Normen
AVG §56;
SHG NÖ 2000 §15 Abs1;
SHG NÖ 2000 §15 Abs2;
SHG NÖ 2000 §15 Abs3;
SHG NÖ 2000 §15 Abs4;
SHG NÖ 2000 §38 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
SHG NÖ 2000 §15 Abs1;
SHG NÖ 2000 §15 Abs2;
SHG NÖ 2000 §15 Abs3;
SHG NÖ 2000 §15 Abs4;
SHG NÖ 2000 §38 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling (im Folgenden: BH) vom 29. März 2012 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 38 Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 9200-10 (NÖ SHG), verpflichtet, dem Land Niederösterreich die Kosten für seinen mit Bescheid vom 11. Juli 2011 bewilligten Aufenthalt im Wohnhaus und im Tageszentrum im Psychosozialen Gesundheitszentrum in M. (Hilfe zur sozialen Eingliederung) im Zeitraum vom 13. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2011 in der Höhe von EUR 79.996,45 zu ersetzen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, dem Land Niederösterreich die ungedeckten Verpflegungskosten für seine Unterbringung im Tageszentrum im Psychosozialen Gesundheitszentrum in M. von 13. Juni 2008 bis 31. Dezember 2011 in der Höhe von EUR 79.996,45 zu ersetzen.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darstellung der angewendeten Rechtsvorschriften - aus, der Beschwerdeführer verfüge über ein Vermögen in der Höhe von EUR 322.322,48, sowie Gutschreibungen aus Wertpapierveranlagungen in Höhe von EUR 4.778,84 (aus dem Jahr 2010) sowie EUR 7.871,85 (aus dem Jahr 2011). Das Vermögen des Beschwerdeführers liege somit weit über der Kostenersatzsumme, die ihm erstinstanzlich vorgeschrieben worden sei. Dem Beschwerdeführer verbleibe außerdem eine weitaus größere Vermögenssumme als der gesetzlich vorgeschriebene Mindestbetrag (das Fünfzehnfache des Richtsatzes für einen Alleinstehenden) in der Höhe von EUR 11.294,--.
Dem Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer über das genannte - von seinem Vater für ihn auf einem Anlagenkonto angesparte - Vermögen nicht verfügungsberechtigt sei, weil es ihm erst nach Ableben des Vaters (für den Ankauf einer Eigentumswohnung) zustehe, sei entgegen zu halten, dass es nur eine diesbezügliche schriftliche Vereinbarung vom 27. August 2002 zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater gebe, jedoch keine Vereinbarung mit der Bank betreffend die Verfügungsberechtigung des Beschwerdeführers über das Anlagenkonto existiere; als Kontoinhaber ohne Einschränkung der Verfügungsberechtigung könne der Beschwerdeführer somit jederzeit über sein Vermögen verfügen.
Da dem Beschwerdeführer auch nach Abzug der Kostenersatzsumme genügend Geldmittel zur Verfügung stünden, sei die Vorschreibung dieses Kostenersatzes auch kein Fall von sozialer Härte und somit gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
1. Das Niederösterreichische Sozialhilfegesetz, LGBl. 9200-0, in der hier maßgeblichen Fassung LBGl. 9200-10, lautet auszugsweise:
"§ 1
Aufgabe
Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines
menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.
...
§ 12
Hilfe bei stationärer Pflege
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst alle Betreuungs- und Pflegemaßnahmen in stationären Einrichtungen für hilfebedürftige Menschen. ...
...
§ 15
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Die Leistung der Hilfe bei stationärer Pflege nach § 12 erfolgt unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren Vermögens sowie unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind.
(2) Hat der hilfebedürftige Mensch Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann eine grundbücherliche Sicherstellung der gesamten offenen Ersatzforderung vorgenommen werden, sobald die Hilfe länger als sechs unmittelbar aufeinanderfolgende Monate geleistet wurde.
(3) Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder vorläufig verschlimmert würde.
(4) Als nicht verwertbar gelten Gegenstände, die zur persönlichen Berufsausübung oder zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Vermeidung, Bewältigung oder Überwindung einer Notlage dienen, ebenso ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, die der Deckung des notwendigen Wohnbedarfs des Hilfeempfängers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen dienen.
(5) Die Landesregierung hat durch Verordnung Bestimmungen zu erlassen, inwieweit
o Einkommen,
o pflegebezogene Leistungen und
o Vermögenswerte
des hilfebedürftigen Menschen und seiner
unterhaltspflichtigen Angehörigen zu berücksichtigen sind oder
anrechenfrei zu bleiben haben.
...
§ 32
Hilfe zur sozialen Eingliederung
(1) Die Hilfe zur sozialen Eingliederung umfasst alle Maßnahmen, die geeignet sind, Menschen mit besonderen Bedürfnissen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten, um die in den unabänderlichen Lebensverhältnissen gelegenen Schwierigkeiten zu mildern und ihnen ein erfülltes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
(2) Die Maßnahme besteht in der aktivierenden Betreuung und Unterbringung in teilstationären und stationären Einrichtungen. Sie umfasst auch Geldleistungen nach § 11 Abs. 2 des NÖ Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. 9205, in stationären Einrichtungen sowie Fahrtkosten im Sinne des § 27 Abs. 3.
(3) Die Hilfe zur sozialen Eingliederung ist nur solange zu gewähren, als eine Verbesserung und Erhaltung der selbstständigen Alltags- und Lebensgestaltung des Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu erwarten ist.
...
§ 38
Ersatz durch den Hilfeempfänger
(1) Der Hilfeempfänger ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn
- 1. er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;
- 2. nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;
3. im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird;
(2) Von der Ersatzpflicht nach Abs. 1 sind ausgenommen:
1. Kosten für Maßnahmen (Hilfen zum Lebensbedarf), die vor Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurden und
2. Kosten für die Erprobung auf einem Arbeitsplatz (§ 30 Abs. 1 Z. 4).
(3) Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.
..."
2. Dem Beschwerdeführer wurde unstrittig Sozialhilfe durch Übernahme der für seinen Aufenthalt im Zeitraum 13. Juni 2008 bis 31. Dezember 2011 in der genannten stationären Einrichtung angefallenen Kosten gewährt. Ebenso unstrittig ist die Höhe der angefallenen Sozialhilfekosten (EUR 79.996,45) sowie die Höhe des dem Kostenersatz zu Grunde gelegten Vermögensstandes.
3. Die Beschwerde bringt vor, der Vater des Beschwerdeführers (im Folgenden: Vater) sei bemüht gewesen, für die Versorgung des Beschwerdeführers (und seiner Halbschwester) für den Fall seines Ablebens Sorge zu tragen. Der Vater habe daher eine Eigentumswohnung verkauft und finanzielle Vorkehrungen für die zukünftige Versorgung seiner Kinder zu treffen. Das von der belangten Behörde dem Kostenersatz zu Grunde gelegte Vermögen stamme aus einem Anlagenkonto, das der Vater auf den Namen des Beschwerdeführers kurz vor dessen 21. Geburtstag eingerichtet habe und über das der Vater zusätzlich zu seinem Sohn zeichnungsberechtigt sei. Es sei am 27. August 2002 schriftlich vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer über das Kontoguthaben nicht verfügen dürfe; er dürfe - im Einvernehmen mit seinem Vater - lediglich Zinsen und Dividenden für eigene Zwecke verwenden. Der Vater sei somit alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter des Vermögens, es handle sich um keine Schenkung an den Beschwerdeführer, das angesparte Kapitalvermögen sollte dem Beschwerdeführer erst nach dem Ableben des Vaters - für den Zweck des Ankaufs einer Eigentumswohnung - zustehen. Die rechtliche Funktion des Beschwerdeführers sei der einer Treuhänderstellung gleichzustellen, mit der Auflage, über das angesparte Vermögen bis zum Ableben des Vaters weder zu verfügen noch dieses zu belasten. Es sei in diesem Sinne von Fremdvermögen bzw. von gebundenem Vermögen auszugehen, welches dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung stehe und daher gemäß § 15 Abs. 4 iVm § 38 Abs. 1 Z. 3 NÖ SHG nicht verwertbar sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Nach der Rechtsprechung des Vewaltungsgerichtshofes setzt der Ersatzanspruch voraus, dass der potenziell zum Ersatz Verpflichtete im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, mit dem er zum Ersatz verpflichtet wird, über die Geldmittel, die ihn in die Lage versetzen, der Ersatzpflicht nachzukommen, tatsächlich verfügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2011/10/0094, mwN).
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor.
Das gegenständliche Vermögen wurde vom Vater angelegt, um die Versorgung des Sohnes nach seinem Ableben zu gewährleisten.
Die aktenkundige, vom Vater verfasste und von diesem und dem Beschwerdeführer unterfertigte, "Vereinbarung" vom 27. August 2002 hat (auszugsweise) nachstehenden Wortlaut:
"... Deshalb habe ich mich entschlossen ein Konto fuer Aktien und Wertpapiere bereits jetzt in Deinem Namen anzulegen - allerdings nur mit Deinem schriftlichen Einverständnis - dass Du erst nach meinem Tod darüber verfügen kannst. Ich werde mich bemühen moeglichst viel aus dieser Anlage zu machen u. mir wird die Zeichnungsberechtigung über das Konto zustehen. Nur die Zinsen und Dividenden koennen Dir vorweg gehoeren, wenn Du sie brauchen solltest, unter der Bedingung, dass wir darüber gemeinsam entscheiden.
Es gilt zwischen uns vereinbart, dass Du über saemtliche Investitionen, die ich auf diesem Konto durchfuehre, erst nach meinem Ableben verfuegen kannst. ..."
Es erfolgte demnach keine zu Lebzeiten des Vaters wirksame Übertragung des Vermögens in das Eigentum des Beschwerdeführers.
Die vereinbarungsgemäße Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Beschwerdeführers hindert vielmehr dessen Möglichkeit, rechtlich über das Vermögen (zu Lebzeiten des Vaters) zu verfügen; es ist daher für den Beschwerdeführer nicht verwertbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2001/11/0370, mwN).
Die belangte Behörde hat insofern zu Unrecht eine Ersatzpflicht des Beschwerdeführers angenommen.
4. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
5. Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455 (vgl. § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am 8. Oktober 2014
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