VwGH 2012/23/0022

VwGH2012/23/002221.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Jänner 2010, Zl. E1/308.741/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §117 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §117 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, reiste im Juni 2001 nach Österreich ein und stellte in der Folge einen Asylantrag. Am 8. April 2004 heiratete er eine österreichische Staatsbürgerin. Mit dem Hinweis auf diese Eheschließung und seinen im Mai 2004 gestellten Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zog der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Mai 2004 seine Berufung gegen den erstinstanzlichen negativen Asylbescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juli 2002 zurück. In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer als Angehörigen einer Österreicherin eine vom 14. Mai 2004 bis 14. Mai 2005 gültige Erstniederlassungsbewilligung erteilt, die danach bis 21. April 2006 verlängert wurde. Schließlich wurde ihm ein vom 22. April 2006 bis 22. April 2008 gültiger Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt. Im März 2008 stellte er einen Verlängerungsantrag.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin wurde mit dem seit 5. Jänner 2007 rechtskräftigen Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 8. November 2006 gemäß § 55a Ehegesetz einvernehmlich geschieden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) vom 4. Jänner 2010 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, bei der Bundespolizeidirektion Wien sei ein anonymes Schreiben vom 8. März 2007 eingelangt, demzufolge die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers mit ihm eine Scheinehe gegen Geld eingegangen und der Ehemann nicht bei ihr wohnhaft sei. Die in weiterer Folge am 20. Februar 2008 als Zeugin vernommene frühere Ehefrau des Beschwerdeführers habe dann auch angegeben, dass es sich bei der mit diesem geschlossenen Ehe, die vermittelt worden sei, um eine "reine Scheinehe" gehandelt habe, für die sie von diesem kurz vor der Eheschließung einen Geldbetrag in der Höhe von EUR 8.000,-- erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe nie gemeinsam mit ihr gewohnt, die Ehe sei auch nie vollzogen worden. Diese Angaben habe sie bei ihrer erneuten Vernehmung am 24. November 2008 aufrechterhalten.

Nach Darstellung der das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestreitenden Stellungnahmen des Beschwerdeführers, dessen Vernehmung vom 4. Juni 2009 und der am 24. März 2009 bzw. 7. April 2009 erfolgten Vernehmungen der vom Beschwerdeführer genannten Zeugen kam die belangte Behörde beweiswürdigend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer mit seiner österreichischen Ehefrau zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsames Familienleben geführt habe. Dieser Umstand sei durch das niederschriftliche Eingeständnis der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers sowie die im angefochtenen Bescheid dargestellten Erhebungen, Befragungen und Vernehmungen erwiesen. Eine Gesamtschau aller angeführten Erhebungsergebnisse lasse nur den zwingenden Schluss zu, dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Ehefrau eine Aufenthaltsehe geschlossen habe. Sein Verhalten, eine Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zulässig und dringend geboten sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Juni 2001, seine Erwerbstätigkeit und seine strafgerichtliche Unbescholtenheit. Außer zur "Aufenthaltsehegattin" seien keine weiteren familiären Bindungen im Inland behauptet worden, eine Cousine des Beschwerdeführers lebe in Wels. Mit dem Aufenthaltsverbot sei daher ein "gewisser" Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser habe jedoch seinen Aufenthalt und den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt nur durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe und die Berufung auf diese im Aufenthaltstitelverfahren begründen können. Ein Teil des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei auf einem Asylantrag gegründet, der sich schließlich als unberechtigt erwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe den Großteil seines Lebens in seiner Heimat oder zumindest nicht in Österreich verbracht. Er habe in seiner Heimat maturiert und einen Beruf erlernt und verfüge dort nach seinen Angaben im Asylverfahren über intensive familiäre Bindungen zu seinen Eltern, seinen Geschwistern, seiner geschiedenen (ersten) Ehefrau und zwei Söhnen. Eine Gewichtung der allfällig vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich und der erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK ergebe ein klares Überwiegen der öffentlichen Interessen.

Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Die vorgenommene zehnjährige Befristung des Aufenthaltsverbotes stehe mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf seine private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Jänner 2010) geltende Fassung des genannten Gesetzes.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache unter anderem zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

In der Beschwerde werden in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung bzw. ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht. In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt, als das anonyme Schreiben vom 8. März 2007 verfasst worden sei, unbestritten nicht mehr bei seiner - damals bereits geschiedenen - Ehefrau gelebt habe und aus dem anonymen Schreiben nichts für das Bestehen einer Scheinehe abzuleiten sei. Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, dass das anonyme Schreiben zwar Anlass für die in weiterer Folge durchgeführten behördlichen Erhebungen war, die belangte Behörde ihre Annahme, eine Aufenthaltsehe liege vor, jedoch nicht mit dem Inhalt dieses Schreibens, sondern mit den Ergebnissen des daraufhin durchgeführten Ermittlungsverfahrens begründet hat. Schon deshalb vermag das Beschwerdevorbringen, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe nicht erwähnt, dass sie sich mit dem Beschwerdeführer treffe und von ihm Geld bekomme, wie dies jedoch im anonymen Schreiben angeführt worden sei, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 20. Februar 2008 und 24. November 2008, mit diesem eine Scheinehe geschlossen zu haben, werden in der Beschwerde als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet bzw. mit einem "Racheakt" der Ehefrau zu erklären versucht, weil der Beschwerdeführer sie "in flagranti" mit ihrem nunmehrigen Lebensgefährten ertappt habe.

Damit gelingt es der Beschwerde aber nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, zumal bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die diesbezüglich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers hingewiesen hat. So habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2009 behauptet, dass er "kurz vor der Ehescheidung am 08.11.2006" seine Ehefrau "in flagranti" mit ihrem nunmehrigen Lebensgefährten erwischt habe, was "nach albanischer Sitte" zur "einvernehmlichen Ehescheidung gegen den Willen der Ehegattin" geführt habe. In seiner Berufung vom 23. Juli 2009 habe der Beschwerdeführer behauptet, mit seiner Ehefrau bis Oktober 2006 ein gemeinsames Familienleben geführt zu haben und seine Ehefrau im Oktober 2006 "in flagranti" ertappt zu haben. Dem stünden die Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 4. Juni 2009 gegenüber, wonach er "bereits am 05.05.2006 von der ehelichen Wohnung in Wien 10" ausgezogen sei. Darüber hinaus - so die belangte Behörde weiter - hätten die Eheleute laut dem Gerichtsakt des Bezirksgerichtes Favoriten über die einvernehmliche Scheidung bereits am 24. August 2006 den Antrag auf Scheidung im Einvernehmen unterfertigt.

Auf diese beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde geht die Beschwerde nicht ein. Vor diesem Hintergrund und auch angesichts des zwischen dem vom Beschwerdeführer behaupteten "Ertappen" seiner Ehefrau im Oktober 2006 und ihrer ersten Vernehmung im Februar 2008 vergangenen Zeitraumes von einem Jahr und vier Monaten erscheinen die - die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers als "Racheakt" darstellenden - Beschwerdeausführungen auch nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin zu erschüttern. Der in der Beschwerde geltend gemachte Umstand, dass die Behörde erster Instanz gegen die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers keine Anzeige gemäß § 117 Abs. 2 FPG erstattet habe, führt im vorliegenden Zusammenhang zu keinem anderen Ergebnis.

Der Vorwurf, die belangte Behörde hätte auch den nunmehrigen Lebensgefährten der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers zur Frage des Vorliegens eines "Racheaktes" vernehmen müssen, zeigt schon mangels Relevanzdarstellung keinen der belangten Behörde vorzuwerfenden Verfahrensmangel auf. Der Beschwerdeführer hat der Aktenlage zufolge einen entsprechenden Beweisantrag im Verwaltungsverfahren auch nicht gestellt.

Ferner hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich begründet, weshalb ihrer Ansicht nach die Angaben der drei vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen in Gesamtheit nicht geeignet gewesen seien, ein (vormaliges) Eheleben des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehefrau auch nur in Ansätzen zu belegen. In diesem Zusammenhang bemängelt die Beschwerde im Anschluss an die voranstehenden Ausführungen zum behaupteten "Racheakt" der Ehefrau lediglich, dass "ungeachtet dessen" die Aussagen der vom Beschwerdeführer genannten Zeugen als unglaubwürdig "abgestempelt" worden seien, ohne jedoch den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde inhaltlich entgegenzutreten.

Somit vermag die Beschwerde weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung darzutun noch diesbezüglich einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Die nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung der belangten Behörde und die Ermessensübung zum Nachteil des Beschwerdeführers werden in der Beschwerde nicht bekämpft und sind auch nach Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden.

Soweit die Beschwerde in weiterer Folge auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht mehr geboten sei, sofern der Rechtsmissbrauch des Eingehens einer Scheinehe bereits fünf Jahre zurückliege, ist ihr zu entgegnen, dass diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz 1997 im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrechterhalten wurde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0257, mwN).

Schließlich trifft auch das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die Festsetzung der zehnjährigen Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht begründet, nicht zu. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, weshalb die Festsetzung einer kürzeren Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes geboten gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Juni 2012

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