VwGH 82/07/0190

VwGH82/07/019025.1.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde der Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Elmar Wenger, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. August 1982, GZ 3-345 T 86/1-1982, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
GdO Stmk 1967 §45 Abs1;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §32 Abs6;
WRG 1959 §98 Abs2;
AVG §8;
GdO Stmk 1967 §45 Abs1;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §32 Abs6;
WRG 1959 §98 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung stellte mit Bescheid vom 1. Juni 1982 auf Grund des § 98 Abs. 2 WRG 1959 fest, daß der sogenannte "B-bach" von seinem Ursprung bis zur Wasserentnahme für die im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung unter PZ n1 eingetragene Wasserkraftanlage als Privatgewässer anzusehen ist. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, aus gegebenem Anlaß sei es für die Wasserrechtsbehörde erforderlich festzustellen, ob der sogenannte "B-bach" als öffentliches oder privates Gewässer einzustufen sei. Die durchgeführten Erhebungen, insbesondere die Einschau in das Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Graz-Umgebung, hätten ergeben, daß vor dem Inkrafttreten des heute geltenden Wasserrechtsgesetzes 1959 bis kurz vor der Einmündung in den A-Bach keine wasserrechtlichen Bewilligungen am B-bach erteilt worden seien, die die Öffentlichkeit dieses Gewässers bewirken könnten. Es sei lediglich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz vom 25. August 1876, GZ: 9156, anläßlich der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für eine Wasserkraftanlage der B-bach im Bereiche der Wasserentnahme für die Wasserkraftanlage als öffentlich fließend bezeichnet worden. Im Oberlauf des B-baches, gesehen von dieser bewilligten Anlage abwärts, seien erst im Jahre 1962 Wasserrechtsbewilligungen zur Einleitung geklärter Abwässer erteilt worden. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b WRG 1959 seien als öffentliche Gewässer jene Gewässer anzusehen, die schon vor Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1. November 1934) anläßlich der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung als öffentlich behandelt wurden. Es müsse daher der sogenannte B-bach ab der Wasserentnahme für das im Jahre 1860 bewilligte Wasserkraftwerk als öffentlich angesehen werden, nicht hingegen im Oberlauf. Demnach sei der B-bach von seinem Quellengebiet bis zur wiederholt genannten Entnahmestelle als Privatgewässer zu qualifizieren gewesen. Dieser Bescheid wurde unter anderem der Beschwerdeführerin zugestellt.

In der Berufung gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Gemeinde vorgebracht, der nur zum Teil im Kataster öffentlich ausgewiesene B-bach sei nicht nur nach der Volksmeinung eh und je als öffentliches Gewässer anzusehen, sondern auch von seiten der Gemeinde als solches ständig behandelt und geführt worden. Demnach seien auch von seiten der Gemeinde bereits vor dem Jahre 1959 wasserrechtliche Bewilligungen mündlich erteilt worden. Der B-bach werde aus kleineren Seitengewässern gespeist; diese Gewässer seien seit eh und je als öffentliche Gewässer den jeweiligen Fischereiberechtigten von der Gemeinde verpachtet worden. Im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. Juli 1974 sei festgestellt worden, daß es sich beim B-bach um ein öffentliches Gewässer handle. Auch von der Bezirkshaupt-mannschaft Graz-Umgebung sei die Öffentlichkeit des Gewässers in den Wasserrechtsbescheiden, so z.B. im Bescheid vom 20. September 1967 unter anderem ständig behauptet worden. Ein Privatrechtstitel hätte mit der Entscheidung der Steiermärkischen Landesregierung, daß der B-bach öffentlich sei, nachgewiesen werden müssen. Unter § 2 Abs. 1 lit. c WRG 1959 sei ausgeführt, daß alle übrigen Gewässer, sofern sie nicht in diesem Bundesgesetz ausdrücklich als Privatgewässer bezeichnet würden, als öffentliche Gewässer anzusehen seien.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. August 1982 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, die Berufung der Beschwerdeführerin sei vom Bürgermeister der Gemeinde eingebracht worden. Die von der belangten Behörde durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß der Gemeinderat der Gemeinde X die Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz nicht beschlossen habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege die Legitimation zur Einbringung einer Berufung dem Gemeinderat, während dem Bürgermeister lediglich die Aufgabe zukomme, die für die Einbringung erforderlichen formalen Schritte zu unternehmen. Die Beschlußfassung hinsichtlich der Einbringung einer Berufung habe ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes innerhalb der Berufungsfrist zu erfolgen. Da unzweifelhaft feststehe, daß die Berufung nicht dem Gemeinderat der Gemeinde X zuzurechnen sei, erweise sie sich als unzulässig und sei daher zurückzuweisen gewesen. Der Vollständigkeit halber wird noch bemerkt, daß sich die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung auch inhaltlich richtig erweise. Die anders lautende Feststellung im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 22. Juli 1974 beruhe offensichtlich auf einem Irrtum der Behörde und vermöge jedenfalls eine Änderung der rechtlichen Eigenschaft des Gewässers nicht herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem im § 66 Abs. 4 AVG 1950 normierten Recht auf sachliche Erledigung ihrer Berufung verletzt, weil die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ohne allenfalls notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig zurückgewiesen und nicht in der Sache selbst entschieden habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Erhebt der Bürgermeister im Namen der Gemeinde eine Berufung, so kann dies, selbst wenn dem keine Beschlußfassung des im Innenverhältnis zuständigen Gemeindeorganes zugrunde gelegen ist, im Sinne der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu einer Zurückweisung der Berufung mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung führen (vgl. auch unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, das Erkenntnis des Gerichtshofes vom 11. Juni 1981, Zl. 684/80).

Die Gründe, welche die belangte Behörde für die Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig angeführt hat, erweisen sich demnach als nicht zutreffend, mögen sie auch auf Erwägungen fußen, von denen sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner älteren Rechtsprechung hatte leiten lassen.

Unbeschadet der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden verfehlten Rechtsauffassung der belangten Behörde war im vorliegenden Beschwerdefall zu prüfen, ob die beschwerdeführende Partei überhaupt einen Rechtsanspruch auf meritorische Behandlung ihres Rechtsmittels gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 1. Juni 1982 gehabt hat, demzufolge festgestellt worden ist, daß ein bestimmter Gewässerabschnitt als Privatgewässer anzusehen ist.

Die Verwaltungsbehörde erster Instanz hat ihren Bescheid auf § 98 Abs. 2 WRG 1959 gestützt: nach dieser gesetzlichen Bestimmung haben die Wasserrechtsbehörden insbesondere auch darüber zu entscheiden, ob ein Gewässer ein öffentliches oder ein Privatgewässer ist, jedoch mit Ausnahme des Falles, in dem ein Privatrechtstitel (§ 2 Abs. 2 leg. cit.) in Frage kommt.

Die Behörde erster Instanz ist demnach zuständig gewesen - eine Entscheidung über den Bestand eines Privatrechtstitels an diesem Gewässer ist offensichtlich nicht getroffen worden -, eine bescheidmäßige Feststellung über die rechtliche Qualifikation des Oberlaufes des B-baches als privates bzw. öffentliches Gewässer zu fällen.

Wer in einem diesbezüglichen Feststellungsverfahren Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950 hat und damit auch berechtigt ist, eine Berufung gegen einen im wasserrechtlichen Verfahren ergangenen unterinstanzlichen Bescheid einzubringen, bestimmt sich nach § 102 WRG 1959. Nach der in diesem Paragraphen enthaltenen Aufzählung sind unter anderem Parteien diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) sonst berührt werden (vgl. § 102 Abs. 1 lit. b erster Halbsatz WRG 1959).

Als bestehende Rechte sind zufolge des § 12 Abs. 2 WRG 1959 rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8 WRG 1959), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 leg. cit. und das Grundeigentum anzusehen. Zufolge § 32 Abs. 6 WRG 1959 gelten Einbringungen, Maßnahmen und Anlagen, die nach Abs. 1 bis 3 dieses Paragraphen bewilligt werden, als Wasserbenutzungen (Wasserbenutzungsanlagen) im Sinne dieses Bundesgesetzes.

Ausgehend von dieser Rechtslage ist für den Beschwerdefall zu folgern, daß sich die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei im Verfahren nach § 98 Abs. 2 WRG 1959 nicht aus deren Eigenschaft als Gemeinde ableiten läßt; insbesondere bildet auch die Erhaltung des Gemeingebrauches am Wasser nicht den Inhalt eines subjektiven Rechtes, sei es der Gemeinde, sei es ihrer einzelnen Einwohner, mögen diese auch "seit eh und je" die Meinung vertreten haben, der B-bach sei zur Gänze ein öffentliches Gewässer. Nichts gewonnen werden für die Parteistellung der Beschwerdeführerin kann auch aus ihrer Behauptung, sie hätte wasserrechtliche Bewilligungen mündlich erteilt, kommt doch einer Gemeinde nach dem Wasserrechtsgesetz keine Zuständigkeit zur Erteilung derartiger Bewilligungen zu und sind gemäß § 111 Abs. 1 WRG 1959 nur mündlich erteilte Bewilligungen (Bescheide) mit Nichtigkeit bedroht. Für die von den Wasserrechtsbehörden im administrativen Instanzenzug hier zu entscheidende Frage, ob ein Gewässer ein öffentliches oder ein Privatgewässer ist, war es auch unbeachtlich, wer in diesem Gewässer fischereiberechtigt ist. Dessenungeachtet ist der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren Parteistellung im Sinne des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 zugekommen.

Nach dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten hatte der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 22. Juli 1974, Zl. 3-348 La 1/28-1968, auf Grund einer am 29. Mai 1974 durchgeführten mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung für die Abwasserbeseitigung eines als Zone III bezeichneten Teiles des Gemeindegebietes erteilt.

Das Projekt sah die Sammlung und vollbiologische Reinigung der Abwässer dieses Gebietes vor. Als Vorfluter für die gereinigten Abwässer sollte der B-bach herangezogen werden. Daraus geht hervor, daß die beschwerdeführende Partei wasserbenutzungsberechtigt am B-bach ist. Im Verfahren über die bescheidmäßige Feststellung nach § 98 Abs. 2 WRG 1959 wurden somit im Anlaßfall, welcher der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegt, Rechte der Beschwerdeführerin als Trägerin von Wassernutzungen im Sinne des § 12 Abs. 2 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 berührt, mag ihr auch aus ihrer Eigenschaft als Gemeinde an sich (vgl. § 102 Abs. 1 lit. d leg. cit.) keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren zugekommen sein. Wohl sagt § 98 Abs. 2 WRG 1959 nichts darüber aus, wie weit der Kreis derjenigen zu ziehen ist, deren Rechte in einem derartigen Feststellungsverfahren im Sinne des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 als berührt anzusehen sind. Berührt ist in einem derartigen Feststellungsverfahren (§ 98 Abs. 2 WRG 1959) die Position derjenigen im § 102 Abs. 1 lit. b leg. cit. genannten Berechtigten, welche ein entsprechendes Interesse an der Qualifikation des betreffenden Gewässers haben. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes steht ein derartiges Interesse im Beschwerdefall außer Frage, ist doch die Wasserbenutzungsanlage der beschwerdeführenden Partei bzw. die von einer privaten Anrainerin am B-bach aufgestellte Behauptung einer angeblich konsenswidrigen Einleitung von Abwässern durch die beschwerdeführende Partei ein auslösendes Moment für die Durchführung des Feststellungsverfahrens gewesen.

Hatte nun die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall Parteistellung im Verwaltungsverfahren, so stand ihr auch ein subjektiver öffentlichrechtlicher Anspruch darauf zu, daß ihre Berufung nicht auf Grund einer verfehlten Rechtsansicht als unzulässig zurückgewiesen wurde, weshalb die Parteistellung der Beschwerdeführerin auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Grunde des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu bejahen war und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäße 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 der Aufhebung verfallen mußte.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Das über den Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 8.060,-- hinausgehende Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, da die Beschwerdeführerin als juristische Person des öffentlichen Rechts im Schriftwechsel mit Behörden gemäß § 2 Z. 3 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, keine Eingaben- und Beilagenstempel zu entrichten hat.

Wien, am 25. Jänner 1983

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