VwGH 2013/09/0196

VwGH2013/09/019620.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des DI MS in T, vertreten durch Mag. Michael Steininger, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Schießstattring 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 26. November 2013, Zl. Senat-PL-13-0239, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 2. März 2012 wurde der Revisionswerber wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) bestraft, weil er es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ als handelsrechtlicher Geschäftsführer der IM GmbH (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeber vom 11. März 2010 bis zum 18. März 2010 einen namentlich genannten polnischen Staatsangehörigen mit Verspachtelungs- und Holzarbeiten entgegen § 3 AuslBG beschäftigt habe, obwohl für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt, noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5 AuslBG) oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder eine Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt (§ 8 Abs. 2 Z. 3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt gewesen sei.

Über den Revisionswerber wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG verhängt und ihm die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.

Dagegen erhob der Revisionswerber Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass der Ausländer als Gewerbetreibender und in Erfüllung eines Werkvertrages betreffend eine auf einer Liegenschaft der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft errichteten Portierloge tätig gewesen sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 2012 wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 2. März 2012 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG mit der Begründung eingestellt, dass der Revisionswerber wegen der vorgeworfenen Übertretung angesichts des mit 1. Mai 2011 erfolgten Ablaufes der Übergangsfrist für die Beschäftigung polnischer Staatsangehöriger auf Grund des nach § 1 Abs. 2 VStG geltenden Günstigkeitsprinzips nicht mehr bestraft werden dürfe.

Dagegen erhob die Bundesministerin für Finanzen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 2012 mit Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2012, B 1003/11-7, B 1004/11- 7, und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 2012, Zl. 2012/09/0105, und vom 6. Oktober 2012, Zl. 2012/09/0106, in welchen beide Gerichtshöfe dargelegt hatten, dass in einer solchen Fallkonstellation wegen vor dem 1. Mai 2011 begangener solcher Übertretungen des AuslBG eine Bestrafung nach dem 1. Mai 2011 ungeachtet des § 1 Abs. 2 VStG zulässig ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 2. März 2012 bestätigt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 02. März 2012, Zl. PLS2-S-107494/5, sowie auf den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ vom 02. Juli 2012, Senat-PL-12-0168, verwiesen.

Mit letztgenanntem Bescheid wurde dem Rechtsmittelvorbringen alleine deswegen stattgegeben, weil das Günstigkeitsprinzip einer Bestrafung entgegen stehe. - Diese Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch mit seinem Erkenntnis vom 05. September 2013, Zl. 2012/09/139-5, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Parallelverfahren Senat-PL11-213/4 hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch mit Entscheidung vom 05. September 2013, Zl. 2012/09/121-5 die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ vom 02. Juli 2012, welche auf Bestrafung lautete, bestätigt.

Auf die tragenden Gründe dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher für den Gegenstand zu verweisen und wird neben der Parallelentscheidung Senat-OP-11-213/4 vom 02. Juli 2012 zum integrierenden Bescheidbestandteil erklärt.

Es handelt sich um ein völlig gleichgelagertes Vorfallsgeschehen, ein Unterschied besteht lediglich im Tatzeitraum.

Indem das Günstigkeitsprinzip nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Anwendung gelangt, ist daher spruchgemäß mit Bestrafung des Rechtsmittelwerbers vorzugehen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, die gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG gilt. Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Revisionswerber erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt, weil dieser keine den Mindesterfordernissen des § 60 AVG, der gemäß § 24 VStG iVm § 67 AVG auch für Berufungsbescheide in Verwaltungsstrafverfahren gelte, entsprechende Begründung enthalte. Nicht oder unzureichend begründete Bescheide hinderten den Verwaltungsgerichtshof daran, seiner Rechtskontrollaufgabe nachzukommen. Wenn die belangte Behörde auf ein Parallelverfahren und nicht näher spezifizierte tragende Gründe einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes verweise, so sei dies nicht ausreichend und die belangte Behörde übersehe auch, dass schon die Art der angelasteten Tätigkeit im Bescheid vom 2. März 2012 eine andere sei als jene im "Parallelverfahren". Trotz des erheblichen Verfahrensaufwandes fehle jegliches Eingehen auf die Beweisergebnisse und sei die geforderte klare und übersichtliche Zusammenfassung der maßgeblichen, zur Beweiswürdigung angestellten Erwägungen völlig unterblieben. Dies widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa den Erkenntnissen vom 16. November 2005, Zl. 2003/08/0116, und vom 12. November 2013, Zl. 2012/09/0079, weshalb die Entscheidung über die Beschwerde/Revision von einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukomme.

Gemäß den im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 58 Abs. 2 und § 60 iVm § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete. Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 97/21/0249, mwN).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller, zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1968, Zl. 0189/68, mwN, vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/09/0143, und - damit im Zusammenhang zur notwendigen Trennung von Begründungselementen - vom 4. September 2013, Zl. 2013/08/0113, mwN, vgl. auch Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, zu § 60 RZ 7 ff).

Indem die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides bloß auf andere Texte verwies, hat die belangte Behörde diese Grundsätze außer Acht gelassen.

Zwar darf die Behörde bei Erlassung eines Bescheides auf einen Text verweisen und zu ihrem eigenen machen, wenn er der Partei zugegangen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. August 1996, Zl. 94/09/0230, vom 16. September 1998, Zl. 96/09/0320, und das hg. Erkenntnis vom 28. April 2000, Zl. 96/21/0227), wobei - wie in dem dem hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2004, Zl. 2001/09/0015, zu Grunde liegenden Fall - der verwiesene Text der Erledigung angeschlossen werden sollte.

Dies entbindet die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den im konkreten Fall maßgeblichen Sachverhalt als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens klar und eindeutig darzustellen.

Im vorliegenden Fall besteht die Begründung des angefochtenen Bescheides allein aus einer Verweisung auf andere Texte. Weder enthält der angefochtene Bescheid eine klare Feststellung des hier maßgeblichen Sachverhalts noch sind die zu integrierenden Bestandteilen des angefochtenen Bescheides erklärten verwiesenen Texte aus einem "Parallelverfahren" dem angefochtenen Bescheid angeschlossen. Der angefochtene Bescheid ist daher für den Verwaltungsgerichtshof nicht ohne weiteres nachprüfbar.

In der Begründung eines Bescheides sind aber der Partei sämtliche Erwägungen der Behörde, die für die Entscheidung maßgeblich waren, in schriftlicher Form zur Kenntnis zu bringen, um sie - im Sinne des von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsschutzinteresses der Partei - in die Lage zu versetzen, auf der Grundlage der Bescheidausfertigung die Erfolgschancen einer weiteren Rechtsverfolgung abzuschätzen und ihr Vorgehen darauf abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596, VwSlg. 16.670 A).

Es lagen daher die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor und war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm den VwGH-Aufwandersatzverordnungen BGBl. II Nr. 518/2013, II Nr. 8/2014 und II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Februar 2014

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