VwGH 2013/03/0046

VwGH2013/03/004619.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Mag. S F in W, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 4. März 2013, Zl A3/344.436/2012, betreffend Waffenpass, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses vom 11. Mai 2012 gemäß § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) abgewiesen.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheids und stellte dazu "ergänzend" Folgendes fest:

Seinen Antrag vom 11. Mai 2012 habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen sowie Verfahrenshelfer sei. Er sei regelmäßig mit schlecht beleumundeten Personen in Kontakt, dies auch großteils außerhalb der Kanzlei. Der Beschwerdeführer sei auch mit Drohungen Dritter konfrontiert, zB im Rahmen der Strafverteidigung mit Drohungen von Mitangeklagten und deren Angehörigen.

Dem Antrag sei vom Beschwerdeführer eine Liste von aus Medien bekannten Gewalttaten im Zusammenhang mit Rechtsanwälten (Stand 2. März 2012) beigelegt worden. Bemerkt werde, dass der aktenkundigen Liste keine strafbare Handlung zu entnehmen sei, die in einem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer stünde.

Der Beschwerdeführer sei bereits im Besitz einer Waffenbesitzkarte. Ein im Jahr 2007 ausgestellter Waffenführerschein sei vorgelegt worden. Am 3. Juli 2012 sei eine Verlässlichkeitsüberprüfung gemäß § 4 Abs 3 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung erfolgt. Diese habe keinen Zweifel an der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers ergeben.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er bereits eine Waffenbesitzkarte für zwei "Plätze" habe. Diese sei von zwei großen Waffen, welche er zum Sportschießen nutze, belegt. Zum verdeckten Führen wolle er noch zusätzlich eine möglichst kleine Waffe anschaffen. Er arbeite als Strafverteidiger. Neben seinen eigenen Mandanten als Wahlverteidiger erledige er außerdem auch für seine zwei Partner als Substitut die Verfahrenshilfeverteidigung in Strafsachen. Da er somit "für schlecht beleumundete und/oder auch schon verurteilte Personen (=Verbrecher)" arbeiten müsse, sei er ständig gefährdet. Oft könne man für einen Mandanten keinen Freispruch, sondern nur eine Reduktion der Strafe erreichen. Dies führe oft zu Beschimpfungen, Wutausbrüchen und Drohungen der dann verurteilten Verbrecher. Aus der von ihm bereits übermittelten Liste lasse sich erkennen, dass derartige Situationen oft nicht nur glimpflich ausgingen, sondern auch (teilweise Jahre später) mit Verletzungen oder Tod von Rechtsanwälten oder anderen beteiligten Personen endeten.

Da er außerdem regelmäßig in der Rechtsanwaltskammer bei der ersten anwaltlichen Auskunft tätig sei, komme es auch vor, dass er mit Personen "von Angesicht zu Angesicht" konfrontiert sei, die er noch nie gesehen habe und von denen er auch nicht wisse, wie gefährlich sie seien oder sich verhielten. In diesem Fall sei eine Umgehung/Verminderung der Gefahr auf anderen Wegen unmöglich. Als konkretes Beispiel führe er an, dass bei der letzten anwaltlichen Beratung ein wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung zu sechs Monaten unbedingter Haft verurteilte rumänischer Arbeiter erschienen sei, der stark alkoholisiert gewesen sei, seinen Unmut darüber lautstark kundgetan habe und den Beschwerdeführer für eine (relativ aussichtlose) Berufung beauftragen habe wollen.

Mit Schreiben vom 17. August 2012 habe der Beschwerdeführer zusätzlich vorgebracht, dass er die konkrete Bedrohung an Hand von zwei weiteren Beilagen (zwei Zeitungsberichte) darlegen wolle. Auch diesen beiden Fällen sei keine strafbare Handlung zu entnehmen, die in einem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer stünden.

In seiner Berufung vom 6. September 2012 habe der Beschwerdeführer ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen geltend gemacht, dass die Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde in ihrem Bescheid in der dargestellten Allgemeinheit unrichtig seien. Diese verkenne, dass bestimmte Personengruppen oder Berufsstände per se erhöhten Gefahren ausgesetzt seien und daher die Anforderungen an die "individuelle Gefahrenlage" herabgesetzt seien.

Dies entspreche "ständiger unveränderter Rechtslage" und habe daher das Bundesministerium für Inneres bereits am 14. November 1967 zu einem Erlass veranlasst, wonach auf Grund eines Rechtsanspruchs oder einer positiven Ermessensentscheidung für die Ausstellung eines Waffenpasses in Betracht gezogen werden müsse, dass für bestimmte genannte Personengruppen bereits mit ihrer Berufsausübung in erhöhtem Maße die Gefahr von Überfällen bestehe. Dabei würden neben Kassenboten, Taxilenkern und Angehörigen von Bewachungsunternehmen ausdrücklich Rechtsanwälte genannt. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Inneres bestünde sohin für Rechtsanwälte grundsätzlich bereits im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung in erhöhtem Maß die Gefahr von Überfällen.

Die Sicherheitslage für Rechtsanwälte - und daher auch für den Beschwerdeführer - habe sich insbesondere in dem räumlichen Gebiet, in dem er überwiegend tätig sei (Wien und Niederösterreich) verschlechtert.

Das weitere von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Aufzählung verschiedener Zwischenfälle zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten.

Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er vor dem Bezirksgericht D. einen Kläger in einem Räumungsverfahren vertrete. Der Beklagte in diesem Verfahren sei im österreichischen Nationalrat als Mafiaboss bezeichnet und über ihn ausgesagt worden, dass dieser in seinem Heimatland Georgien steckbrieflich gesucht werde, weil sein Bodyguard dort einen jungen Mann erschossen habe und weil er selbst dabei gewesen sei, als man einen Vertrauten des Präsidenten angeschossen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Tätigkeit als Rechtsanwalt in der vom Beschwerdeführer beschriebenen Art und Weise begründe für sich noch keine besondere Gefahrenlage. Darüber hinaus reiche es nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein könne, vielmehr sei zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich sei und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt und das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden könne.

Der Beschwerdeführer habe eine über bloße Vermutungen und Befürchtungen hinausgehende konkrete Gefährdung nicht dargetan. Dies gelte auch unter Bedachtnahme auf die erwähnten Vorfälle, weil diese in keinem konkreten Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer stünden. Die von ihm ins Treffen geführten Gefahrensituationen blieben sehr allgemein, unkonkret und spekulativ.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 10 WaffG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung BGBl I Nr 12/1997 lautet:

"§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist."

Die §§ 21 und 22 WaffG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 43/2010 lauten (auszugsweise):

"§ 21. (1) (…)

(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

(…)

§ 22. (1) (…)

(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."

§ 6 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, lautet:

"§ 6. Das der Behörde in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen darf nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf (§ 22 Abs. 2 WaffG) nahekommen."

Auf dem Boden der zitierten Bestimmungen des WaffG und der

2. WaffV ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt - dh unter Einsatz einer Waffe, für deren Führung ein Waffenpass erforderlich ist (vgl das hg Erkenntnis vom 18. September 2013, Zl 2013/03/0102) - wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das hg Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl 2010/03/0072).

2. In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf sein im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen und wendet sich gegen die von der belangten Behörde aus diesem Vorbringen gezogene Schlussfolgerung, dass keine konkrete Gefährdung der Person des Beschwerdeführers dargelegt worden sei.

Soweit der Beschwerdeführer dabei auf einen "Waffenrechtsrunderlaß des Bundesministerium für Inneres", auf seine Tätigkeit als Verfahrenshilfevertreter und auf die Sicherheitslage für Rechtsanwälte im Generellen verweist, ist er gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf die Begründung des hg Erkenntnisses vom 23. August 2013, Zl 2013/03/0081, zu verweisen. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof anhand eines im Wesentlichen vergleichbaren Vorbringens näher dargelegt, dass dieses nicht geeignet ist, glaubhaft zu machen, dass in einer wie vom Beschwerdeführer dargestellten Gefahrensituation das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe geradezu erforderlich ist und auf andere Weise das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann.

Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Verfahrenshilfe in Strafsachen zu einem hohen Anteil ausländischen Straftätern gewährt werde und diese Personen "vielfach mehrfach vorbestraft und grundsätzlich gewaltbereit" seien, kann in dieser Allgemeinheit weder eine konkrete Gefahrenlage des Beschwerdeführers begründen, noch darlegen, in welcher konkreten Situation das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig wäre. Auch der Verweis auf das vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren erwähnte Räumungsverfahren vor dem Bezirksgericht D. zeigt keine konkrete, qualifizierte Gefahr, der am zweckmäßigsten unter Einsatz einer Waffe, für deren Führung ein Waffenpass erforderlich ist, begegnet werden könnte.

Der belangten Behörde ist somit nicht entgegenzutreten, wenn sie anhand des Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren keinen Bedarf iSd § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 WaffG angenommen hat.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 19. Dezember 2013

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