VwGH 2013/15/0259

VwGH2013/15/025921.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. August 2013, Zl. IKD(Gem)-524708/1-2013-Gb/Os, betreffend Kommunalsteuer über den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 31. Dezember 2008 (mitbeteiligte Partei: X AG in L), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
B-VG Art131;
EStG §15;
EStG §25 Abs1 Z1 lita;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
B-VG Art131;
EStG §15;
EStG §25 Abs1 Z1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrates der beschwerdeführenden Landeshauptstadt wurde gegenüber der mitbeteiligten Partei, einem Bankinstitut, Kommunalsteuer für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 31. Dezember 2008 festgesetzt und ein Nachforderungsbetrag von 20.364,10 EUR vorgeschrieben.

2 In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte die mitbeteiligte Partei vor, die Nachforderung ergebe sich daraus, dass die Behörde Sachbezüge für folgende ihren Mitarbeitern eingeräumte Vorteile angesetzt habe:

"Guthabenverzinsung und Sollzinsenverrechnungen bei den Girokonten

kostenlose Inanspruchnahme der Maestrokarte

kostenlose Inanspruchnahme von Kreditkarten

kostenlose Benützung von Safes und Schließfächern

kostenlose Depotgebühren"

3 Der Ansatz diesbezüglicher Sachbezüge sei nicht gerechtfertigt. Die geldwerten Vorteile im Zusammenhang mit dem begünstigten Kreditkartenbezug seien nicht auf Veranlassung der mitbeteiligten Bank, sondern ausschließlich auf Veranlassung von Kreditkartenfirmen, also von dritter Seite erfolgt und damit nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Weiters liege nach der Rechtsprechung kein beitragspflichtiger Sachbezug vor, wenn ein weit überwiegendes oder ausschließlich eigenbetriebliches Interesse des Dienstgebers an der Vorteilsgewährung bestehe. Dies treffe auf die kostenlose Kontenführung zu. Da die Bankmitarbeiter gehalten seien, ihre Bankgeschäfte über den Arbeitgeber abzuwickeln, sei davon auszugehen, dass die Bank mit der kostenlosen Kontenführung einen Anreiz schaffe, das von ihr gewünschte Verhalten des Mitarbeiters herbeizuführen, welches mit der Unannehmlichkeit verbunden sei, ihre Vermögensverhältnisse gegenüber dem Arbeitgeber zu offenbaren. Überdies könne ein Sachbezug nur dann angesetzt werden, wenn der Mitarbeiter günstigere Konditionen erhalte als jene, die er beim jeweils günstigsten Anbieter am regionalen Markt für eine vergleichbare Leistung erhalten könnte. Zur Dokumentation der von anderen Banken gebotenen günstigsten Konditionen wurde auf ein nachzureichendes Sachverständigengutachten verwiesen.

4 In dem zur Konkretisierung der Fremdüblichkeit der den Mitarbeitern eingeräumten Vorteile in Auftrag gegebenen Gutachten kam der Sachverständige zur Feststellung, dass die meisten der streitgegenständlichen Bankdienstleistungen auch am freien Markt angeboten bzw. seitens der Bank auch externen Kunden eingeräumt würden.

5 Der Stadtsenat der Beschwerdeführerin gab der Berufung teilweise statt. Unter Berücksichtigung der Einwände der mitbeteiligten Bank (z.B. bezüglich der Kreditkarten und Maestrocards) sei - wie näher begründet - eine pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage pro Mitarbeiter und Jahr von 50 EUR der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage zuzurechnen. Die mitbeteiligte Partei habe diesen Ansatz (durch den es zu einer Reduzierung des Nachforderungsbetrages auf 6.798,24 EUR kam) aus "verwaltungsökonomischen Gründen und um eine einheitliche Vorgehensweise im Bankensektor zu definieren" zur Kenntnis genommen.

6 In der Folge erhob die mitbeteiligte Partei dagegen Vorstellung an die Landesregierung, der mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stattgegeben wurde. Die belangte Behörde hob den Bescheid des Stadtsenates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt zurück.

7 In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Rechtsmittelinstanz sei den Einwänden der mitbeteiligten Partei im Hinblick auf die von dritter Seite gewährten Vorteile implizit gefolgt, indem nur mehr der Betrag von 50 EUR pro Mitarbeiter und Jahr zum Ansatz gebracht worden sei. Auf das Argument der Vorteilsgewährung von dritter Seite sei daher nicht mehr einzugehen.

8 Zu den anderen Streitpunkten sei auf das vorgelegte Gutachten zu verweisen. Dieses komme zum Ergebnis, dass für die Leistungen "Führung von Girokonten, Maestrokarte, Kreditkarte und Depotführung" kostenlose Angebote am österreichischen Bankenmarkt anzutreffen seien, wenn diese Transaktionen über Internet durchgeführt werden. Da auch Schaltertransaktionen der Mitarbeiter der mitbeteiligten Bank kostenpflichtig wären, sei nur dieser Vergleich relevant. Das Gutachten habe auch festgestellt, dass es durch Kombinationen von Gratis-Girokonten mit kostenlosen Zusatzleistungen und Sparkonten möglich sei, sogar bessere Konditionen zu erzielen als jene, die den Bankmitarbeitern geboten würden. Da die "Beziehungsgeschäfte" der mitbeteiligten Bank zu ihren Mitarbeitern faktisch zwingend seien, könnten sich für die Mitarbeiter sogar Nachteile ergeben.

9 Nach dem von der mitbeteiligten Bank eingeholten Gutachten habe einzig und allein die kostenlose Inanspruchnahme von Safes und Schließfächern, wie sie den Mitarbeitern eingeräumt worden sei, bei Fremdbanken nicht festgestellt werden können. Der insgesamt festgestellte Vorteil der mitbeteiligten Bank aus den Beziehungsgeschäften mit den Mitarbeitern überdecke jedoch diesen Einzelvorteil bei den Safes und Schließfächern.

10 Das Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Ihm lägen auch eine ausreichende Anzahl von immerhin elf untersuchten Bankinstituten zu Grunde. Nach dem Gutachten zeige ein Vergleich mit den Angeboten anderer Banken, dass eine kostenlose Kontenführung einschließlich kostenloser Bankomat- und Kreditkarte selbst für jede Privatperson (geschweige denn für eine größere Zielgruppe wie sie die Mitarbeiter darstellten) am freien Markt erhältlich sei. Entgegen der Rechtsmittelinstanz sei auch nicht ein absolutes und ausschließliches Abstellen auf den Vorteil des Arbeitnehmers bzw. die Interessen des Arbeitgebers relevant. Ein ausschließliches bzw. weit überwiegendes Interesse des Dienstgebers an der Vorteilsgewährung schließe nämlich das Vorhandensein eines lohnwerten Sachbezuges aus. Nach der Judikatur des deutschen Bundesfinanzhofes sei selbst für den hier vorliegenden Fall, dass ein Vorteil in Bezug auf Einzelleistungen festgestellt werde, dieser Wert dem Gewicht des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers entgegenzuhalten und entsprechend abzuwägen. Nach Ansicht der Vorstellungsbehörde sei dieser Grundsatz auch auf die österreichische Rechtslage anzuwenden. Judikate des Verwaltungsgerichtshofes seien "für den gegenständlichen Abgabenfall aufgrund des besonderen, in der faktischen Verpflichtung der Vorteilsinanspruchnahme begründeten Beziehungsgeschäfts nicht einschlägig".

11 Dass die den Mitarbeitern gewährten Vorteile deren Dienstleistungen abgelten sollten, sei eine bloße Behauptung der Rechtsmittelinstanz, der die mitbeteiligte Bank entgegengetreten sei. Auf Grund des vorliegenden Gutachtens könne der Feststellung der Rechtsmittelinstanz, dass "konkret die Frage des Überwiegens

der Begünstigungen der BankmitarbeiterInnen ... eindeutig und

unzweifelhaft im Vordergrund stehe", nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde komme vielmehr zur gegenteiligen Ansicht in der Form, dass die eigenbetrieblichen Interessen der mitbeteiligten Bank in einem solchen Ausmaß überwiegen, dass von einem lohnnebenkostenpflichtigen geldwerten Sachbezug im Beschwerdefall nicht gesprochen werden könne.

12 Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde der Landeshauptstadt.

13 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Gegenschrift und beantragten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde unter anderem vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

15 Das Beschwerderecht nach Art. 119a Abs. 9 B-VG stellt ein Beschwerderecht wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung dar und ist daher als Parteibeschwerde zu betrachten. Mit Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof kann eine Rechtsverletzung von der Gemeinde releviert werden, wenn die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides überhaupt nicht hätte erfolgen dürfen, aber auch dann, wenn der Gemeindebehörde mit dem Vorstellungsbescheid eine Rechtsansicht überbunden wird, die eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes bewirkt. Der Bescheid der Vorstellungsbehörde ist daher wegen der Bindungswirkung aufgrund einer Beschwerde der Gemeinde schon dann aufzuheben, wenn sich auch nur ein den Spruch tragender Aufhebungsgrund im vorstehenden Sinne als rechtswidrig erweist. Die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht jedoch auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen (vgl. VwGH vom 17. Dezember 2015, 2012/05/0063, mwN).

16 Die belangte Behörde hat das Vorliegen geldwerter Vorteile verneint, weil ein möglicher Vorteil in Bezug auf Einzelleistungen des Arbeitgebers dem Gewicht des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers entgegenzuhalten und abzuwiegen sei. Im Beschwerdefall würden die eigenbetrieblichen Interessen der mitbeteiligten Bank in einem solchen Maß überwiegen, dass (insgesamt) von keinen lohnnebenkostenpflichtigen geldwerten Sachbezügen gesprochen werden könne.

17 Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Gemäß § 5 Abs. 1 KommStG 1993 ist Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.

18 Nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) u.a. Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Die geldwerten Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) sind gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

19 Ein Vorteil wird dann für ein Dienstverhältnis gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Das ist dann der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. VwGH vom 19. September 2013, 2013/15/0183).

20 Mit dem Ansatz eines Sachbezugswertes im Sinne des § 15 EStG 1988 wird der Vorteil erfasst, der darin besteht, dass sich der Dienstnehmer jenen Aufwand erspart, der ihm erwachsen würde, wenn er für die Kosten einer vergleichbaren Leistung aus Eigenem aufkommen müsste (vgl. VwGH vom 22. März 2010, 2008/15/0078).

21 Für den Fall eines (erheblichen) betrieblichen Interesses an einer Vorteilsgewährung liegt nach der ständigen ertragssteuerrechtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann kein geldwerter Vorteil im Sinne des § 15 EStG 1988 vor, wenn die Inanspruchnahme im "ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers" liegt (vgl. mit weiteren Nachweisen VwGH vom 31. Juli 2013, 2009/13/0157).

22 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Mai 2014, 2010/13/0196, ausgeführt hat, setzt die Beurteilung der kostenlosen Kontoführung als nicht steuerbar die Ausschließlichkeit des Interesses des Arbeitgebers an dieser Kontenführung derart voraus, dass nach der Lage des konkreten Einzelfalles für den Arbeitnehmer ein aus der kostenfreien Führung des Mitarbeiterkontos resultierender Vorteil schlechthin nicht bestand. Dies trifft dann zu, wenn den Mitarbeitern alternativ auch bei anderen Geldinstituten eine vergleichbare entgeltfreie Kontenführung ohne weiteres möglich gewesen wäre.

23 Dass die Mitarbeiter alternativ auch bei anderen Banken kostenlos Safes oder Schließfächer hätten benützen können, wurde in dem von der belangten Behörde als maßgeblich erachteten Gutachten nicht festgestellt. Das Vorliegen solcher Angebote behauptete die mitbeteiligte Bank auch nicht. Soweit die belangte Behörde diesen Umstand mit der Begründung als unerheblich beurteilt hat, dass die eigenbetrieblichen Interessen des Arbeitgebers überwiegen, hat sie nach dem Gesagten die Rechtslage in einem für die Vorstellungsentscheidung tragenden Aufhebungspunkt verkannt.

24 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

25 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 21. April 2016

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