Normen
AVG §56;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs2;
VVG §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs2;
VVG §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 hat die Oö. Landesregierung entschieden, dass die beschwerdeführende Stadtgemeinde Gallneukirchen für den Besuch der Krabbelstube S. in Linz durch den am 30. November 2007 geborenen X im Zeitraum von 15. November 2010 bis 31. Dezember 2010 einen angemessenen Gastbeitrag zu entrichten habe.
Als Rechtsgrundlage wurde § 28 Abs. 2 zweiter Satz Oö. Kinderbetreuungsgesetz - Oö. KBG, LGBl. Nr. 39/2007 idF LGBl. Nr. 59/2010, genannt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Landeshauptstadt Linz habe der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Juli 2011 für sechs Kinder, die Linzer Kinderbetreuungseinrichtungen besuchten und in Gallneukirchen ihren Hauptwohnsitz hätten, einen Gastbeitrag von insgesamt EUR 6.080,-- für den Zeitraum von September bis Dezember 2010 vorgeschrieben. Dazu habe die Beschwerdeführerin u.a. vorgebracht, dass der minderjährige X erst am 15. November 2010 nach Gallneukirchen übersiedelt sei. Mit Schreiben vom 7. September 2011 habe die Mitbeteiligte die Vorschreibung auf insgesamt EUR 3.860,-- eingeschränkt.
Im gegenständlichen Antrag auf Entscheidung über den Gastbeitrag mangels Einigung der beteiligten Gemeinden habe die Mitbeteiligte u.a. vorgebracht, dass der Verbleib von X in der bisher von ihm besuchten Krabbelstube in Linz auch nach Übersiedlung seiner Eltern nach Gallneukirchen zur Vermeidung eines Wechsels der Kinderbetreuungseinrichtung im Sinn einer kontinuierlichen Förderung des Kindes erforderlich gewesen sei.
Die beschwerdeführende Gemeinde habe dagegen
u. a. vorgebracht, es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass das Kind eine Kinderbetreuungseinrichtung in Linz besuche, es seien keine Mittel zur Zahlung des Gastbeitrages veranschlagt worden. Für den mj. X wäre auch in einer entsprechenden Kinderbetreuungseinrichtung in Gallneukirchen Platz gewesen.
Die Eltern des mj. X hätten über Ersuchen folgende Nachweise vorgelegt:
- Meldebestätigung, wonach das Kind und seine Mutter seit 15. November 2010 mit Hauptwohnsitz in Gallneukirchen gemeldet sind;
- Bestätigung der mitbeteiligten Partei, dass X von 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2010 eine städtische Krabbelstube in Linz besucht hat;
- Bestätigung des "Pfarrcaritas"-Kindergartens in Gallneukirchen, dass X diesen Kindergarten seit Jänner 2011 besucht.
Da X, der bis zum 14. November 2010 seinen Hauptwohnsitz in Linz gehabt habe, von Jänner bis Ende Dezember 2010 die Krabbelstube in Linz besucht habe, sei zur Erzielung einer kontinuierlichen Förderung ein Wechsel - in eine Krabbelstube in Gallneukirchen unmittelbar nach der Übersiedlung - zu vermeiden gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen:
Das Oö. Kinderbetreuungsgesetz - Oö. KBG, LGBl. Nr. 39/2007 idF der am 1. September 2010 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 59/2010, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 2
Begriffe und Abgrenzung
(1) Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
1. Kinderbetreuungseinrichtung: Eine Einrichtung zur regelmäßigen vor- oder außerschulischen Bildung, Erziehung, Betreuung und Pflege von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren in Gruppen für einen Teil des Tages in dafür geeigneten Räumlichkeiten und durch das dafür fachlich geeignete Personal;
1a. Betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen:
Kinderbetreuungseinrichtungen gemäß Z 1, deren Angebot sich ausschließlich an Kinder von im Unternehmen beschäftigten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern bzw. an Kinder der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers richten;
1b. Freie Kinderbetreuungseinrichtungen:
Kinderbetreuungseinrichtungen gemäß Z 1, auf die die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen (§ 29) nicht zutreffen und die zur Erfüllung der Kindergartenpflicht geeignet sind;
2. Krabbelstubengruppe: Eine Gruppe einer Kinderbetreuungseinrichtung, deren Angebot sich überwiegend an Kinder unter drei Jahren richtet, deren Eltern berufstätig, arbeitssuchend oder in Ausbildung sind;
3. Kindergartengruppe: Eine Gruppe einer Kinderbetreuungseinrichtung, deren Angebot sich überwiegend an Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung richtet;
…
§ 28
Gastbeiträge
(1) Besucht ein Kind eine Kinderbetreuungseinrichtung in einer anderen Gemeinde als der Hauptwohnsitzgemeinde, ist - ausgenommen beim Besuch einer betrieblichen oder freien Kinderbetreuungseinrichtung - von der Hauptwohnsitzgemeinde ein angemessener Gastbeitrag zu entrichten, sofern in der Hauptwohnsitzgemeinde kein entsprechendes bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht oder die familiäre Situation des betreffenden Kindes oder das Kindeswohl den Besuch einer gemeindefremden Kinderbetreuungseinrichtung erfordern.
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung die Mindesthöhe des Gastbeitrags festzusetzen. Im Fall der Nichteinigung über die Leistung des Gastbeitrags entscheidet auf Antrag einer Gemeinde die Landesregierung mit Bescheid."
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin die Hauptwohnsitzgemeinde von X ist und ein "Fall der Nichteinigung" im Sinn von § 28 Abs. 2 Oö. KBG zwischen den beteiligten Gemeinden über die Leistung des Gastbeitrages vorliegt.
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, sondern nur das Parteienvorbringen und den Inhalt der von den Eltern vorgelegten Bestätigungen wiedergegeben habe. Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung könnten entsprechende Feststellungen nicht ersetzen.
Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde zunächst das Vorbringen der Parteien und den Inhalt der von den Kindeseltern vorgelegten Urkunden wiedergegeben und sodann unter der Überschrift "Hierüber hat die Behörde erwogen:" einige Passagen daraus wiederholt und ihre rechtliche Beurteilung darauf aufgebaut hat. Daraus ist zweifellos erkennbar, dass die belangte Behörde die sich aus dem wiedergegebenen Vorbringen und den vorgelegten Urkunden ergebenden Tatsachen - die nicht miteinander im Widerspruch stehen - festgestellt hat. Diese Feststellungen werden von der Beschwerdeführerin nicht konkret bestritten. Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, ob es sich bei der von X in Linz besuchten Krabbelstube um eine betriebliche oder freie Kinderbetreuungseinrichtung handle, für die gemäß § 28 Abs. 1 Oö. KBG kein Gastbeitrag zu leisten sei, sie bestreitet jedoch gar nicht, dass X eine "städtische Krabbelstube" besucht hat, und führt keine konkreten Umstände ins Treffen, aus denen auf das Vorliegen einer betrieblichen oder freien Kinderbetreuungseinrichtung im Sinn von § 2 Abs. 1 Z. 1a oder Z. 1b Oö. KBG geschlossen werden könnte.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich nicht, weshalb ein Wechsel der Kinderbetreuungseinrichtung im Sinn einer kontinuierlichen Förderung zu vermeiden gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, ob die Betreuung und Förderung in der Krabbelstube in Linz qualitativ besser sei oder aus welchen sonstigen Gründen ein Wechsel nicht zumutbar gewesen sei.
Dazu ist auszuführen, dass die Materialien zum Oö. KBG (AB, Blg. 181/2010 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtages, XXVII. GP, S. 5) "Vermeidung von Wechsel der Kinderbetreuungseinrichtung im Sinn einer kontinuierlichen Förderung" ausdrücklich als einen - im Interesse des Kindeswohls gelegenen - für die Leistung eines Gastbeitrages sprechenden Umstand nennen. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass dieser Grund hier vorliege.
Dies ist nicht als rechtswidrig zu erkennen: Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat der mj. X am 30. November 2010 sein drittes Lebensjahr vollendet. Der gesetzlichen Regelung liegt zu Grunde, dass zu diesem Zeitpunkt der Wechsel von der Krabbelstube in den Kindergarten erfolgt (siehe § 2 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 Oö. KBG). Am 15. November 2010 ist der Minderjährige mit seiner Mutter nach Gallneukirchen übersiedelt. In einem solchen Fall ist der eineinhalbmonatige Verbleib in der bisherigen Einrichtung, sodass der Neustart im Kindergarten in der Heimatgemeinde nach dem Jahreswechsel erfolgen kann, im Interesse des Kindeswohles gelegen und daher im Sinn von § 28 Abs. 1 Oö. KBG erforderlich.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie von der belangten Behörde lediglich zur Zahlung eines "angemessenen" Gastbeitrages verpflichtet worden sei. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, in welcher Höhe dieser Beitrag zu leisten sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Die Landesregierung hat gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz Oö. KBG im Fall der Nichteinigung auf Antrag über die Leistung des Gastbeitrages zu entscheiden. Nach § 28 Abs. 1 Oö. KBG hat der Gastbeitrag "angemessen" zu sein. Die konkrete Höhe ist im Gesetz nicht geregelt. Nach § 28 Abs. 2 erster Satz leg. cit. hat die Landesregierung durch Verordnung die Mindesthöhe des Gastbeitrages festzusetzen. § 28 Oö. KBG idF LGBl. Nr. 59/2010 ist am 1. September 2010 in Kraft getreten. Die Verordnung der Oö. Landesregierung über die tarifmäßige Festsetzung des Elternbeitrages in Kinderbetreuungseinrichtungen (Oö. Elternbeitragsverordnung 2011), LGBl. Nr. 102/2010, die auch die Mindesthöhe der gemäß § 28 Oö. KBG zu entrichtenden Gastbeiträge regelt, ist jedoch erst am 1. Jänner 2011 in Kraft getreten. Somit bestand für den hier gegenständlichen Zeitraum kein Mindestsatz.
Aus § 28 Abs. 2 Oö. KBG ergibt sich, dass die Festsetzung des Gastbeitrages primär Sache der beteiligten Gemeinden ist. Nur "im Fall der Nichteinigung" hat die Landesregierung zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat die Mitbeteiligte der Beschwerdeführerin einen bestimmten Gastbeitrag u.a. für den Minderjährigen X vorgeschrieben. Mangels Einigung über die Entrichtung wurde der gegenständliche Antrag auf Entscheidung durch die Landesregierung gestellt. Die belangte Behörde hatte daher gemäß § 28 Abs. 2 letzter Satz Oö. KBG "über die Leistung des Gastbeitrages" mit Bescheid zu entscheiden. Dabei handelt es sich um einen Leistungsbescheid, der die Leistung soweit zu konkretisieren hat, dass eine Vollstreckung möglich ist (vgl. etwa Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9, Rz 402 f; Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, Rz 67 zu § 56). Dazu gehört jedenfalls auch die Festsetzung der Höhe eines zu leistenden Geldbetrages.
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid jedoch nur zur Leistung eines "angemessenen Gastbeitrages" verpflichtet, ohne die Höhe des Gastbeitrages festzusetzen.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das die Eingabengebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin als Gebietskörperschaft gemäß der Z. 3 dieser Bestimmung von der Entrichtung der Gebühr befreit ist.
Wien, am 20. November 2013
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