Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 19. Oktober 2012 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Baupolizeigesetzes 1997 sowie des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes eine Strafe in der Höhe von EUR 500,-- verhängt. Nach dem im Akt aufliegenden Zustellnachweis wurde das Straferkenntnis beim Postamt 5026 hinterlegt; die Abholfrist begann am 29. Oktober 2012.
Am 23. November 2012 brachte der Beschwerdeführer per E-Mail eine näher begründete Berufung gegen das Straferkenntnis vom 19. Oktober 2012 ein. Begründend führte er aus, das Straferkenntnis sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Erst nach Ablauf der Frist habe er dieses (gemeint wohl: die Verständigung über die Hinterlegung des Straferkenntnisses) "in unserer Garage neben einem Holzstoß aufgefunden". Danach habe er umgehend Kontakt mit dem Magistrat der Stadt Salzburg aufgenommen und das Schreiben am 21. November 2012 in Empfang genommen. Vom 24. Oktober 2012 bis einschließlich 14. November 2012 sei im Bereich seines Hauszuganges eine Baustelle und während dieser Zeit auch keine Postkastenanlage montiert gewesen. Erst am Samstag, den 17. November 2012, sei diese durch den Beschwerdeführer montiert worden. Im Zuge der Montagearbeiten für die neue Postkastenanlage sei die Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes gefunden worden. Durch die fristgerechte Eingabe der Berufung sei von einer aufschiebenden Wirkung auszugehen. In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen begründeten Berufungsantrag.
Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) hielt dem Beschwerdeführer sodann die Verspätung der Berufung vor. Dieser brachte dazu mit Schreiben vom 17. Jänner 2013 zunächst dieselben Argumente wie in der Berufung vor. Dazu legte der Beschwerdeführer fünf Fotos vor. Ergänzend führte er aus, nach Entfernen des bisherigen Postkastens sei während der Bauarbeiten die "normale" Post vor der Haustüre hinterlegt worden. Die neue Postkastenanlage sei noch nicht im Freien montiert gewesen, weil Arbeiten im Bereich der Zufahrt/Außenanlage stattgefunden hätten; bis zur Montage am 17. November 2012 sei diese in der Garage an die Wand gelehnt gestanden. Offensichtlich habe sich der Postausträger gedacht, er werfe die Post in die in der Garage stehende "neue" Postkastenanlage ein, die vom Beschwerdeführer jedoch nicht geleert worden sei, weil ja die "normale" Post jeden Tag am Fußabstreifer vor der Tür gelegen sei. Erst am 17. November 2012, als die Arbeiten bereits fertig gestellt gewesen seien, sei die neue Postkastenanlage an dem dafür vorgesehenen Platz montiert und das Schreiben entnommen worden. Die Abholfristen seien zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen. Auf Grund dieses Sachverhaltes gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass seine Berufung fristgerecht eingebracht worden sei.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis (vom 18. Februar 2013) wies der UVS die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurück. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Hinterlegung Rechtswirkungen entfaltet habe, weil sie weder in den Briefkasten eines anderen Empfängers noch in einen für den Zusteller durch entsprechende Hinweise erkennbar "stillgelegten" oder beschädigten, in seiner Funktion beeinträchtigten Briefkasten eingelegt worden sei. Der in unmittelbarer Nähe (ca. 5 Meter vom Hauseingang entfernten) im Bereich der Garageneinfahrt aufgestellte, für den Zusteller gut sichtbare Briefkasten sei voll funktionsfähig gewesen und habe keine Beschädigungen aufgewiesen. Der bisher neben der Eingangstüre aufgestellte "alte" Briefkasten sei zwar in Folge der damaligen Bauarbeiten im Eingangsbereich der Abgabestelle entfernt worden. Da der Post vom Empfänger nicht mitgeteilt worden sei, dass für die Dauer der Bauarbeiten im Eingangsbereich der Abgabenstelle kein Briefkasten vorhanden sei, habe der Zusteller nach den ersichtlichen objektiven Gegebenheiten an der Abgabestelle mit gutem Grund annehmen können, dass während der Bauarbeiten der gut sichtbar in kurzer Entfernung in Bereich der Garageneinfahrt aufgestellte Briefkasten als für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung dienen sollte. Die Hinterlegungsverständigung sei demnach gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz - ZustG ordnungsgemäß "in den Briefkasten" eingelegt worden, sodass mit der Hinterlegung am 29. Oktober 2012 bei der Post die rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgt sei. Daher sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Berufung am 23. November 2012 verspätet eingebracht habe, weshalb diese zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der UVS legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in seiner Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§ 17 Zustellgesetz - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, lautet auszugsweise:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) …"
Die Beschwerde führt im Wesentlichen aus, der neue Briefkasten sei noch nicht aufgestellt, sondern vielmehr eingelagert gewesen, was im angefochtenen Erkenntnis auch zutreffend so bezeichnet worden sei. Er sei daher noch nicht zur bestimmungsgemäßen Verwendung gedacht gewesen. Der Behörde hätte auch auffallen müssen, dass der "neue" Briefkasten noch mit Folie umwickelt gewesen sei und über einen Kantenschutz verfügt habe, was zweifelsfrei darauf schließen lasse, dass er eben lediglich eingelagert und nicht zum Zweck der Zustellung bzw. der Hinterlegung von Poststücken aufgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe angeboten, die Fotos, worauf dies erkennbar sei, in digitaler Form vorzulegen, woraus erkennbar gewesen wäre, dass von einer "Aufstellung" für den bestimmungsgemäßen Gebrauch keine Rede sein könne, sondern der "neue" Postkasten bis zur Montage in der Garage eingelagert worden sei. Dass die Behörde dieses Beweisanbot nicht aufgenommen habe, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Bei verständiger und objektiver Beurteilung der Gegebenheiten hätte der Zusteller den "neuen" Postkasten nicht zweifelsfrei als jenen identifizieren dürfen, der für die gegenständliche Abgabestelle bestimmt gewesen sei. Bei der erforderlichen objektiven Beurteilung hätte ihm auffallen müssen, dass auf Grund der Bauarbeiten der "alte" Postkasten entfernt worden sei und er hätte daher Zweifel daran haben müssen, dass und ob der noch eingepackte und mit Kantenschutz versehene "neue" Briefkasten für die Abgabestelle bestimmt gewesen sei. Er hätte daher die Hinterlegungsverständigung an der Haustüre anbringen müssen. Die Zustellung sei daher nicht rechtswirksam erfolgt. Im Übrigen leide der angefochtene Bescheid an einem Verfahrensmangel, weil die Behörde es unterlassen habe, den Zustand des "neuen" Briefkastens aus der Nähe aufzunehmen oder zumindest den Zusteller dazu zu befragen. Dadurch hätte sich ergeben, dass der Postkasten bereits auf Grund des Einlagerungsortes und Zustandes (eingewickelt in Folie mit Kantenschutz) nicht geeignet gewesen sei, den objektiven Anschein zu erwecken, dass es sich dabei um den für die Abgabenstelle bestimmten Briefkasten handle. Es sei auch nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde zu der Feststellung gelangt sei, bei dem "neuen" Briefkasten handle es sich um einen "gut sichtbaren Briefkasten, der voll funktionsfähig und keine Beschädigungen aufwies". Dies könne aus den vorgelegten Fotos nicht zweifelsfrei erkannt werden.
Damit ist die Beschwerde im Recht.
Die ordnungsgemäße schriftliche Verständigung ist unabdingbare Voraussetzung der Zustellung durch Hinterlegung. Entspricht die Form der Zurücklassung nicht dem Gesetz, bleibt die Hinterlegung ohne Wirkung. Die Verständigung ist grundsätzlich in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach, Briefeinwurf) einzulegen. Ob die Abgabeeinrichtung für die Abgabestelle bestimmt ist, ist anhand objektiver Kriterien (Lage, Aufschrift) zu beurteilen, die den Schluss zulassen, der Adressat wolle auf diese Weise schriftliche Mitteilungen entgegennehmen. Lässt sich eine solche Zuordnung nicht treffen, liegt keine Abgabeeinrichtung im Sinne des Gesetzes vor. Gleiches gilt auch, wenn diese (erkennbar) stillgelegt oder in einer ihrer Funktion beeinträchtigenden Weise beschädigt ist, sodass insbesondere der Inhalt für Dritte zugänglich ist. Das Zustellorgan hat die Verständigung der Hinterlegung derart an der Abgabestelle zurückzulassen, dass anzunehmen ist, dass die Art des Zurücklassens die größere Gewähr dafür bietet, dass der Empfänger die Verständigung tatsächlich erhält (vgl. dazu die Ausführungen bei Ulrike Frauenberger-Pfeiler, Nikolas Raschauer, Peter Sander, Wolfgang Wessely (Hrsg), Österreichisches Zustellrecht2, Rz 6 zu § 17 ZustG, mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Judikatur sowie die Judikatur des Obersten Gerichtshofs).
Im gegenständlichen Fall stimmen die Angaben des Beschwerdeführers, die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis sowie die vorgelegten Fotos insofern überein, als sich die "neue" Briefkastenanlage in einer Entfernung von etwa 5 m zur Grundstücksgrenze im Inneren der Garage befand; deren Tor war auf den Fotos geöffnet. Das weitere Beschwerdevorbringen, die "neue" Briefkastenanlage sei mit Folie umwickelt und mit einem Kantenschutz versehen, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar.
Im Hinblick darauf, dass die "neue" Postkastenanlage im Inneren der Garage gelagert war - nach den vorliegenden Fotos musste der Zusteller zwischen Baumaschinen und dem Haus, vorbei an der Haustüre, durchgehen, um zur Garage zu gelangen -, lassen die objektiven Kriterien nicht darauf schließen, dass der Adressat auf diese Weise Mitteilungen entgegennehmen wollte bzw. das Zurücklassen der Hinterlegungsanzeige in dieser "neuen" Briefkastenanlage eine große Gewähr dafür bot, dass der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige tatsächlich erhält. Es ist somit nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der UVS - insbesondere ohne Befragung des Zustellers - zu der Überzeugung gelangte, der Beschwerdeführer hätte schriftliche Mitteilungen in dem im Inneren der Garage befindlichen "neuen" Briefkasten entgegennehmen wollen.
Da die Form der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige somit nicht dem Gesetz entsprach, erfolgte die Zustellung durch Hinterlegung nicht rechtswirksam. Es wäre Aufgabe des Zustellers gewesen, die gegenständliche Hinterlegungsanzeige - weil ihr Einlegen in die "neue" Briefkastenanlage nicht zulässig war - gemäß § 17 Abs. 2 ZustG an der Eingangstüre anzubringen. Die am 23. November 2012 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis durfte somit nicht als verspätet zurückgewiesen werden.
Da der UVS dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich gemäß auf die §§ 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am 8. September 2014
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