Normen
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
StPO §198;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
StPO §198;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste mit einem bis 6. Dezember 1998 gültigen Visum rechtmäßig nach Österreich ein, wo er sich seither aufhält. Im Hinblick auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin wurden ihm Aufenthaltstitel - zuletzt bis 1. Dezember 2000 - erteilt. Ein Verlängerungsantrag vom 31. Oktober 2000 wurde nicht mehr erledigt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. September 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er zwischen Februar 1999 und September 1999 zusammen mit Mittätern Angestellte von Mobilfunknetzbetreibern durch die Vorspiegelung, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, zur Übergabe und Freischaltung preisgestützter Mobiltelefone verleitet und dadurch die Unternehmen geschädigt hatte.
Im Hinblick auf diese Verurteilung erließ die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 1. Juli 2004 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 2010 keine Folge und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) für eine Dauer von fünf Jahren erlassen werde.
Nach Darstellung des eingangs ausgeführten Strafurteils und des diesem zu Grunde liegenden strafbaren Verhaltens führte die belangte Behörde aus, dass diese Verurteilung den Beschwerdeführer nicht davon habe abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. So sei er am 14. Oktober 2009 bei der Staatsanwaltschaft Wien "wegen des Verdachts gemäß § 229 StGB" angezeigt worden.
Rechtlich bejahte die belangte Behörde die Verwirklichung des Tatbestands des § 86 Abs. 1 FPG, der im Hinblick auf die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin heranzuziehen sei. Auf Grund seines Gesamt(fehl)verhaltens lägen zweifelsfrei die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen vor, sei der Beschwerdeführer doch wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges verurteilt worden. Auch wenn der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz bereits ununterbrochen seit mehr als zehn Jahren in Österreich habe, sei auf Grund seines persönlichen Fehlverhaltens davon auszugehen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde. Der Beschwerdeführer sei nämlich wegen eines gewerbsmäßig begangenen Verbrechens verurteilt worden, was ihn nicht davon habe abhalten können, zuletzt neuerlich straffällig zu werden.
Im Rahmen der Interessenabwägung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass der Beschwerdeführer seit etwa elf Jahren im Bundesgebiet lebe und über familiäre Bindungen zu seiner Ehefrau und einer Tochter, die beide österreichische Staatsbürger seien, verfüge. Die belangte Behörde ging deshalb von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben aus. Dessen ungeachtet - so führte die belangte Behörde weiter aus - sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten und daher im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche auffällig, dass er nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten. Die Verhaltensprognose könne daher - und weil er seine Straftaten als fortlaufende Einnahmequelle genutzt habe - keinesfalls zu seinen Gunsten gestellt werden. Eine aus dem inländischen Aufenthalt ableitbare relevante Integration des Beschwerdeführers verneinte die belangte Behörde im Hinblick darauf, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde. Ebenso wenig könne von einer beruflichen Integration ausgegangen werden. Die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie würden damit keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne auch im Rahmen des Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden. Abschließend begründete die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltsverbots zusammengefasst damit, dass vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums nicht erwartet werden könne, dass der für die Erlassung maßgebliche Grund weggefallen sein werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Februar 2010) geltende Fassung.
Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellten, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Hatte der Fremde vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seinen Aufenthalt ununterbrochen seit über zehn Jahren im Bundesgebiet, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots (nur mehr) zulässig, wenn im Sinn des fünften Satzes dieser Bestimmung - auf Grund seines persönlichen Verhaltens - davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 86 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. Dezember 2012, Zl. 2011/23/0329, mwN).
Zwar ist es - entgegen der Beschwerdeansicht - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig, ein (bloß) einer Strafanzeige (ohne nachfolgende Verurteilung) zu Grunde liegendes Fehlverhalten bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen. Dies setzt jedoch voraus, dass die der Strafanzeige zu Grunde liegenden Taten, ihre Art und Schwere sowie das Fehlverhalten festgestellt und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild konkret dargestellt werden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2010/18/0264, mwN). Gleiches gilt - im Hinblick auf den Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass die Staatsanwaltschaft Wien von der Verfolgung der Strafanzeige im Rahmen einer Diversion unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren zurückgetreten sei - bei diversioneller Erledigung einer Strafanzeige (siehe das Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2011/18/0009).
Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht, weil die belangte Behörde lediglich das Fehlverhalten der dem Strafurteil zu Grunde liegenden Taten darstellte. Die dem Beschwerdeführer konkret angelasteten Straftaten und die Begleitumstände, die der zur Begründung ihrer Gefährdungsprognose ebenfalls herangezogenen - nach dem Akteninhalt bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zurückgelegten - Strafanzeige des Beschwerdeführers wegen des Verdachts des Vergehens der Urkundenunterdrückung zu Grunde lagen, stellte die belangte Behörde jedoch nicht fest.
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang jedoch vor allem außer Acht gelassen, dass - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - das dem Strafurteil zu Grunde liegende Fehlverhalten bereits im Jahr 1999 gesetzt worden war. Im Hinblick auf die Dauer des Berufungsverfahrens von mehr als fünfeinhalb Jahren lag die Begehung der Straftaten bei Erlassung des angefochtenen Bescheides daher bereits beinahe elf Jahre zurück. Seit der Verurteilung waren etwa achteinhalb Jahre vergangen. Die über den Beschwerdeführer damals verhängte Freiheitsstrafe wurde überdies zur Gänze bedingt nachgesehen; die dabei festgesetzte Probezeit war nach dem Akteninhalt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits seit mehr als fünf Jahren ohne Widerruf abgelaufen. Das Verhalten des Fremden muss jedoch - wie bereits ausgeführt - eine gegenwärtige erhebliche Gefahr darstellen, um den Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu erfüllen (vgl. dazu abermals das bereits erwähnte Erkenntnis vom 20. Dezember 2012, Zl. 2011/23/0329). Das gilt umso mehr für den von der belangten Behörde herangezogenen, ein noch höheres Maß an Gefährdung verlangenden Tatbestand nach dem fünften Satz des § 86 Abs. 1 FPG.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, wobei die darin angeordnete Pauschalierung den (gesonderten) Zuspruch von Umsatzsteuer nicht vorsieht, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen war.
Wien, am 21. Februar 2013
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