Normen
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §56 Abs1 idF 2009/I/135;
FrPolG 2005 §56 Abs2 idF 2009/I/135;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §56 Abs1 idF 2009/I/135;
FrPolG 2005 §56 Abs2 idF 2009/I/135;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 18. Juni 2008 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit einer anderen Person am 13. Februar 2008 jemandem mit Gewalt ein Handy mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem der Beschwerdeführer dieser Person von hinten einen Stoß versetzt und sie zu Fall gebracht habe und sowohl der Beschwerdeführer als auch der Mittäter dem Opfer mehrere Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper versetzt hätten.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Mai 2009 sei der Beschwerdeführer (erneut) wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB,
des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und
des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB vorerst zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien sei die Strafe auf zwölf Monate unbedingt geändert worden. Der Beschwerdeführer habe zwei Personen mit Gewalt Mobiltelefone weggenommen, weiters Urkunden unterdrückt und eine Jahreskarte der "Wiener Linien" verfälscht.
Der Beschwerdeführer habe eine Stellungnahme eingebracht, der zufolge er ledig wäre und keine Kinder hätte. In Serbien würde er "weder über Verwandte noch über familiäre Bindungen" verfügen und wäre wegen seiner "Roma-Identität" politisch verfolgt. In Wien befänden sich seine Eltern und seine ältere Schwester. Er würde über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen und eine Lehre als Maler und Anstreicher absolvieren. Er würde sozialpädagogisch begleitet.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - befinde sich seit dem Jahr 2000, sohin seit seinem achten Lebensjahr, im Bundesgebiet. Er verfüge seit 11. April 2008 über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG". Gemäß § 60 Abs. 1 iVm § 56 Abs. 1 FPG sei zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lasse, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Der weitere Aufenthalt des Fremden müsse eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen. Diese Annahme sei gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer sei zweimal einschlägig rechtskräftig verurteilt worden. Bei beiden Raubdelikten habe er Gewalt angewendet. Er habe zwar die Straftaten als Jugendlicher begangen, dadurch aber dennoch seine Gefährlichkeit, seine Aggression und seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich geltenden Normen und Werten nachhaltig unter Beweis gestellt. Einsicht oder gar Reue seien nicht einmal behauptet worden. Eine positive Prognose könne auch wegen des relativ kurze Zeit zurückliegenden schweren strafbaren Verhaltens "in keinem Fall" erstellt werden. Die Fremdenpolizeibehörde habe das strafbare Verhalten des Fremden allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen, ohne an die diesbezüglichen Erwägungen des Gerichts etwa zur bedingten Strafnachsicht gebunden zu sein. Auch wenn sich der Beschwerdeführer seit der letzten Straftat wohlverhalten habe, sei der seit der letzten Tatbegehung verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um auch nur auf eine Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Der Beschwerdeführer sei ledig und ohne Kinder. Mit dem Aufenthaltsverbot sei ein durchaus massiver Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben verbunden. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Der Beschwerdeführer sei erst im Alter von acht Jahren nach Österreich gelangt und habe die prägenden Jahre der frühen Kindheit und seine frühe Sozialisation in Serbien erfahren. Er habe zwar in Österreich fast zur Gänze die ihn treffende Schulpflicht absolviert, habe aber auf Grund disziplinärer Schwierigkeiten die Schule vorzeitig beenden müssen. Er sei am heimischen Arbeitsmarkt nicht nachhaltig integriert. Er besuche nunmehr einen Ausbildungslehrgang unter sozialpädagogischer Betreuung. Seine Selbsterhaltungsfähigkeit scheine fraglich.
Der Beschwerdeführer sei mittlerweile volljährig und selbst ein allenfalls inniges Familienleben habe ihn nicht davon abhalten können, in ganz erheblichem Ausmaß straffällig zu werden. Auch wenn keine Bindungen im Heimatstaat mehr bestünden, sei das Aufenthaltsverbot nicht unzulässig. Über eine allfällige politische Verfolgung im Heimatland sei in einem eigenen Verfahren abzusprechen. Er verfüge über entsprechende Kenntnisse seiner Muttersprache und habe allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatstaat ebenso wie den eingeschränkten Kontakt zu seinen Angehörigen im öffentlichen Interesse zu tragen. Eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen ergebe ein klares Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Es bestehe in Bezug auf die Verhinderung der Gewalt- bzw. Eigentumskriminalität ein großes öffentliches Interesse.
Auf Grund der Verurteilung im Sinn des § 55 Abs. 3 FPG komme eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Bescheid könne mit einer zeitlichen Befristung des Aufenthaltsverbotes das Auslangen gefunden werden.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit weiterem Beschluss vom 3. November 2010, B 1306/10-6, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Eingangs ist festzuhalten, dass im Blick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 5. August 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.
Gemäß § 60 Abs. 1 iVm § 56 Abs. 1 FPG kann gegen Fremde, die - wie der Beschwerdeführer - vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfügen, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Die belangte Behörde beurteilte zutreffend unter Anwendung dieses erhöhten Gefährdungsmaßstabes die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers als gegeben. Sie hat dabei berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer u.a. dreimal das Verbrechen des Raubes verübt hat.
Nach den - im Verwaltungsakt erliegenden und unbestritten gebliebenen - Feststellungen des Strafgerichtes war der Beschwerdeführer am Abend des 13. Februar 2008 gemeinsam mit DP im
22. Wiener Bezirk unterwegs. Als sie in der Linie U1 den 17- jährigen PM beim Telefonieren mit seinem Handy beobachteten, fassten sie den Entschluss, dem Jugendlichen gemeinsam sein Handy gewaltsam wegzunehmen. In Durchführung ihres Planes verfolgten sie PM, nachdem dieser die U-Bahn verlassen hatte. In weiterer Folge stieß der Beschwerdeführer PM von hinten zu Boden und versetzte gemeinsam mit DP dem hilflosen Opfer wiederholt Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper. Der Beschwerdeführer entriss PM gewaltsam dessen Mobiltelefon, das dieser in der Hand gehalten hatte.
Der zweite Raub lief derart ab, dass der Beschwerdeführer mit anderen Personen in Wien unterwegs war und zur selben Zeit H dieselbe Gasse entlangging. Als der Beschwerdeführer H sah, fasste er den Entschluss, diesem mit Gewalt Wertgegenstände wegzunehmen bzw. abzunötigen. Er ging auf H zu, packte ihn am Arm, hielt ihn fest und forderte ihn auf, das Mobiltelefon herzugeben. Gleichzeitig hielt er ihm mit einer Hand den Mund zu und zog ihn zurück zu einer Hausecke. Er hielt ihn fest, als ein Mittäter H einen Faustschlag in den Bauch versetzte. Während H vom Beschwerdeführer festgehalten wurde, zog der Mittäter das Mobiltelefon und der Beschwerdeführer die Geldbörse aus seiner Hosentasche.
Am selben Abend traf der Beschwerdeführer auf S, die mit ihrem Mobiltelefon telefonierte. Er fasste den Entschluss, S unter Anwendung von Gewalt deren Handy wegzunehmen, sprang von hinten auf die Frau zu, umklammerte sie mit beiden Armen, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu und riss ihr mit der anderen Hand ihr Mobiltelefon aus der Hand.
Dass aus diesem Verhalten eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit abzuleiten ist, steht außer Frage. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer zu den Tatzeitpunkten noch minderjährig war. Die fehlende Einsicht in sein strafbares Verhalten wird nämlich dadurch eindrucksvoll dokumentiert, dass er nach der ersten Verurteilung am 18. Juni 2008 wegen Raubes bereits am 20. August 2008 wieder massiv und einschlägig straffällig geworden ist.
Die Beschwerde versucht die behördliche Beurteilung mit Erwägungen des OLG Wien anlässlich der Erledigung der Strafberufung als rechtswidrig darzustellen. Dies scheitert schon am Inhalt des diesbezüglichen Urteils vom 29. Jänner 2010. In diesem Urteil wird nämlich ausdrücklich festgehalten, dass auch die Bewährungshilfe im Bericht vom 19. Jänner 2010 nichts Positives vorzubringen gehabt habe. Bei dem "völlig schulduneinsichtigen, bis zuletzt hinsichtlich der beiden Raubfakten und auch hinsichtlich der Urkundenunterdrückung (...) leugnenden, einschlägig vorbestraften" Angeklagten sei zufolge seines raschen Rückfalls die erforderliche günstige Prognose im Sinn des § 43a Abs. 3 StGB nicht zu stellen. Das Vorbringen in der Berufungsverhandlung vermöge nicht die auf Grund bisher erfolgloser Resozialisierungsversuche negative Prognose derzeit zu verbessern, könnte aber nach näherer Prüfung einen Ansatz für einen vorläufigen Aufschub gemäß § 52 JGG darstellen.
Die Berufungsinstanz hat zwar das Ausmaß der Freiheitsstrafe von 15 auf 12 Monate herabgesetzt, dabei jedoch die teilbedingte Strafnachsicht widerrufen. Somit besteht kein Grund zur Annahme, das Strafgericht sei von einer Besserung des Straftäters ausgegangen. Inwiefern daran ein Aktenvermerk des für den Beschwerdeführer bei der Berufungsverhandlung auftretenden Rechtsanwalts etwas ändern könnte, ist nicht nachvollziehbar.
Wenn nunmehr der Vollzug der Freiheitsstrafe zur Teilnahme an einem Ausbildungslehrgang aufgeschoben wurde, ändert dies nichts an der besagten Gefährdungsprognose. Abgesehen davon ist - was der Beschwerdeführer auch nicht anzweifelt - die Fremdenpolizeibehörde nicht an die gerichtlichen Erwägungen gebunden und es ist aus den Tatbeständen des § 60 Abs. 2 FPG abzuleiten, dass selbst eine völlige bedingte Strafnachsicht einem Aufenthaltsverbot nicht entgegenstehen muss.
Hinsichtlich der Ermessensfrage verwies die belangte Behörde zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Mai 2009, 2009/22/0092), der zufolge bei Vorliegen eines Tatbestandes nach § 56 Abs. 2 FPG eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre.
Der Beschwerde kommt auch keine Berechtigung zu, wenn sie das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG als rechtswidrig darzustellen versucht. Diesbezüglich genügt der Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer bereits volljährig ist, keine eigene Kernfamilie in Österreich hat und am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist. Weiters trifft es zu, dass dem bis zum Alter von acht Jahren im Heimatland aufhältigen Beschwerdeführer im Blick auf seine Sprachkenntnisse eine Wiedereingliederung dort weder unmöglich noch unzumutbar ist.
Letztlich ist der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers zu entgegnen, dass im Verfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf mündliche Anhörung besteht (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, 2006/21/0334) und die Relevanz der behaupteten Ermittlungsmängel insoweit nicht aufgezeigt wird, als ein Vorbringen fehlt, welche für den Beschwerdeführer sprechenden günstigen Umstände die Behörde hätte feststellen können.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 19. Dezember 2012
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