Normen
BAO §293;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013150215.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde der Vorstellung des Landes Niederösterreich Folge gegeben und den Bescheid der beschwerdeführenden Stadtgemeinde P vom 3. Dezember 2012 betreffend Kommunalsteuer "behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde (P) verwiesen".
Begründend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass das "Amt der Landesregierung" als Hilfsapparat der obersten Landesorgane sich mangels Rechtspersönlichkeit nicht als Bescheidadressat eigne. Zudem bleibe aufgrund einer - insofern rechtswidrigen - Zustellverfügung an das "Amt der Landesregierung", also an den Hilfsapparat sowohl des Landeshauptmannes als auch der Landesregierung, überhaupt offen, wem eine solche Erledigung zuzustellen sei.
Gegenüber dem Land Niederösterreich sei die Erledigung vom 18. Dezember 2007 daher als Bescheid nicht erlassen worden und habe auch keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalten können. Daraus folge, dass auch keine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sei, weil eine Voraussetzung dafür sei, dass gegen einen Bescheid ein Rechtmittel nicht oder nicht mehr zulässig sei.
Der Berufung des Landes Niederösterreich vom 31. Oktober 2012 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde P vom 28. September 2012 betreffend Wiederaufnahme hätte somit Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben werden müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift erwogen:
An der rechtswirksamen Erlassung des Bescheides gegenüber dem Land Niederösterreich ändert der Umstand nichts, dass in Spruch und Zustellverfügung des Bescheides vom 18. Dezember 2007 als Bescheidadressat das "Amt der Landesregierung" und nicht das Land Niederösterreich bezeichnet wurde.
Wenn sich die Behörde nämlich bloß in der Bezeichnung des Adressaten vergreift, aber aus der Erledigung insgesamt offenkundig ist, wer gemeint war, schadet die fehlerhafte Bezeichnung nicht; in diesem Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung des Bescheides zu klären ist, an wen er gerichtet ist.
So hat der Verwaltungsgerichtshof in einem verstärkten Senat vom 25. Mai 1992, 91/15/0085, in einem abgabenrechtlichen Fall ausgesprochen, dass dann, wenn im Spruch eines Bescheides als dessen Adressat anstatt der Stadtgemeinde selbst deren Magistrat angeführt ist, aber der Bescheid als Ganzes unter Bedachtnahme auf seine Begründung eindeutig und für die Parteien des Abgabenverfahrens offenkundig den Schluss zulässt, dass er sich an die Stadtgemeinde als Verfahrenspartei richtet, ein bloßes Vergreifen in der Bezeichnung des Bescheidadressaten und somit ein berichtigungsfähiger Fehler vorliegt. Über die Fehlbezeichnung ist, auch wenn ein Berichtigungsbescheid noch nicht erlassen worden ist, mit der Wirkung hinwegzusehen, dass der Bescheid als an die Stadtgemeinde selbst ergangen anzusehen ist.
In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt die Rechtsansicht geäußert, dass die unrichtige Anführung einer nicht rechtsfähigen Einrichtung eines Rechtsträgers an der Stelle des Rechtsträgers selbst als Adressat eines abgabenrechtlichen Bescheides der Wirksamkeit des Bescheides nicht im Wege steht, wenn unter Berücksichtigung der objektiven Rechtslage und der Begründung des Bescheides schon für den Betroffenen nicht mehr zweifelhaft sein kann, dass die Verwaltungsbehörde eine bescheidmäßige Erledigung gegenüber dem Rechtsträger selbst treffen wollte und getroffen hat (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 27. März 2003, 2002/15/0061, und 24. September 2003, 97/13/0224).
Auch im vorliegenden Fall ist nicht zweifelhaft, dass die Verwaltungsbehörde eine bescheidmäßige Erledigung gegenüber dem Land Niederösterreich treffen wollte und getroffen hat.
Das Land Niederösterreich selbst ist beim Verständnis der an das "Amt der Landesregierung" erfolgten Adressierung des Bescheides vom 18. Dezember 2007 ebenfalls davon ausgegangen, dass es Bescheidadressat gewesen sei, und hat dementsprechend Rechtsmittel eingelegt und unterschiedliche inhaltliche Gesichtspunkte releviert. Damit war aber augenscheinlich auch für das Land Niederösterreich als Verfahrenspartei erkennbar, dass sich die Erledigung an das Land Niederösterreich richtet.
Da somit aber der erstinstanzliche Bescheid vom 18. Dezember 2007 betreffend Festsetzung von Kommunalsteuer für die Jahre 2001 bis 2005 entgegen der Auffassung der belangten Behörde rechtswirksam an das Land Niederösterreich ergangen ist, konnte die belangte Behörde im Beschwerdefall den angefochtenen Wiederaufnahmebescheid nicht allein aus dem Grund beheben, dass schon mangels rechtswirksam erlassener Festsetzung keine Wiederaufnahme des Festsetzungsverfahrens möglich gewesen sei.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Eingabengebühr von EUR 240,-- wird im Hinblick auf die Befreiung gemäß § 24 Abs. 3 Z 3 VwGG abgewiesen.
Wien, am 21. November 2013
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