VwGH 2014/06/0001

VwGH2014/06/000130.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des H S in G, vertreten durch Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Oktober 2012, Zl. RoBau-8-1/777/4-2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A S in G, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3; 2. Gemeinde G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 2011 §2 Abs11;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 lita;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 lite;
BauO Tir 2011 §26 Abs3;
BauO Tir 2011 §6 Abs2;
BauO Tir 2011 §6 Abs3 lita;
BauO Tir 2011 §6 Abs3;
BauO Tir 2011 §6 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
ROG Tir 2011 §38;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:2014060001.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Baugesuch vom 23. August 2011 beantragte der Erstmitbeteiligte (Bauwerber) die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau einer Garage auf dem als Wohngebiet gewidmeten Grundstück Nr. 86/11, EZ 75, KG G, für das weder ein allgemeiner noch ein ergänzender Bebauungsplan besteht. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des östlich unmittelbar angrenzenden Grundstückes Nr. 86/12. Die Garage soll auf eine Länge von 9 m und eine Breite von 3,9 m im, von der öffentlichen Verkehrsfläche aus gesehen, hinteren Teil der Bauliegenschaft im unmittelbar an der Grundgrenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers gelegenen Bereich errichtet werden. Auf dem Baugrundstück befindet sich bereits ein Wohnhaus.

Am 14. September 2011 führte das Amt der Tiroler Landesregierung - Baubezirksamt Innsbruck, Wasserwirtschaft, im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme aus, das Fußbodenniveau der Garage sei zur Sicherung gegen eventuell überbordende Hochwässer des G.-baches mindestens auf die Absoluthöhe von 1238,20 m anzuheben, die aufgehenden Mauern seien bis zu einer Absoluthöhe von 1239,20 m in Stahlbeton herzustellen, und die Eingangstür sowie die Garagentore seien massiv und dicht sowie nach außen aufgehend auszugestalten.

Mit Schreiben vom 20. September 2011 erstattete die Wildbach- und Lawinenverbauung - Gebietsbauleitung Mittleres Inntal eine gutachterliche Stellungnahme, wonach sich der gegenständliche Bauplatz laut Gefahrenzonenplan in der gelben Lawinengefahrenzone der G.-Lawine befinde. Die Gefährdung ergebe sich aus dem Umstand, dass bei Eintritt eines 150-jährigen Bemessungsereignisses damit gerechnet werden müsse, dass der direkt an das Grundstück angrenzende Lawinenschutzdamm überfahren werden könne. Es sei mit einer erheblichen Gefährdung des Gebäudes zu rechnen. Die neu zu errichtende Garage solle im Abstand von 3 m bis 4 m zu der bereits bestehenden, in den Lawinenschutzdamm integrierten Garage auf Grundstück Nr. 86/36 errichtet werden. Aufgrund der im Falle des Überfahrens des Lawinenschutzdammes entstehenden Gefährdung wäre aber ein unmittelbarer Anschluss der Garage an die bestehende empfehlenswert, damit Druckkräfte lediglich auf die Dachkonstruktion des künftigen Gebäudes wirkten. Es sollten die Auflagen erteilt werden, dass die südliche Garagenfront inklusive des Garagentores einer Druckkraft von 700 kg/m2 standhalte, das Garagentor sich nach außen öffne und nachweislich kraftschlüssig erschlossen werden könne. Die Dachkonstruktion sei auf eine Druckkraft von 500 kg/m2 Dachlast zu dimensionieren. Die Garage selbst sei in bewehrtem Stahlbeton auszuführen und derart zu dimensionieren, dass die Kräfte der erforderten Dachlast schadlos vom Unterbau aufgenommen werden könnten.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. September 2011, bei der der Beschwerdeführer Einwendungen betreffend die Verletzung von Verfahrensrechten, die Planunterlagen, die mangelnden Voraussetzungen für das Fehlen eines Bebauungsplanes, die Errichtung in der Gefahrenzone, die Nichteinhaltung der Abstandsregelungen und den Brandschutz erhob, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 12. Jänner 2012 dem Bauwerber nach Maßgabe der eingereichten Planunterlagen sowie unter Vorschreibung von Auflagen gemäß § 27 Abs. 6 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) die beantragte Baubewilligung.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. April 2012 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, die Einwendungen des Beschwerdeführers in Bezug auf die von der Wildbach- und Lawinenverbauung empfohlenen Auflagen hinsichtlich der Öffnung beziehungsweise Schließung des südlichen Garagentores berührten rein öffentliche Interessen und keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. Es handle sich um privatrechtliche Einwendungen. Zudem befinde sich das Grundstück Nr. 86/36 nicht im Eigentum des Beschwerdeführers, sondern der Agrargemeinschaft G.

Laut hochbautechnischem Sachverständigen betrage die Wandhöhe am südlichen Ende der Garage 2,77 m und am nördlichen Ende 2,80 m. Die relevanten Höhenangaben ergäben sich aus dem Lageplan von DI W. J. vom 2. September 2009. Hinsichtlich der auf die Stellungnahme des Baubezirksamtes Innsbruck vom 14. September 2011 zurückgehenden und in den erstinstanzlichen Bescheid aufgenommenen Nebenbestimmung, wonach das Fußbodenniveau der Garage auf die Absoluthöhe von 1.238,20 m zu heben sei, liege nach den Planunterlagen am südlichen Ende der Garage eine Differenz von 3 mm und am nördlichen eine Differenz von 6 mm vor. Dadurch seien weder die Nachbarrechte noch § 2 Abs. 11 iVm § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2011 verletzt. Die Ausgestaltung der Dachform stelle keine unzulässige Umgehung des § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2011 dar, da § 2 Abs. 11 TBO 2011 lediglich das maximal zulässige Ausmaß der Ausgestaltung der Dachneigung normiere und es unerheblich sei, in welcher konkreten Ausgestaltung dieses Ausmaß ausgeschöpft werde.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach das bestehende Wohnhaus bei der Berechnung der zulässigen Verbauung der seitlichen Abstandsflächen miteinzubeziehen sei, gehe ins Leere. Die bestehende Verbauung in den Mindestabstandsflächen sei ermittelt worden. Laut den Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen weise die gesamte Grundgrenze eine Länge von 32,07 m auf, wovon nunmehr 9 m verbaut würden. Somit würde die gemeinsame Grundgrenze weniger als zur Hälfte verbaut. Auch die Ermittlung der im Ausmaß von maximal 15 % der Bauplatzfläche zulässigen Verbauung im Mindestabstandsbereich sei erfolgt, und es sei schlüssig dargelegt worden, dass das gemäß § 6 Abs. 6 TBO 2011 zulässige Ausmaß nicht überschritten werde.

Die Einwände bezüglich der Rechtmäßigkeit bestehender baulicher Anlagen beziehungsweise deren Nutzung seien nicht verfahrensgegenständlich. Allenfalls wäre im Rahmen eines baupolizeilichen Verfahrens amtswegig vorzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig zurück- oder abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 2 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

(2) Gebäude sind überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

...

(10) Nebengebäude sind Gebäude, die aufgrund ihres Verwendungszweckes einem auf demselben Grundstück befindlichen Gebäude funktionell untergeordnet und nicht für Wohnzwecke bestimmt sind, wie Garagen, Geräteschuppen, Gartenhäuschen und dergleichen. Nebenanlagen sind sonstige bauliche Anlagen, die aufgrund ihres Verwendungszweckes einem auf demselben Grundstück befindlichen Gebäude funktionell untergeordnet sind, wie Überdachungen, Stellplätze, Zufahrten und dergleichen.

(11) Die mittlere Wandhöhe ist der Abstand zwischen dem Niveau des an ein Gebäude anschließenden Geländes und dem Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut, wobei Höhenunterschiede, die sich aus der Neigung einer Dachfläche bzw. des anschließenden Geländes ergeben, bis insgesamt höchstens 3 m gemittelt werden. Übersteigt die Neigung einer Dachfläche den Winkel von 45 Grad , so ist dieser Schnitt unter der Annahme zu ermitteln, dass die Dachneigung 45 Grad beträgt, wobei vom höchsten Punkt jener Dachfläche auszugehen ist, deren Neigung den Winkel von 45 Grad übersteigt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.

...

(13) Garagen sind Gebäude oder Gebäudeteile, die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind.

...

(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Fänge, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen, Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen.

..."

§ 6 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der

  1. a) ...
  2. b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,

    ...

    beträgt.

    ...

(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:

a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;

b) Fänge sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist.

(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Fangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten; ...

b) Pergolen und dergleichen, sofern deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, sonstige überwiegend offene oberirdische bauliche Anlagen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, wie Terrassen und dergleichen, sowie offene Schwimmbecken;

c) Stützmauern, Geländer, Brüstungen, Einfriedungen und dergleichen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von insgesamt 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe nachweislich zu;

d) Stellplätze einschließlich der Zufahrten;

...

(6) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v. H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinn des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 verbaut werden. Dabei bleiben bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. c und d sowie Pflasterungen und dergleichen unberücksichtigt. Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass innerhalb der Mindestabstandsflächen zu jedem angrenzenden Grundstück und zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von solchen baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. Gemeinsame Grenzen von weniger als 3 m Länge auf einer Seite bleiben unberücksichtigt.

..."

§ 26 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lautet auszugsweise:

"(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

...

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

...

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

..."

§ 38 TROG 2011, LGBl. Nr. 56/2011, lautet auszugsweise:

"38. (1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:

a) Wohngebäude,

...

(4) Im Wohngebiet und im gemischten Wohngebiet dürfen unter den gleichen Voraussetzungen wie für Gebäude auch Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden. Weiters dürfen sonstige Bauvorhaben, die einem im jeweiligen Gebiet zulässigen Verwendungszweck dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen, ausgeführt werden."

Die Beschwerde führt im Wesentlichen aus, es stelle eine Verletzung des Nachbarrechts nach § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 dar, wenn entgegen der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung die Öffnung des Garagentores laut bewilligtem Bescheid nach innen erfolge. Aufgrund der speziellen Lage des Grundstücks in der gelben Gefahrenzone seien besondere Anforderungen an die Baulichkeit zu richten. Durch Berücksichtigung der Auflagen der Wildbach- und Lawinenverbauung könnten Gefahren für die nachbarschaftlichen Anlagen oder Personen infolge eines allfälligen Naturereignisses hintangehalten werden. Aufgrund der sich nach innen öffnenden Tür könnte es in der Garage etwa zu einer Ansammlung von Wasser-, Schlamm- und Geschiebeeintrag kommen, und es könnten sich diese Mengen explosionsartig wegen der sich aufbauenden Druckverhältnisse ausbreiten, was zu einem Überschwappen auf die Liegenschaft des Beschwerdeführers und somit zu einer Gefährdung der sich darauf befindlichen Personen führte. Ähnlich verhalte es sich bei Lawinen, bei denen ebenfalls mit einer Zerstörung des Gebäudes samt Verbringung von Gebäudeteilen auf das Grundstück des Beschwerdeführers zu rechnen sei. Die Gefährdungslage sei aufgrund der Öffnung der Garagentüre nach innen höher.

Weiters liege eine Überschreitung der maximal zulässigen mittleren Wandhöhe vor. Die Überschreitung ergebe sich daraus, dass unter Heranziehung einer technischen Notlösung versucht werde, die mittlere Wandhöhe zum Grundstück des Beschwerdeführers auf 2,8 m hin zu situieren, dies bei einer Neigung von 45 Grad von rund einem halben Meter Breite und bis hin zu einer Höhe von 3,43 m und danach in einer Steigung von 5 Grad verlaufend bis zum Wohngebäude hin auf eine Höhe von 3,71 m. Die mittlere Wandhöhe sei nicht nur im unmittelbaren Grenzbereich zwischen den Grundstücken des Bauwerbers und des Beschwerdeführers zu ermitteln, sondern es seien auch die weiteren Wandhöhen im gesamten Abstandsbereich (auch im nördlichen, südlichen sowie westlichen Bereich) zu berücksichtigen.

Zur Sicherung gegen eventuell überbordendes Hochwasser des G.- baches sei das Fußbodenniveau der Garage entsprechend den Auflagen des Baubezirksamtes Innsbruck mindestens auf die Absoluthöhe von 1.238,20 m anzuheben. Die Einreichunterlagen stünden jedoch im Widerspruch zum Baubescheid. Bei geforderter Anhebung des Garagenfußbodens veränderte sich die Gebäudesituation im nördlichen Bereich um 6 cm und im südlichen um 3 cm - nicht hingegen 6 mm beziehungsweise 3 mm, wie von der Behörde angenommen. Damit würde auch die nördliche Wandhöhe 2,86 m sowie die südliche 2,80 m und somit die mittlere Wandhöhe 2,83 betragen, was über der gesetzlichen Vorgabe liege.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichteinbeziehung des Wohnhauses bei der Beurteilung der Abstandsbestimmungen nach § 6 Abs. 6 TBO 2011 im Hinblick auf die 15 %-Beschränkung der Errichtung von näher genannten Bauwerken in Mindestabstandsflächen sowie die Verbauung von maximal der Hälfte der gemeinsamen Grundgrenze. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass ausschließlich die in § 6 Abs. 3 lit. a leg. cit. genannten baulichen Anlagen berücksichtigt würden, nicht jedoch sonstige Gebäude, wie etwa das bestehende Wohnhaus des Erstmitbeteiligten. Diesbezüglich wären auch Ermittlungen über die Rechtmäßigkeit und Lage des Gebäudes durchzuführen gewesen.

Aus Anlass des Beschwerdefalles stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. August 2013, Zl. A 2013/0003, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, das Wort "solchen" in § 6 Abs. 6 dritter Satz zweiter Halbsatz der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl. Nr. 57/2011, als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom 25. November 2013, G 80/2013, abgewiesen und führte begründend im Wesentlichen aus, es bestünden keine gleichheitsrechtlichen Bedenken dagegen, dass § 6 Abs. 2 und 3 TBO 2011 die Errichtung von Wohngebäuden in Mindestabstandsflächen nicht erlaube und diese gemäß § 6 Abs. 6 TBO 2011 bei der Errichtung der dort genannten baulichen Anlagen überhaupt nicht berücksichtigt würden.

Die Beschwerdeausführungen, dass das bestehende Wohnhaus bei der Beurteilung der zulässigen Bebauung im Seitenabstand zu berücksichtigen wäre, ist daher nach dem vom Verfassungsgerichtshof für verfassungskonform gehaltenen eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 6 TBO 2011 nicht zielführend. Bemerkt wird, dass somit das Wohngebäude auch bei Bauführungen des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung nicht anzurechnen ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach aufgrund der Situierung des Grundstückes in der gelben Gefahrenzone ungewöhnliche Umstände vorlägen und er Gefährdungen seiner Liegenschaft durch ein Naturereignis mit Wasser, Schlamm und Geschiebeeintrag oder Lawinen fürchte, bezieht sich auf Gefährdungen durch Naturgewalten. Einem Nachbarn kommen im Baubewilligungsverfahren aber keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte hinsichtlich Gefährdungen seiner Liegenschaft in Folge von Naturgewalten, wie etwa Hochwasser oder Vermurung und Steinschlag sowie Erdrutsch, zu, weil diese Fragen lediglich öffentliche Interessen berühren (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0239, und vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0103). Diese Bestimmungen dienen nämlich nicht der Abwehr von typischen, durch das örtliche Naheverhältnis begründeten negativen Auswirkungen eines Baus auf die Umgebung (vgl. das zur Kärntner Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2002/05/1032). Der Beschwerdeführer hat daher unter baurechtlichen Gesichtspunkten auch kein subjektivöffentliches Recht darauf, dass bei baulichen Maßnahmen auf Nachbargrundstücken darauf zu achten wäre, dass die im Katastrophenfall für das Grundstück des Beschwerdeführers zu erwartenden Naturgefahren keine quantitative Veränderung erfahren (vgl. das hg Erkenntnis vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0236). Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

Aus § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, ergibt sich, dass dem Nachbarn ein Mitspracherecht hinsichtlich der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes zusteht, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Der Nachbar hat aber kein Mitspracherecht hinsichtlich der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan schlechthin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2012, Zl 2012/06/0061). Auf dem gegenständlichen, als Wohngebiet gewidmeten Baugrundstück ist gemäß § 38 TROG 2011, LGBl. Nr. 56/2011, die Errichtung von Nebengebäuden, wie etwa Garagen, unter den gleichen Voraussetzungen wie für Wohngebäude zulässig, wobei insoweit § 38 TROG 2011 dem Nachbarn keinen Immissionsschutz gewährt. Dass durch die Baulichkeit und ihre rechtmäßige Benützung konkrete, das übliche Ausmaß der Widmungskategorie "Wohngebiet" übersteigende Immissionen zu erwarten wären, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Grundsätzlich kommen dem Nachbarn gemäß § 26 Abs. 3 lit. e TBO 2011 subjektiv-öffentliche Rechte hinsichtlich der Abstandsbestimmungen des § 6 TBO zu. Nach § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2011 ist in den Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m die Errichtung von oberirdischen baulichen Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe beziehungsweise Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m nicht übersteigt, zulässig.

Ausgehend von § 2 Abs. 11 TBO 2011, wonach die mittlere Wandhöhe der Abstand zwischen dem Niveau des an ein Gebäude anschließenden Geländes und dem Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut ist und Höhenunterschiede, die sich aus der Neigung einer Dachfläche beziehungsweise des anschließenden Geländes ergeben, bis insgesamt höchstens 3 m gemittelt werden, kann der Behörde bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe nicht entgegengetreten werden. Die Wandhöhe nach der Ostansicht der Baupläne beträgt, wie dies auch der hochbautechnische Sachverständige dargelegt hat, am nördlichen Ende 2,80 m und am südlichen 2,77 m. Somit liegt der gemittelte Wert unter der maximal zulässigen mittleren Wandhöhe von 2,80 m. Hinsichtlich der Beschränkung der mittleren Wandhöhe beziehungsweise der Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite auf 2,80 m stellt der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2011 ausschließlich auf die dem Nachbarn zugewandte Seite einer baulichen Anlage ab. Folglich erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sämtliche in den Mindestabstandsflächen befindlichen Wände bei der Ermittlung der gemittelten Wandhöhe heranzuziehen seien, als unzutreffend. Bemerkt wird im Übrigen, dass § 2 Abs. 11 TBO 2011 auf den Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut abstellt und die hier maßgebliche Dachneigung den nach dieser Bestimmung zulässigen Winkel von 45 Grad nicht übersteigt.

Weiters verkennt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Bezug auf die laut Sachverständigengutachten erforderliche Absoluthöhe des Fußbodenniveaus der Garage, dass dieses keinen Einfluss auf die mittlere Wandhöhe der Garage hat, da gemäß § 2 Abs. 11 TBO 2011 einerseits das an das Gebäude anschließende Gelände und andererseits der Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut ausschlaggebend ist. Eine Absenkung oder Anhebung des Fußbodenniveaus im Inneren der Garage kann somit keinen Einfluss auf die maximal zulässige Wandhöhe haben.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. September 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte