VwGH 2013/10/0209

VwGH2013/10/020927.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, in der Beschwerdesache

1. der S G KG, 2. der S G, beide in Krems an der Donau, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom 14. August 2013, Zl. BMG-262427/0002- II/A/4/2013, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: V B in W, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6),

1. über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin zu Recht erkannt:

Normen

12010E049 AEUV Art49;
12010M004 EUV Art4 Abs3;
62006CJ0409 Winner Wetten VORAB;
62010CJ0606 ANAFE VORAB;
62010CO0476 projektart VORAB;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §48 Abs2;
ApG 1907 §51 Abs3;
EURallg;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 663,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. August 2013 hat der Bundesminister für Gesundheit der Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Krems an der Donau an einer bestimmt genannten voraussichtlichen Betriebsstätte mit einem näher umschriebenen Standort erteilt. Sämtliche Einsprüche der Inhaber von Nachbarapotheken wurden abgewiesen, darunter auch der von der Zweitbeschwerdeführerin als (damalige) Inhaberin der Apotheke M. erhobene (der auf Grund des mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 erfolgten Verfahrenseintritts der Erstbeschwerdeführerin als neue Inhaberin nunmehr dieser zuzurechnen ist).

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentlich - aus, dass u. a. zur Frage des der Apotheke M. nach Errichtung der neuen Apotheke verbleibenden Kundenpotenzials die Gutachten der österreichischen Apothekerkammer vom 11. März 2011 und vom 12. Dezember 2011 eingeholt worden seien. Nach dem Gutachten vom März 2011 verbleibe dieser Apotheke ein Kundenpotenzial im Ausmaß von 6.700, nach dem Gutachten vom Dezember 2011 ein Kundenpotenzial von 6.492 "Einwohnergleichwerten". Dabei sei jeweils ein Versorgungspotenzial von 2.546 "Einwohnergleichwerten" aufgrund der Ambulanzpatienten des Landesklinikums Krems berücksichtigt worden.

Nach dem Inhalt dieser - im angefochtenen Bescheid zur Gänze wiedergegebenen - Gutachten würden im Landesklinikum Krems pro Jahr 75.000 Patienten ambulant behandelt. Dieser Personenkreis werde von keiner Anstaltsapotheke versorgt. Da das Ausmaß des dadurch hervorgerufenen Bedarfs im Einzelfall nur mit unvertretbarem Aufwand zu ermitteln wäre, habe die österreichische Apothekerkammer eine allgemeine, österreichweit gültige Studie beim Unternehmen GfK Austria "Apothekennutzung durch Patienten, die eine Ambulanz aufgesucht haben" (im Folgenden: Ambulanzstudie) in Auftrag gegeben. Anhand von 2.000 repräsentativen Interviews komme die Studie zum Ergebnis, dass jeder Österreicher durchschnittlich 12,25 Mal pro Jahr eine Apotheke aufsuche. Für 46 % aller Ambulanzbesucher sei die der Ambulanz nächstgelegene Apotheke zugleich die wohnsitznächste. Durchschnittlich suchten Ambulanzbesucher eine Apotheke in der Nähe der Ambulanz, die nicht die wohnsitznächste sei, 1,54 Mal pro Jahr auf. Unter Heranziehung dieser Zahlen auf den gegenständlichen Fall ergebe sich ein zusätzliches Apothekenkundenpotenzial im Ausmaß von 5.092 "Einwohnergleichwerten". Da sich ein Eingang des Landesklinikums im Versorgungsgebiet der neu zu errichtenden Apotheke und ein anderer Eingang im Versorgungsgebiet der Apotheke M. befinde, sei jeder dieser beiden Apotheken die Hälfte, somit ein Versorgungspotenzial von 2.546 "Einwohnergleichwerten" zuzurechnen.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass die beiden Eingänge des Landesklinikums in etwa gleich frequentiert würden und daher die Apothekerkammer die Ambulanzpatienten zu Recht je zur Hälfte den beteiligten Apotheken zugeordnet habe. Aber selbst wenn man der Apotheke der Erstbeschwerdeführerin dieses Kundenpotenzial nur zu einem Drittel zuordne, werde das Mindestversorgungspotenzial im Ausmaß des Bedarfs von

5.500 ständigen Einwohnern überschritten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift mit der Begründung ab, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. November 2013, Zl. 2012/10/0125, die Ambulanzstudie, auf der auch der nunmehr angefochtene Bescheid basiere, "nicht anerkannt" habe.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abzuweisen und die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin zurückzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Apothekengesetz 1907, RGBl. Nr. 5 (ApG), idF BGBl. I Nr. 41/2006, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

(3) Ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke

  1. 1. eine ärztliche Hausapotheke und
  2. 2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach Abs. 2 Z 1 entspricht und in der Gemeinde keine weitere Vertragsstelle nach § 342 Abs. 1 ASVG von einem Arzt für Allgemeinmedizin besetzt ist.

    ...

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigten.

..."

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 13. Februar 2014 in der Rechtssache Sokoll-Seebacher, C- 367/12 , über ein Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) betreffend § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG Folgendes ausgesprochen:

"Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, ist dahin auszulegen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von 'weiterhin zu versorgenden Personen' festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen."

Dies hat der EuGH (auszugsweise) wie folgt begründet:

"Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

19 Mit seiner ersten und seiner zweiten Vorlagefrage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 der Charta und/oder Art. 49 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsrechtsstreit fraglichen entgegenstehen, weil diese nach Auffassung des vorlegenden Gerichts keine hinreichend bestimmten Kriterien für die Prüfung des Arzneimittelversorgungsbedarfs im Hinblick auf die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke festlegt, und, wenn dies zu verneinen sein sollte, ob Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, einer solchen Regelung entgegensteht, weil sie als essenzielles Kriterium der Bedarfsprüfung eine starre Grenze für die Zahl der 'weiterhin zu versorgenden Personen' ohne die Möglichkeit eines Abweichens festlegt.

...

23 Da sich die Vorlagefragen nur auf die Niederlassungsfreiheit beziehen, ist die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung daher allein an Art. 49 AEUV zu messen.

24 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 49 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht verwehrt, ein System der vorherigen Genehmigung für die Niederlassung neuer Leistungserbringer wie der Apotheken vorzusehen, wenn sich ein solches System als unerlässlich erweist, um eventuelle Lücken im Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens zu schließen und um die Einrichtung von Strukturen einer Doppelversorgung zu vermeiden, so dass eine Gesundheitsversorgung gewährleistet ist, die den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, das gesamte Hoheitsgebiet abdeckt und geografisch isolierte oder in sonstiger Weise benachteiligte Regionen berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 70 und 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25 So hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, die auf bestimmten Kriterien beruht, anhand deren Niederlassungserlaubnisse für neue Apotheken gewährt werden, grundsätzlich geeignet ist, das Ziel zu erreichen, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 94, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010, Polisseni, C-217/09 , Rn. 25, und vom 29. September 2011, Grisoli, C-315/08 , Rn. 31).

26 Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen (Urteil Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27 Im Einzelnen kann nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere wenn sie eine Grundfreiheit wie die Niederlassungsfreiheit betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Daher ist ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung nur dann trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt, wenn es auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07 , Slg. 2009, I-1721, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28 Im Ausgangsverfahren wird nach der fraglichen nationalen Regelung eine Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nur dann erteilt, wenn ein 'Bedarf' besteht. Dieser Bedarf wird vermutet, es sei denn, mindestens einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände steht dem entgegen.

29 Insbesondere werden nach dieser Regelung bei der Ermittlung, ob es an einem Bedarf für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke fehlt, die Zahl der zum Zeitpunkt der Antragstellung im betreffenden Gebiet vorhandenen Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die Entfernung zwischen der zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke sowie die Zahl der von einer der bestehenden öffentlichen Apotheken aus 'weiterhin zu versorgenden Personen' berücksichtigt. Zur Ermittlung dieser Zahl wird ein Kreis um die Betriebsstätte der bestehenden Apotheke gezogen, der in erster Linie die ständigen Einwohner des so bestimmten Gebiets und in zweiter Linie auch diejenigen Personen erfasst, die einen bestimmten Bezug zu diesem Gebiet aufweisen, der ebenfalls in dieser Regelung jeweils näher bestimmt ist.

30 Unter diesen Kriterien betreffen diejenigen, die sich auf die Zahl der Leistungserbringer im Gesundheitswesen oder der ständigen Einwohner der einzelnen Gebiete oder die Entfernung zwischen den Apotheken beziehen, objektive Gegebenheiten, die grundsätzlich nicht geeignet sind, zu Auslegungs- oder Beurteilungsschwierigkeiten zu führen.

31 Dagegen ist das Kriterium, das den Bezug der Personen zu dem betreffenden Gebiet betrifft, in der Tat nicht ganz so eindeutig. Zum einen jedoch stellt es nicht das Hauptkriterium für die Ermittlung der Zahl der 'weiterhin zu versorgenden Personen' dar, da es nur nachrangig heranzuziehen ist, und zum anderen ist der jeweils maßgebende Bezug objektiv bestimmt und u.a. anhand statistischer Daten nachprüfbar.

32 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Kriterien, die in einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen vorgesehen sind, hinreichend objektiv sind.

33 Darüber hinaus geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass auch andere als die in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung ausdrücklich vorgesehenen und damit den Wirtschaftsteilnehmern nicht im Voraus bekannte Kriterien berücksichtigt werden könnten, um den fehlenden Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke festzustellen.

34 Insoweit ist der Umstand, dass die in § 10 ApG aufgeführten Kriterien durch die nationale Rechtsprechung konkretisiert worden sind, als solcher nicht geeignet, die interessierten Wirtschaftsteilnehmer daran zu hindern, im Voraus von diesen Kriterien Kenntnis zu nehmen.

35 Schließlich lässt sich den dem Gerichtshof vorliegenden Akten kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die in dieser Regelung festgelegten Kriterien als diskriminierend angesehen werden könnten.

36 In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzustellen, dass der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in einem Fall wie dem in Rn. 28 des vorliegenden Urteils angeführten vermutet wird. Es ist daher nicht Sache der einzelnen Bewerber, die eine neue öffentliche Apotheke errichten wollen, nachzuweisen, dass ein solcher Bedarf im Einzelfall tatsächlich besteht.

37 Demnach hängt der Ausgang des Verfahrens zur Erteilung einer Konzession grundsätzlich nicht davon ab, dass nur bestimmte Bewerber - inländische oder Angehörige anderer Mitgliedstaaten - gegebenenfalls über Informationen verfügen, die einen solchen Bedarf belegen können, wodurch sie besser gestellt wären als Wettbewerber, die nicht im Besitz solcher Informationen sind.

38 Demnach ist davon auszugehen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche auf objektiven, im Voraus bekannten und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die geeignet sind, der Ausübung des den zuständigen nationalen Behörden insoweit zustehenden Ermessens hinreichende Grenzen zu setzen.

39 Drittens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung nur dann als geeignet angesehen werden kann, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile Hartlauer, Rn. 55, vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C-171/07 und C-172/07 , Slg. 2009, I-4171, Rn. 42, Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 94, sowie vom 26. September 2013, Ottica New Line di Accardi Vincenzo, C-539/11 , noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 47).

40 Es ist letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu bestimmen, ob und inwieweit die Regelung diesen Anforderungen entspricht. Der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen (vgl. Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 Zu diesem Zweck ist darauf hinzuweisen, dass bei einer im gesamten betroffenen Hoheitsgebiet einheitlichen Anwendung der in der nationalen Regelung für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke festgelegten Voraussetzungen bezüglich der Bevölkerungsdichte und der Mindestentfernung zwischen Apotheken unter bestimmten Umständen die Gefahr besteht, dass in Gebieten, die bestimmte demografische Besonderheiten aufweisen, ein angemessener Zugang zum pharmazeutischen Dienst nicht gewährleistet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 96).

42 Insbesondere hat der Gerichtshof zu Voraussetzungen bezüglich der Bevölkerungsdichte festgestellt, dass eine einheitliche und ausnahmslose Anwendung dieser Voraussetzungen in bestimmten ländlichen Gebieten, in denen die Bevölkerung im Allgemeinen verstreut siedelt und weniger zahlreich ist, dazu führen könnte, dass bestimmte betroffene Einwohner keine Apotheke in vernünftiger Entfernung vorfänden und ihnen somit ein angemessener Zugang zum pharmazeutischen Dienst vorenthalten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Perez und Chao Gomez, Rn. 97).

43 Im Ausgangsrechtsstreit sieht § 10 ApG vor, dass ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke dann nicht besteht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus 'weiterhin zu versorgenden Personen', d. h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte, sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird. Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner jedoch weniger als 5 500, sind nach dem ApG die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs von dieser Apotheke in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen (im Folgenden: 'Einfluter').

44 Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, sind zwei Gesichtspunkte hervorzuheben, die wie folgt zusammengefasst werden können.

45 Auf der einen Seite gibt es Personen, die nicht im Umkreis von vier Straßenkilometern um die Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke wohnen und daher weder in deren Versorgungsgebiet noch in einem anderen bestehenden Gebiet als ständige Einwohner berücksichtigt werden. Diese Personen können zwar als 'Einfluter' in ein oder mehrere Gebiete berücksichtigt werden, doch hängt ihr Zugang zu Apothekendienstleistungen damit von Umständen ab, die ihnen insoweit grundsätzlich keinen dauerhaften und kontinuierlichen Zugang gewähren, da dieser lediglich an der Beschäftigung in einem bestimmten Gebiet oder einem dort benutzten Verkehrsmittel anknüpft. Daraus folgt, dass sich für bestimmte, insbesondere in ländlichen Regionen wohnende Personen der Zugang zu Arzneimitteln als kaum angemessen erweisen kann, wenn man auch berücksichtigt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche keine Höchstentfernung zwischen dem Wohnort einer Person und der nächstgelegenen Apotheke vorsieht.

46 Dies gilt umso mehr, als von den Personen, die zu der in der vorstehenden Randnummer genannten Kategorie gehören, überdies manche, wie z.B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kranke, zeitweilig oder längerfristig über eine eingeschränkte Mobilität verfügen. Denn zum einen kann ihr Gesundheitszustand eine dringende oder häufige Verabreichung von Arzneimitteln erfordern, und zum anderen kann wegen ihres Gesundheitszustands ihr Bezug zu den einzelnen Gebieten sehr gering sein oder gar entfallen.

47 Auf der anderen Seite würde die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke, wenn sie im Interesse all derer beantragt wird, die in dem Gebiet, das das zukünftige Versorgungsgebiet einer neuen Apotheke darstellt, und außerhalb eines Umkreises von vier Kilometern wohnen, zwangsläufig dazu führen, dass in den Versorgungsgebieten der bestehenden Apotheken die Zahl der ständigen Einwohner, die weiterhin zu versorgen wären, gegebenenfalls unter die Schwelle von 5 500 Personen sinken würde. Dies wäre insbesondere in ländlichen Regionen der Fall, in denen die Bevölkerungsdichte in der Regel niedrig ist.

48 Aus den nationalen Rechtsvorschriften scheint sich allerdings zu ergeben, dass - was zu überprüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist - einem Antrag auf Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke unter solchen Umständen nur dann stattgegeben wird, wenn die Zahl der 'Einfluter' ausreicht, um die Verringerung der Zahl der in den von der Neuerrichtung betroffenen Gebieten 'weiterhin zu versorgenden' Einwohner auszugleichen. Die im Hinblick auf diesen Antrag zu treffende Entscheidung hinge damit in Wirklichkeit nicht von der Beurteilung der Möglichkeit des Zugangs zu Apothekendienstleistungen im neu in Aussicht genommenen Gebiet ab, sondern von der Frage, ob und in welcher Zahl in den durch diese Neuerrichtung betroffenen Gebieten 'Einfluter' zu erwarten sind.

49 In ländlichen und abgelegenen Regionen, in die nur wenige 'einfluten', besteht jedoch die Gefahr, dass die Zahl der 'weiterhin zu versorgenden Personen' nicht die zwingend vorgeschriebene Grenze erreicht und damit der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke als unzureichend angesehen wird.

50 Daraus folgt, dass bei der Anwendung des Kriteriums der Zahl der 'weiterhin zu versorgenden Personen' die Gefahr besteht, dass für bestimmte Personen, die in ländlichen und abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken wohnen, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, kein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist.

51 Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, dahin auszulegen ist, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von 'weiterhin zu versorgenden Personen' festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

..."

Nach diesem Urteil bestehen somit aus dem Blickwinkel des Unionsrechts keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine nationale Regelung, die für die Errichtung von Apotheken ein Konzessionssystem vorsieht (Rn 24 ff). Die österreichische Regelung beruht demnach auf objektiven, im Voraus bekannten und nicht diskriminierenden Kriterien, die geeignet sind, der Ausübung des den zuständigen nationalen Behörden insoweit zustehenden Ermessens hinreichende Grenzen zu setzen. Sie erfüllt daher die für einen derartigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit erforderlichen Voraussetzungen (Rn 27 ff).

Der EuGH hatte jedoch Bedenken, ob die österreichische Regelung - deren Auslegung Sache der nationalen Gerichte ist - geeignet ist, das angestrebte Ziel der sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln (Rn 25 und die dort angeführte weitere Judikatur des EuGH) in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Diese Bedenken stützte er einerseits auf die Umstände, dass die mehr als 4 km von der Betriebsstätte einer Apotheke entfernt wohnenden Menschen nur als "Einfluter" berücksichtigt werden könnten und keine Höchstentfernung zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Apotheke vorgesehen sei (Rn 45), andererseits darauf, dass bei der Konzessionserteilung nicht auf den Bedarf im Versorgungsgebiet der neu zu errichtenden Apotheke, sondern auf ein den bestehenden Apotheken verbleibendes ausreichendes Kundenpotential abzustellen sei (Rn 47 f). Konkret sei zu befürchten, dass in Gebieten mit demographischen Besonderheiten (Rn 41), insbesondere in ländlichen Gebieten mit wenigen und verstreut siedelnden Einwohnern bestimmte Einwohner keine Apotheke in vernünftiger Entfernung vorfinden könnten (Rn 42). Im besonderen Maß gelte das für Ältere, Behinderte und Kranke, die in der Mobilität zeitweilig oder längerfristig eingeschränkt seien (Rn 46). Daraus folge, dass bei Anwendung des Kriteriums der Zahl der von den bestehenden Apotheken weiterhin zu versorgenden Personen bei der Entscheidung über die Konzessionserteilung für eine neue Apotheke die Gefahr bestehe, dass für bestimmte Personen, die in ländlichen und abgelegenen Regionen wohnten, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, kein gleicher oder angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt sei (Rn 50).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe der Europäischen Union zur Folge, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird. Damit können diese unmittelbar geltenden Bestimmungen, die für alle von ihnen Betroffenen eine unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten sind, ihre volle Wirksamkeit einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten. Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, - falls eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist - aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2013, Zl. 2012/03/0102, mit ausführlichen Hinweisen auf die Judikatur des EuGH und Literatur).

Demnach ist die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, wonach ein Bedarf an einer neu zu errichtenden Apotheke nicht besteht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5500 betragen wird, soweit nicht anzuwenden, als sie dem in Art. 49 AEUV verankerten Grundsatz der Niederlassungsfreiheit widerspricht. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt sich - unter Berücksichtigung des Auslegungsmonopols des EuGH - aus dem oben wiedergegebenen Urteil dieses Gerichtshofs vom 13. Februar 2014. Demnach widerspricht die Festlegung einer starren Grenze für die Anzahl der von den betroffenen bestehenden Apotheken weiterhin zu versorgenden Personen als essentielles Kriterium für die Prüfung des Bedarfs an einer neu beantragten Apotheke dem Art. 49 AEUV, insbesondere dem Gebot der Kohärenz, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

Aus der Begründung dieses Urteils ergibt sich, dass unter derartigen örtlichen Besonderheiten Gebiete mit "demographischen Besonderheiten" (Rn 41), nämlich ländliche und abgelegene Gebiete mit wenigen und verstreut siedelnden Einwohnern (Rn 42 und 50) zu verstehen sind. Solche örtlichen Besonderheiten sind nach den Ausführungen des EuGH zu berücksichtigen, wenn sie die Errichtung einer neuen Apotheke erfordern, um der betroffenen Bevölkerung, auch den in der Mobilität eingeschränkten Personen und solchen mit dringendem oder häufigem Arzneimittelbedarf (Rn 46), einen angemessenen Zugang zum pharmazeutischen Dienst zu gewährleisten. Dieser Zugang ist dann gewährleistet, wenn die betroffenen Personen eine Apotheke "in vernünftiger Entfernung" (Rn 42) vorfinden.

Somit steht das Unionsrecht der Abweisung eines Apothekenkonzessionsantrages wegen Verringerung des Kundenpotentials einer benachbarten Apotheke auf unter 5500 zu versorgende Personen entgegen, wenn die neu beantragte Apotheke erforderlich ist, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung - unter Bedachtnahme auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch ärztliche Hausapotheken (vgl. die Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 41/2006, NR XXII. GP, Sten. Prot. der 139 Sitzung, S. 246f, Begründung des Abänderungsantrages im Plenum) und unter Berücksichtigung der bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehenden Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2009, Zl. 2005/10/0107) - die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten. Liegen diese Voraussetzungen vor, so haben die Gerichte und Behörden nach den dargestellten Grundsätzen des Unionsrechts bei der Entscheidung über den Konzessionsantrag die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG unangewendet zu lassen und die Konzession - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotentials der benachbarten Apotheke auf unter 5500 zu versorgende Personen zu erteilen.

Ist die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich erforderlich, so ist § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG - der in diesem Fall auch nach den wiedergegebenen Ausführungen des EuGH nicht unionsrechtswidrig ist - weiterhin anzuwenden.

Im vorliegenden Fall befindet sich die Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke im Stadtgebiet von Krems, in dem schon mehrere Apotheken bestehen. Die Entfernung der Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke zur Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke (Apotheke Lärchenfeld) beträgt nach allgemein zugänglichem Kartenmaterial lediglich 1,6 Straßenkilometer. Somit kann sich der Anfahrtsweg für die Bevölkerung durch die Neuerrichtung der beantragten Apotheke maximal um 1,6 km verkürzen. Es ist von Vornherein auszuschließen, dass dies erforderlich ist, um für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten.

Die Anwendung von § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG durch die belangte Behörde begegnet daher im vorliegenden Fall keinen Bedenken.

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin - die sich u. a. gegen die Zuordnung der Ambulanzpatienten zum Versorgungspotential ihrer Apotheke wendet - ist jedoch im Ergebnis berechtigt:

Bei Ambulanzpatienten kann es sich um ein zusätzlich zu versorgendes Kundenpotenzial im Sinn von § 10 Abs. 5 ApG handeln, wobei es zulässig ist, zur Quantifizierung dieses Potenzials auf allgemeine, für den jeweiligen Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen und auf diesem Weg Ausmaß und Verhältnis, in dem die Inanspruchnahme der Apotheke zu jener eines ständigen Einwohners steht, aufzuzeigen, wenn einzelfallbezogene Feststellungen nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getroffen werden können (vgl. etwa das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 20. November 2013, Zl. 2012/10/0125). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof - mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - u.a. ausgesprochen, dass die Ambulanzstudie nicht geeignet sei, das zusätzliche Kundenpotenzial auf Grund von Ambulanzpatienten zu quantifizieren. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass dieses zusätzliche Kundenpotenzial nicht berücksichtigt werden könne, wenn es sich weder mit vertretbarem Aufwand durch einzelfallbezogene Feststellungen, noch durch repräsentative Studien ermitteln lasse.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde daher der Apotheke der Erstbeschwerdeführerin ohne ausreichende Grundlage ein zusätzliches Kundenpotenzial auf Grund der Ambulanzpatienten des Landesklinikums Krems im Ausmaß des Bedarfs von 2.546 ständigen Einwohnern zugeordnet. Ohne Berücksichtigung von Ambulanzpatienten verbliebe der Apotheke der Erstbeschwerdeführerin nach den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten jedoch nur ein Kundenpotenzial im Ausmaß des Arzneimittelbedarfs von 4.154 (Gutachten vom März 2011) bzw. 3.946 (Gutachten vom Dezember 2011) ständigen Einwohnern. Ein Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke der mitbeteiligten Partei wäre daher nicht gegeben.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG in der gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz leg. cit. anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin ist aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

Der Beschwerdevertreter hat mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 im gegenständlichen Verwaltungsverfahren bekannt gegeben, dass die Erstbeschwerdeführerin als nunmehrige Inhaberin der Apotheke M. in das - bis dahin von der Zweitbeschwerdeführerin als Apothekeninhaberin geführte - Verfahren eintrete. Die Zweitbeschwerdeführerin bleibe jedoch "aus verfahrensrechtlicher Vorsicht am Verfahren beteiligt".

Das Recht, geltend zu machen, dass kein Bedarf an einer neuen öffentlichen Apotheke bestehe, kommt dem Inhaber der Nachbarapotheke zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/10/0299).

Im vorliegenden Verfahren über den Apothekenkonzessionsantrag der Mitbeteiligten kommt daher nur der Erstbeschwerdeführerin als Inhaberin einer Nachbarapotheke, nicht aber der Zweitbeschwerdeführerin als ehemaliger Inhaberin, Parteistellung zu. Der angefochtene Bescheid wurde daher auch zu Recht nach der Zustellverfügung an die Erstbeschwerdeführerin und nicht an die Zweitbeschwerdeführerin zugestellt.

Da die Zweitbeschwerdeführerin aus diesen Gründen durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt sein kann, war ihre Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG (id. bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG, in der maßgeblichen Fassung vor der Novellierung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Im vorliegenden Fall haben zwei Beschwerdeführerinnen einen Bescheid in einer Beschwerde angefochten. Da jedoch nur die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erfolgreich ist, kommt nicht die Regel des § 53 Abs. 1 VwGG (Aufwandersatz wie bei der Beschwerde nur eines Beschwerdeführers) zum Tragen, sondern es ist für jede Beschwerdeführerin gesondert über den Aufwandersatz zu entscheiden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. März 2013, Zl. 2008/17/0186, mwN).

Daher war der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde zu verpflichten, der obsiegenden Erstbeschwerdeführerin die Hälfte des für die Beschwerde verzeichneten Aufwandersatzes von EUR 1.326,40, das sind EUR 663,20 zu ersetzen. Die Zweitbeschwerdeführerin war zu verpflichten, der Mitbeteiligten die Hälfte des für die Gegenschrift gebührenden Aufwandersatzes von EUR 1.106,40, somit EUR 553,20, zu ersetzen. Die belangte Behörde hat keine Gegenschrift erstattet und für die Aktenvorlage keinen Aufwandersatz begehrt.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den neuerlichen Antrag, der Beschwerde - in Abänderung des hg. Beschlusses vom 7. Oktober 2013 - aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 27. März 2014

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