VwGH 2012/18/0192

VwGH2012/18/019222.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des FB, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. April 2010, Zl. SD 952/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführer ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (die erstinstanzliche Behörde stützte ihr mit Bescheid vom 19. Juli 2006 erlassenes Aufenthaltsverbot demgegenüber allein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG).

Begründend führte die belangte Behörde - zum Teil, indem sie sich die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Begründung zu eigen machte - aus, der Beschwerdeführer scheine erst - abgesehen von einer zweiwöchigen Meldung im Februar 1988 - seit 27. Juli 1997 als in Österreich gemeldet auf. Er sei seitdem durchgehend im Bundesgebiet wohnhaft. Seit 17. Jänner 1998 verfüge er über einen unbefristet gültigen Aufenthaltstitel.

Am 17. Februar 2004 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des versuchten schweren Einbruchsdiebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von viereinhalb Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem sei zu Grunde gelegen, dass er am 14. August 2003 versucht habe, jemandem aus dessen Zimmer, in das er mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel habe eindringen wollen, Schmuck und Bargeld in einem EUR 2.000,-- übersteigenden Wert zu stehlen. Daran sei er aber vom Tatopfer durch Festhalten des Drehknaufes der Tür gehindert worden.

Der Beschwerdeführer habe weiters am 9. Februar 2004 nachgemachtes oder verfälschtes Geld, nämlich zwei 500 Euro-Banknoten als echt und unverfälscht ausgegeben. Für diese Tat sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 22. März 2004 zu einer Zusatzstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe, wovon ein Teil von sechs Monaten bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verurteilt worden.

Infolge dieser strafbaren Handlungen sei - wie die erstinstanzliche Behörde ausführte - gegen den Beschwerdeführer ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet worden. Damals sei aber auf Grund der "versprochenen positiven Zukunftsprognose", dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Bewährungshilfe genossen habe, und seinen familiären Bindungen im Bundesgebiet von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand genommen worden. Am 4. Februar 2005 sei der Beschwerdeführer (von der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz) "unter Vorhalt der Verurteilungen ermahnt" worden. Es sei ihm auch zur Kenntnis gebracht worden, dass er im Fall weiteren Fehlverhaltens mit einem Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu rechnen habe.

Am 6. März 2006 sei - so stellte die belangte Behörde weiter fest - der Beschwerdeführer - wieder vom Landesgericht für Strafsachen Wien - nach § 27 Abs. 1 und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe in der Zeit von 2002 bis 7. Februar 2006 Heroin, Kokain, Cannabisharz und Cannabiskraut in jeweils geringen Mengen zum Eigenkonsum erworben und besessen. Darüber hinaus habe er am 7. Februar 2006 gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des SMG, nämlich 205,26 Gramm Kokain, an einen verdeckten Ermittler verkauft.

In der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, dass die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weil der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, infolge der Bestimmung des § 87 FPG anhand der Kriterien des § 86 Abs. 1 FPG zu messen sei. Diese Voraussetzung sei auf Grund der Straftaten des Beschwerdeführers, insbesondere deswegen, weil er beim gewerbsmäßigen Handel mit einer großen Menge Suchtgift auf frischer Tat betreten worden sei, erfüllt.

Der Beschwerdeführer habe im Kosovo vier Jahre die Volksschule sowie drei Jahre die Hauptschule und anschließend in Österreich vier Jahre die Hauptschule sowie den Polytechnischen Lehrgang besucht. Dann habe er eineinhalb Jahre eine Lehre als Maler und Anstreicher gemacht. Er lebe seit 27. Juni 1997 durchgehend im Bundesgebiet. Er verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Ehefrau. Außer seiner Mutter verfügten diese Personen bereits über die österreichische Staatsbürgerschaft. Es sei daher davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein massiver Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Ungeachtet dessen sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes für das Erreichen von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten anzusehen. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften in Österreich einzuhalten. Eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose könne nicht gestellt werden. Insbesondere sei dabei zu berücksichtigen, dass er die Straftat nach dem Suchtmittelgesetz in gewerbsmäßiger Weise begangen habe und Suchtgiftdelikten grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr immanent sei.

Der Beschwerdeführer könne sich nicht mit Erfolg auf die aus seinem bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ableitbare relevante Integration berufen. Diese erfahre nämlich in ihrem Gewicht eine Minderung, weil die für die Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Von einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers könne nicht ausgegangen werden. Er habe seine Lehre nicht abgeschlossen. Danach sei er "nur sporadisch über jeweils kurze Zeiträume" einer Beschäftigung nachgegangen. Größtenteils habe er von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gelebt. Den - geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Einhaltung strafrechtlicher Normen gegenüber. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen sei zum Ergebnis zu kommen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen, als die öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der fremdenpolizeilichen Maßnahme. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat sowohl die Volksschule als auch die Hauptschule besucht habe. Es sei daher davon auszugehen, dass er seine Muttersprache perfekt beherrsche. Es sei ihm zuzumuten, nach der Rückkehr in sein Heimatland "bestehende, soziale bzw. familiäre Kontakte aufzufrischen bzw. neue Kontakte zu knüpfen".

Die Bestimmungen über eine Aufenthaltsverfestigung stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Der Beschwerdeführer sei nicht von klein auf im Inland aufgewachsen. Weiters sei er rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitstrafe von 14 Monaten verurteilt worden.

Schließlich legte die belangte Behörde noch dar, weshalb auch im Rahmen des Ermessens nicht von der gegenständlichen Maßnahme habe Abstand genommen werden können und das Aufenthaltsverbot auf die festgelegte Dauer zu befristen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (7. April 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Die Beschwerde wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Gefährdungsprognose. Dazu macht sie geltend, dass die belangte Behörde die nach dem Gesetz gebotene Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers nicht vorgenommen und die zu berücksichtigenden Wertungskriterien außer Acht gelassen habe. Die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung ausschließlich die im Strafregisterauszug aufscheinende (gemeint offenbar: die zuletzt ergangene) Verurteilung zu Grunde gelegt.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht bloß auf die Tatsache der Verurteilungen abgestellt hat, sondern das diesen zu Grunde liegende Verhalten - in für die hier vorzunehmende Beurteilung ausreichendem Maß - festgestellt und ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte den - offenbar gemeint: hinsichtlich der Verurteilung nach dem SMG geführten - Strafakt beischaffen und sich mit dem Inhalt dieses Aktes ausführlich und detailliert auseinandersetzen müssen, legt er nicht näher dar, zu welchen ergänzenden Feststellungen die belangte Behörde im Fall der Einsichtnahme in den Strafakt hätte kommen können und weshalb diese geeignet gewesen wären, zu einem anderen Bescheid kommen zu können. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers wird sohin nicht aufgezeigt.

Angesichts der Feststellungen zum Fehlverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er Suchtgifthandel in erheblichem Ausmaß betrieben und in der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, kann die Ansicht der belangten Behörde, es liege eine nach § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG maßgebliche Gefährdung vor, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das zuletzt gezeigte Wohlverhalten noch nicht von ausreichend langer Dauer, um davon ausgehen zu können, die vom Beschwerdeführer herrührende Gefahr sei bereits weggefallen oder entscheidungswesentlich gemindert. Diesbezüglich ist auch darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer auch von einem früher gegen ihn geführten Aufenthaltsverbotsverfahren nicht hat abhalten lassen, weiterhin - und zwar nach den Feststellungen, wonach er durchgehend von 2002 bis Februar 2006 strafbares Verhalten zu verantworten hat, auch wieder ab der im Februar 2005 erfolgten "Ermahnung" durch die Fremdenpolizeibehörde - strafbare Handlungen zu setzen. Die von ihm ausgehende, jedenfalls auch immer noch als gegenwärtig im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG einzustufende Gefahr hat er somit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde Ermittlungsmängel vorwirft und geltend macht, dass die letzte Verurteilung darauf zurückzuführen sei, dass er "süchtig" gewesen sei und nunmehr eine Therapie erfolgreich abgeschlossen habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass er - wie bereits erwähnt - die Straftat nach dem SMG in gewerbsmäßiger Weise, also um sich durch wiederkehrende Tatbegehungen ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, begangen hat. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Straftaten wie den vorliegenden selbst bei erfolgreicher Absolvierung einer Therapie zusätzlich Wohlverhalten über einen längeren Zeitraum danach vorliegen muss, damit vom Wegfall oder von einer maßgeblichen Minderung der Gefährdung ausgegangen werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. September 2011, Zl. 2009/18/0147, und vom 22. November 2012, Zl. 2011/23/0518, jeweils mwN). Wie bereits oben erwähnt, stellt sich dieser Zeitraum im vorliegenden Fall aber im (hier maßgeblichen) Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides als noch zu kurz dar. Allfälligen im Zusammenhang mit seiner Therapie behaupteten Verfahrensfehlern fehlt es sohin an Relevanz.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Beurteilung. Er macht geltend, dass weder seine Eigenschaft als Ehemann einer Österreicherin und Vater eines Kindes noch dass er Alleinverdiener sei, der für den Lebensunterhalt aufkomme, entsprechend berücksichtigt worden sei. Weiters führt er ins Treffen, dass die belangte Behörde jegliche Feststellungen dazu unterlassen habe, wieso die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein Kind allein mit der Mutter in Österreich leben oder mit dem Beschwerdeführer ins Ausland reisen könnte.

Es trifft der in der Beschwerde implizit ausgesprochene Vorwurf zu, dass die belangte Behörde im Hinblick auf die lange Dauer des Berufungsverfahrens an sich gehalten gewesen wäre, ihre Entscheidungsgrundlage durch ergänzende Erhebungen auf eine aktuelle Basis zu stellen. Die insoweit vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände, die sich zwischenzeitig bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ereignet hätten, stellen sich allerdings nicht dergestalt dar, dass die belangte Behörde bei Feststellung und Berücksichtigung dieser Umstände zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid bereits darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer und die im Bescheid genannten Familienangehörigen auf Grund der von ihm ausgehenden Gefahr die Trennung in Kauf zu nehmen haben. Dies gilt aber fallbezogen angesichts der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auch im Verhältnis zu seinem - im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigten - Kind. Sohin ist ungeachtet dessen, dass der belangten Behörde Mängel in der Verfahrensführung vorzuwerfen sind, im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass hier eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit vorliegt. Dass der belangten Behörde bei der Gewichtung der für die jeweiligen Interessenlagen zu berücksichtigenden Umstände ein Fehler unterlaufen wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof, entgegen der in der Beschwerde vertretenden Ansicht, nicht finden.

Da somit im Ergebnis die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

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