VwGH 2013/06/0234

VwGH2013/06/023417.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch Mag.ª Julia Lang, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23/III, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 24. Oktober 2013, Zl. Maglbk/4234/RA-RM-BA/1, betreffend Untersagung eines Bauvorhabens (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2011 §2 Abs16;
BauO Tir 2011 §6 Abs2 lita;
BauO Tir 2011 §2 Abs16;
BauO Tir 2011 §6 Abs2 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauanzeige vom 26. April 2013 zeigte die Beschwerdeführerin die Erweiterung des südwestlichen Balkons im

1. Obergeschoß an der Innenhausseite auf einem näher angeführten Grundstück der KG W an.

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 28. Mai 2013 wurde die Ausführung des angezeigten Bauvorhabens gemäß § 23 Abs. 3 TBO 2011 untersagt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung vom 17. Juni 2013, welche mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 2013 als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, der Verwaltungsgerichtshof führe zum Begriff "untergeordnete Bauteile" aus, dass ein "offener Balkon" nicht schon allein deshalb, weil dieser Begriff in § 2 Abs. 16 TBO 2011 genannt sei, ohne Rücksicht auf die Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter Bauteil" anzusehen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/06/0206). Es müsse daher - auch wenn das angezeigte Bauvorhaben alle Merkmale des Begriffes "offener Balkon" erfülle - jeweils im konkreten Einzelfall beurteilt werden, ob der Balkon aufgrund seiner Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk als untergeordneter Bauteil anzusehen sei.

Im gegenständlichen Fall weise der angezeigte Balkon eine Länge von 6,93 m und eine Breite von 1,50 m auf. In Bezug auf die hofseitige Fassade des Gebäudes, an der der Balkon angebracht werden solle, nehme dieser mit einer Länge von ca. 7 m weit mehr als die Hälfte der Fassade, welche eine maximale Länge von 9 m aufweise, ein. An der Fassade befänden sich bereits in drei Stockwerken ähnlich konstruierte Balkone, die einen bewilligten Bestand bildeten. Diese Balkone seien allerdings von ihrer Länge her so dimensioniert, dass sie maximal die Hälfte der Fassadenlänge einnähmen. Im Verhältnis zu diesen Balkonen wirke der angezeigte Balkon aufgrund seiner Länge sehr dominant. Es komme ihm daher aufgrund seiner Dimensionierung bei einer Gesamtbetrachtung des Gebäudes keine untergeordnete Bedeutung mehr zu. Er stelle damit insbesondere wegen seiner Länge über mehr als die Hälfte der Fassadenbreite und der in Summe schon mehrfach vorhandenen Balkone am Gebäude keinen untergeordneten Bauteil dar, weshalb eine Errichtung vor der Baugrenzlinie gemäß § 6 Abs. 3 lit. a (gemeint wohl: Abs. 2 lit. a) iVm Abs. 4 TBO 2011 nicht zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von Bedeutung:

Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) idF LGBl. Nr. 48/2013:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

...

(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Fänge, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen, Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen.

...

§ 6

Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen

und von anderen baulichen Anlagen

...

(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:

a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;

...

§ 21

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben,

Ausnahmen

...

(2) Die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind, sofern sie nicht nach Abs. 1 lit. b oder e einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen. Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

a) die Anbringung und Änderung von untergeordneten Bauteilen und von Balkonverglasungen bei bestehenden baulichen Anlagen;

..."

Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, sie habe ein subjektives Recht darauf, dass die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch mache. Die Behörde habe jedoch lediglich lapidar dargelegt, dass die Fassade des Gebäudes 9 m und der angezeigte Balkon ca. 7 m lang seien sowie dass die anderen Balkone lediglich die Hälfte der Fassadenlängen aufwiesen. Daraus könne nicht darauf geschlossen werden bzw. sei nicht nachvollziehbar, warum der Balkon nicht mehr als "untergeordneter Bauteil" angesehen werden könne. Abgesehen davon stelle es einen massiven Widerspruch dar, dass die Behörde einerseits selbst ausführe, dass jeweils auf die Gesamtheit des Objektes bezogen auf den Einzelfall vor Fällung der Entscheidung abzustellen sei, und anderseits darlege, dass bei einer Länge des Balkons von mehr als 50 % der Fassadenlänge bereits kein untergeordneter Bauteil mehr vorliege. Es gebe zu Recht keinerlei Rechtsprechung dahingehend, dass ein Balkon, der mehr als 50 % der Fassadenlänge eines Gebäudes einnehme, sogleich nicht mehr als untergeordneter Bauteil angesehen werden könne. Nach Gesetz und Rechtsprechung habe eine Überprüfung jeweils auf den Einzelfall bezogen stattzufinden. Die Behörde habe sich vorliegend in keiner Weise mit dem Gebäude als solches auseinander gesetzt, sondern sei lediglich von den bereits vorhandenen Balkonen und der Fassadenlänge des Gebäudes ausgegangen. Für die Beurteilung, ob ein Balkon als "untergeordneter Bauteil" angesehen werden könne, sei jedoch eine Gesamtbeurteilung des Gebäudes auch auf seine sonstige Beschaffenheit hin notwendig. Es müsste auch die Ausführung des Balkons, sowohl die Art und Weise der allgemeinen Ausführung als auch jene des Geländers, in die Gesamtbetrachtung und sohin in die Gesamtbeurteilung mit einfließen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass ein Bauteil nicht schon allein deshalb, weil er in § 2 Abs. 16 TBO 2011 genannt ist, ohne Rücksicht auf seine Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter Bauteil" anzusehen ist. Bei der Frage, ob ein Bauteil als "untergeordnet" zu qualifizieren ist, ist auch auf das Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2006/06/0112).

Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass bei einer Gesamtbetrachtung des Gebäudes dem gegenständlichen Balkon aufgrund seiner Dimensionierung keine untergeordnete Bedeutung mehr zukommt und dies in nicht zu beanstandender Weise mit seiner Länge (ca. 7 m) über mehr als die Hälfte der Fassadenbreite (maximal 9 m) und der in Summe schon mehrfach vorhandenen Balkone begründet sowie damit, dass dieser im Verhältnis zu den bereits vorhandenen, maximal die Hälfte der Fassadenlänge einnehmenden Balkone aufgrund seiner Länge sehr dominant wirkt. Die Ansicht der belangten Behörde, eine Errichtung dieses Balkons vor der Baugrenzlinie sei daher gemäß § 6 Abs. 2 lit. a iVm Abs. 4 TBO 2011 nicht zulässig, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 17. Dezember 2014

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