VwGH 2013/22/0007

VwGH2013/22/000722.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Anna-Neumann-Straße 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 25. Oktober 2012, Zl. 158.808/5-III/4/12, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
AVG §68 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die in erster Instanz vorgenommene Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, vom 10. Jänner 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 iVm § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 25. November 2007 illegal eingereist und habe am 28. November 2007 einen Asylantrag eingebracht. Der Asylantrag sei letztinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AGH) vom 7. Dezember 2011 in Verbindung mit einer Ausweisung als unbegründet abgewiesen worden.

Am 10. Jänner 2012 habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag eingebracht. Dieser sei von der erstinstanzlichen Behörde mit Bescheid vom 6. Juli 2012 zurückgewiesen worden.

Liege bereits eine rechtskräftige Ausweisung vor und sei aus dem begründeten Antragsvorbringen kein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Neubewertung im Hinblick auf Art. 8 EMRK bedürfe, ersichtlich, könne die Behörde den Antrag ohne Einholung einer Stellungnahme der Sicherheitsdirektion zurückweisen. Die erstinstanzliche Behörde habe aus den Ausführungen des Beschwerdeführers keinen maßgeblich geänderten Sachverhalt erkannt und den Antrag korrekterweise zurückgewiesen. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung könne der Berufung ebenfalls nicht entnommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 maßgeblich.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist u.a. ein Antrag wie der vorliegende als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhalts als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinne des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorliegen, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Blick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2012/22/0068).

Im Grunde des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG haben nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, 2011/22/0110).

Auch wenn die Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich sehr kurz gehalten ist, kann die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Im Asylverfahren wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des AGH vom 7. Dezember 2011 bestätigt. Bereits am 10. Jänner 2012 brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag ein. In einer Niederschrift vom selben Tag gab er zu seinem Antrag an, dass er seit 2010 als Zeitungszusteller sieben Tage in der Woche arbeite, eine Beschäftigungszusage als Softwareentwickler bei einem anderen Unternehmen habe und nie eine soziale Unterstützung erhalten habe. Er habe in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Er habe in Österreich eine Bekannte und pflege mit seinen Freunden regelmäßig (mehrmals pro Woche) Kontakt. Seine gesamte Familie lebe in Pakistan. Er lege Empfehlungsschreiben von privaten Personen vor.

In der Stellungnahme vom 16. März 2012 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er eine qualifizierte Ausbildung aufweise, sein Aufenthalt in Österreich von vielen Österreichern befürwortet werde, er seit über vier Jahren im Bundesgebiet lebe und keine soziale Unterstützung benötigt habe sowie als Zeitungszusteller tätig sei. Er habe sehr gute Deutschkenntnisse und sei um eine vollkommene Integration bemüht. Auf all diese Umstände sei seitens des Asylgerichtshofes nicht detailliert eingegangen worden bzw. liege sehr wohl ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor.

Der Behörde kann nicht vorgeworfen werden, dass sie aus dem zitierten Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren keine wesentliche Sachverhaltsänderung gegenüber der Sachverhaltsgrundlage der kurz zuvor ausgesprochenen Ausweisung abgeleitet hat. Hingegen ist dieses Vorbringen unschwer dahin zu verstehen, dass in Wahrheit eine unrichtige Entscheidung des AGH geltend gemacht wird.

Erst in der Berufung - und im vorliegenden Verfahren daher nicht relevant - hat der Beschwerdeführer eine Lebensgemeinschaft ins Treffen geführt, in der "nach muslimischem Recht" die Ehe geschlossen worden wäre. Soweit nun in der Beschwerde die Schwangerschaft der Lebensgefährtin angesprochen wird, kann dies schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil es sich dabei um ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt.

Entgegen der Beschwerdeansicht kann daher der belangten Behörde weder ein unzureichendes Ermittlungsverfahren noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgeworfen werden.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 22. Jänner 2014

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