser von ein und derselben Behörde erlassenen Bescheiden durch die gleiche Geschäftszahl und das gleiche Ausstellungsdatum. Zufolge der Akzessorietät der Verwaltungsgerichtshofbeschwerden mit den Wiedereinsetzungsanträgen ergebe sich, daß die vom
Beschwerdeführer durchgeführte Stempelung für seine zweifache Eingabe richtig gewesen sei und eine Nachvergebührung welcher Art immer und eine Gebührensteigerung gegen die Bestimmung des § 12 des Gebührengesetzes 1957 verstoße.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch diese Einwände des Beschwerdeführers nicht als berechtigt zu erkennen.
Die nun schon wiederholt erwähnte Vorschrift des § 12 Abs. 1 GebG 1957 bestimmt, daß die Eingabengebühr für jedes Ansuchen zu entrichten ist, wenn in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt werden.
Sinn dieser Gesetzesvorschrift ist es, eine Umgehung der Gebührenpflicht durch Kumulierung von verschiedenen Anträgen in einer Eingabe zu verhindern, wobei eine Kumulierung mehrerer Anträge anzunehmen ist, wenn in ein und demselben Schriftstück mehrere Amtshandlungen begehrt werden, die untereinander in keinem Zusammenhang stehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1972, Slg. Nr. 4372/F, und vom 4. März 1982, Zl. 81/15/0050).
In dem erstgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 30 Abs. 2 VwGG 1965) als bloßes Akzessorium der Beschwerde beurteilt und insoweit das Vorliegen eines selbständigen Antrages verneint. Auf der gleichen Linie liegt es, wenn der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Zl. 83/15/0124, ausgesprochen hat, daß auch bei Berufungen Anträge, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Hauptantrag gestellt werden, keine weitere Stempelgebührenpflicht auslösen und daß daher z. B. die in einer Berufung gestellten Beweisanträge, Anträge auf Durchführung einer Berufungsverhandlung oder Ansuchen um rasche Entscheidung zu keiner gesonderten Gebühr führen.
Wird dagegen in einer Eingabe sowohl eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nach § 46 VwGG 1965 beantragt als auch Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhoben, so werden damit zwei selbständige Amtshandlungen - nämlich einerseits die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und andererseits eine bestimmte Entscheidung über die Beschwerde - begehrt. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er den Beschwerdeantrag als bloßes Akzessorium zum Wiedereinsetzungsantrag gewertet wissen will.
Unerheblich ist auch, daß die 130 Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, auf die sich im Beschwerdefall die in der Eingabe vom 30. Juni 1980 gestellten Anträge bezogen haben, verschiedene übereinstimmende Merkmale aufgewiesen haben. Eine daraus sich ergebende Gleichartigkeit der Anträge und der begehrten Amtshandlungen bedeutet nicht, daß die Amtshandlungen in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1957, Zl. 1414/55, und vom 23. Februar 1984, Zl. 83/15/0124).
Aus den dargelegten Gründen folgt, daß die behauptete Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid nicht vorliegt. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.
Die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, macht einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 15. November 1984
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